Ja ja, da könnt ihr schon mal neidisch sein, ihr Kölner*Innen und Mainzer*Innen. Während ihr euch auf der Durststrecke bis zum nächsten Durchdrehen befindet, ist in Reutlingen auch noch Anfang April Karneval. Wie das? Nun, ganz einfach: Henge aus Manchester sind zu Besuch im franz.K. Und die sind kostümiert, da könnt ihr glatt nochmal neidisch werden. Aberwitzig, die Garderobe aus einer fremden Galaxie, die die vier Bandaliens Zpor (Gitarre/Gesang), Goo (Bass/Synth Bass), Grok (Synthies) und Nom (Schlagzeug) da zur Schau stellen. Super anzusehen, jedoch bin zumindest ich da nicht neidisch, mit tonnenschwer anmutender Alienmaske ein Rockkonzert spielen zu müssen. Hat was von Attack Of The Mad Axeman. Nur musikalisch, da geht es bei Henge ganz anders zu.
Auch ein Mikrokosmos kann ganz schön groß sein und abermals unterschätze ich, wie lange man mit meinem irdischen Opel Corsa doch von Esslingen nach Reutlingen brauchen kann. Folglich komme ich rund 15 Minuten zu spät an und befürchte das Schlimmste, nämlich den sicherlich famosen Konzertbeginn verpasst zu haben. Vorband ist nämlich nicht und das ist an einem Montagabend auch ok. Aber nochmal Glück gehabt. Henge verspäten sich auch ein wenig und ich habe sogar noch Zeit, mir vom lieben Dirk meinen kürzlich vergessenen Pullover geben zu lassen. Wäre das auch erledigt. Danke Dirk!
Das Konzert heute findet im schnuckligen kleineren Konzertraum des franz.K statt. Ist super so, denn dieser ist angenehm gefüllt, ohne dass man sich gegenseitig auf den Füßen rumtrampeln muss und der Tresen ist auch vor Ort und lädt mich doch glatt dazu ein, es mir an ihm gemütlich zu machen. Und da sind sie auch schon, die vier Verrückten von Henge.
Für die nächsten rund anderthalb Stunden nehmen sie uns für nen echt fairen und schmalen Taler Eintritt mit in ferne Galaxien. Wer braucht da schon noch den ollen Elon mit seiner Privatrakete?! Zugabe wird es dann keine geben. wie gesagt, Montag Abend und im Schwabenland stehen uns noch fünf Arbeitstage diese Woche bevor. Das passt für mich schon so, für manch andere aber nicht. Denn wo das Reutlinger Publikum anfangs noch recht zurückhaltend, aber höflich mitschwoft, schaffen es Henge im Laufe ihrer Show zunehmend mehr, die Leute für sich zu gewinnen, so dass gegen Ende hin tatsächlich dieser, in solchen Fällen fast schon angenehme Konzertmief im Raum steht, die Leute wild am Tanzen sind – und eben nach einer Zugabe fordern. Henge scheinen also einen guten Job gemacht zu haben.
Das liegt aus meiner Sicht nicht nur an dieser irrwitzigen Musik zwischen Science-Fiction-B-Movie-Soundtrack und Atari-Spielkonsole, sondern auch an den erstklassigen Entertainmentqualitäten von Frontalien Zpor. Der Mann/das Alien weiß zu begeistern und führt uns mit schmunzelnden Ansagen durch das Set – und arbeitet dabei auch mimisch und gestisch auf Profiniveau. Dazu kommt ein perfekt inszenierter Ablauf der kompletten Show. Hier wird nichts dem Zufall überlassen und trotzdem wirkt alles so locker und leichtfertig. Sämtliche Sounds, Geräusche, Undefinierbares kommt uns wie ein schweizer Uhrwerk von der Bühne entgegengeschallt und kaum eines der verwendeten, nennen wir sie in diesem Fall mal “Musikherstellungsgeräte und -hilfsmittel” klingt so, wie man es als konventionelle*r Erdenbürger*In eigentlich kennt. Einzig die Drums klingen danach, als wären sie tatsächlich bei Thomann gekauft worden, treiben die Band und die Musik aber auch perfekt nach vorne.
Dies ist sicherlich auch ein Verdienst der zwei Herren an Sound- und Lichtmischpult, die heute abermals in gewohnter franz.K-Qualität einen hervorragenden Job machen. Nicht vom Fach, stelle ich mir es trotzdem als schwierig vor, diesen außerirdischen Musikderwisch aus Polka, HipHop, Dub, Rock, Oriental, Electro, undundund so zu bändigen, dass uns Normalos vor der Bühne kein Ohrenkrebs entsteht. Das Ganze dann nicht zu laut und trotzdem druckvoll. Wie gesagt: Chapeau für Henge, Techniker, franz.K-Personal und Publikum. Ein Montagabend auf dem Mond. Und mein Erdmobil bringt mich dann sogar noch laaaange vor Sonnenaufgang wieder sicher nach Hause.