Seit über zehn Jahren lebt Ian Fisher nun schon in Europa, fernab seiner Heimat Missouri/USA. Er wird einst seine Gründe gehabt haben und doch kehrt er auf seinem neuesten Werk “American Standards” immer wieder in seine amerikanische Heimat zurück. Musikalisch, wie auch inhaltlich. Bezieht sich der Titel des Albums zwar auf einen Toilettenhersteller, so ist er doch recht passend, ja gar zynisch gewählt. Denn gerade in Zeiten wie diesen, in denen ein Haufen selbsternannter Patrioten das Kapitol stürmt und damit ein weiteres drastisches Zeichen dafür setzt, dass die Vereinigten Staaten, plump gesagt, nicht mehr vereinigt sind, sondern die kurze Ära Trump vielmehr für eine tiefe gesellschaftliche Spaltung und für eine kaum fassbare Zunahme an Hass und Gewalt gesorgt hat, scheint sich ein neuer “American Standard” etabliert zu haben.
Pissing in American Standards between khakied men and truckers. An army of unwed mothers behind the counters. I was thinking on a third world war, not knowing what I came back for singt Ian Fisher im Titeltrack des Albums. Mit diesen wenigen Worten schon zeichnet Ian Fisher ein Bild des Amerikas von heute. Zumindest wie wir es in der alten Welt wahrnehmen. Und auch wenn seine gewaltige Bildsprache sich mit meiner Vorstellung von Amerika deckt, so muss ich doch einräumen, dass ich mir noch nie selbst ein Bild von diesem Land machen konnte, sondern auf Medienberichte und Erzählungen wie jene von Ian Fisher angewiesen bin.
Fernsehbilder zeichnen ein klares, unwiderrufliches Bild, schaffen Fakten, auch wenn sie womöglich medienwirksam geschickt gewählt sein mögen. In ihrer poetischen Erzählweise wiederum, geben einem die Texte von Ian Fisher den Freiraum, sich seine eigene Vorstellung zu schaffen. Sie sind Stützen für die eigene Phantasie und deshalb ungemein wertvoll.
In Kombination mit der sphärischen und ungemein vielseitigen Musik von Ian Fisher entfaltet sich ein wahres Erlebnis. Eine Mélange aus Pop und Poesie, die, um sie voll (be)greifen zu können, zwar deine totale Aufmerksamkeit verlangt, sich aber auch als angenehme Hintergrundbeschallung für Allerlei zu behaupten weiß. Das Highlight auf “American Standards” ist dabei das leichtfüßige “One Foot”, das einen angenehmen Gegenpol zur ansonsten bestimmenden sanften Melancholie des Albums bildet.Mit seiner eingängigen Gitarrenmelodie als Leitmotiv erinnert es an das Songwriting der Cardigans.
Daneben weiß Ian Fisher seine Songs gekonnt aus Versatzstücken verschiedenster Musikstile zu kreieren. Americana, Singer/Songwriter, Pop, Country. Speziell letzterem misst Ian Fisher eine besondere Bedeutung bei: “Das Thema Nashville spielt in meine politischen Ideen hinein und wie ich die Bedeutung der Country – Musik für Leute wie mich zurückholen will. Sie gehört nicht nur den Mitgliedern der NRA. Country – Musik braucht keine Länder, um zu existieren. Sie ist größer als das.” Eine mehr als lobenswerte Idee mit Querverweis auf das oben gezeichnete Bild des “American Standard”.
Ebenfalls lobenswert: Ian Fisher ist überzeugter DIY – Künstler, unterwirft sich keinem Management und releast seine Platten auf dem eigenen Label Ian Fisher Music. Dieser Vibe der Unabhängigkeit und der Rechenschaft, die es für ihn nicht gibt, haftet “American Standards” an und verleiht dem Album eine zusätzliche Frische. Bleibt es letztlich dabei, noch die ein oder andere Referenz ins Spiel zu bringen. Freunde von Bob Dylan, Neil Young, Firewater, den Beatles, oder auch den bereits genannten Cardigans dürfte diese Platte die Freudentränen in die Augen treiben.
Die Platte selbst erscheint in schlichtem, zur Musik passendem Artwork und liefert dabei neben sämtlichen Texten auch eine informative Auflistung an Linernotes auf der bedruckten Innenhülle. Download – Code gibt’s auch.
Interpret | Keine Daten vorhanden |
Titel | Keine Daten vorhanden |
Veröffentlichung | Keine Daten vorhanden |
Label: | Keine Daten vorhanden |
no images were found