Neulich hat mir ein Bekannter – seines Zeichens Lehrkraft an einer Hochschule – berichtet, er bekomme abends um 22:30 noch Mails vom Chef, er müsse morgen die und die Vertretung machen und den und den Unterrichtsstoff dafür vorbereiten. Höher, schneller, weiter… unmöglich. Bei all den Vorteilen der Moderne schlägt diese schnelllebige und leistungsorientierte Zeit mitunter absurde Wellen. Aber klar, da der moderne Mensch ja auch nicht mehr schlafen muss, ist das schon alles möglich. Bullshit! Warum erzähle ich euch das hier? Nun, wer sich gelegentlich, oft, oder grundsätzlich in ähnlich überfordernder Anspruchshaltung wie mein Bekannter gefangen sieht, der/die sollte die spärliche Freizeit unbedingt zum Entschleunigen nutzen. Da gehört dann aber auch der passende Soundtrack zu. Und hier kommt nun unser artist of the day, Mr. John Southworth, ins Spiel.
Der englisch-kanadische Singer/Songwriter, wohnhaft in Toronto und Sohn des britischen Songwriters und Mitbegründers des Labels Magnet, Peter Shelley, bietet auf seinem neuesten und bereits zwölften Werk “When You’re This, This In Love” (VÖ: 2.06.23) zwölf Chansons, wie sie ruhiger und beruhigender kaum sein könnten. Alltag raus, John Southworth rein. Das tut gut. Mit seiner charakteristischen Stimme zwischen Mark Oliver Everett und Thom Yorke, grundsätzlich aber auch mit der Anlehnung an die ruhigeren Momente deren Hauptbands Eels, bzw. Radiohead, lädt uns John Southworth ein, für wenigstens einen Moment auszusteigen und abzuschalten. Klar, Fan von ruhiger, größtenteils akustisch gehaltener und im weitesten Sinne als Folk-Pop zu bezeichnender Musik sollte man schon sein, sonst funktioniert der Trick nicht. Wer sich aber jetzt angesprochen fühlt, der/die wird mit “When You’re This, This In Love” definitiv eines der besseren Alben seiner Art auf dem Teller rotieren haben.
“Im weitesten Sinne” beschreibt nämlich auch, dass da durchaus noch andere Stilmittel mit verschwurbelt (darf man das derzeit noch so sagen?) sind – und gleichzeitig macht das die Sache bei all der Entspannung ja auch schon wieder spannend. Begleitet von allerlei Musiker*Innen an so diversen Instrumenten wie Akkordeon, Bass, Horn, Violine, Viola, Gitarre, Trompete und Drums schaut John Southworth gerne über den handelsüblichen Tellerrand hinaus und lässt Jazz- und Freestyleelemente in seine Kompositionen einfließen. Wer das Album also nicht nur zur bloßen Entspannung nutzen mag, der/die wird von John Southworth herzlich dazu eingeladen, tiefgründiger in seine Musik, aber auch in seine Gedankenwelt einzusteigen.
Man kann seinem Alter Ego “Gunther” folgen. Oder den fiktiven Charakteren “Oona” und “Tiny Tim”. Man kann sich der ebenso bezaubernden wie entzückenden Stimme der Gastsängerin Felicity Williams in “Angel Landing”, oder auch bei den Backgrounds hingeben und man kann natürlich wie quasi bei jedem Album versuchen, Machart und Intention hinter der Musik zu verstehen. Bleibt jedem/jeder selbst überlassen, muss aber nicht sein. Manchmal ist es doch einfach nur schön, eine Platte anhören zu können.
Tin Angel Records macht uns das möglich. Die Platte gibt’s auf solidem 180g-Vinyl in Schwarz , mit hübsch bedruckter Innenhülle und als kleines Schmankerl ist das Cover mit einem bedruckten Papierstreifen geschmückt. Schön, weil selten. Genau so wie die Musik von John Southworth. Schaut mal z.B. bei JPC danach.