Endlich! Endlich ist es soweit. Dank dem Umstand, dass ich kürzlich als Schreiberling beim Vinyl-Keks angeheuert habe, komme ich nun endlich zu der Gelegenheit, in die Welt des Kristofer Aström einzutauchen. Vorgenommen hatte ich es mir ja schon lange, aber da neben dem nun erschienenen „Hard Times“ bereits neun weitere Studioalben und zumindest für Anfänger eine schier unüberschaubare Anzahl an EPs und Singles existieren, wusste ich einfach nie, wo ich anfangen sollte. Also hab ich es aus Mangel an Zeit einfach gleich gelassen, mich tiefer in die Materie Kristofer Aström einzuarbeiten. Und dann ist es mit der Musik ja auch oft wie in der Pizzeria: Auswahl gibt es genug, aber irgendwie wählt man doch immer das Gleiche.
Nun aber freue ich mich, mit „Hard Times“ den Startschuss auf dem Plattenteller liegen zu haben. Und freuen tu ich mich übrigens, lieber Sebastian von Backseat, auch sehr über eure Compilation, die du mir zusätzlich mitgeschickt hast. Eine wirklich noble Geste, die ich sehr zu schätzen weiß. Tausend Dank!
Nun aber zurück zu Kristofer Aström. Da ich, wie geschildert, ein völlig unbeschriebenes Blatt bin, was den schwedischen Tausendsassa anbelangt, kann ich euch nicht mit langweiligen Floskeln à la „Hard Times klingt wie seine Platte blabla“ oder „Hard Times ist nicht ganz so blabla wie seine Platte blabla“ vollsülzen. Das mag für die Aström – Kenner zwar als hilfreiche Stütze fehlen, alle anderen aber dürfen sich auf ein jungfräuliches Review eines begeisterungsfähigen Hörers freuen. Und begeistert bin ich doch schon nach dem ersten Durchlauf. Seine tiefe, melancholische und mit einem leichten Vibrato behaftete Stimme zieht mich direkt in ihren Bann.
Musik, die herrlich unaufgeregt ums Eck kommt. Musik, die einen zum Schwelgen, Sinnieren und Abschalten anregt. Und das über die komplette Spielzeit. Das muss ein Album erst mal schaffen. Am besten, wir legen es direkt nochmal auf, dieses musikalische Kleinod. Erst beim zweiten Durchgang, den ich nun versuche, etwas fokussierter auf die musikalische Herangehensweise und Machart – und verdammt noch eins, ich muss mich echt zusammenreißen, nicht wieder in „Hard Times“ zu versinken – zu richten, fällt mir auf, mit welch simplen, aber effektvollen Mitteln die einzelnen Instrumente eingesetzt und ineinander verflochten werden, um mich in den oben beschriebenen Zustand zu versetzen.
Crescendo und Decrescendo an den richtigen Stellen tun ihr übriges. Hier sind definitiv Profis am Werk. Profis, die nicht nur Musik erzeugen, sondern sie auch mit Emotion und Dramaturgie anzureichern in der Lage sind. Herrlich! Nur das Klappern der eigenen Computertastatur hält mich noch im Hier und Jetzt. Ansonsten wäre ich schon längst z.B. in den stillen Wäldern Schwedens, fernab von Alltagsstress und schlechten Nachrichten in der Tagesschau.
Genauso haben es Kristofer Aström und seine Mitstreiter für die Aufnahmen von „Hard Times“ – das übrigens über das Stockholmer Label Startracks veröffentlicht wurde – nämlich gemacht: sich in die Silence Studios in Värmland begeben. Wie dieser Aufnahmeort es schon im Namen trägt, kann man dort laut Aströms Aussage wohl in einer Art Parallelwelt fernab der Schnelllebigkeit unserer modernen Welt und der unendlichen Informationsflut, die ständig auf einen einprasselt, leben und arbeiten. Diese Ruhe und völlige Konzentration auf das Schaffen der Musik. Man kann beim Hören von „Hard Times“ die wohl idealen Entstehungsbedingungen geradezu fühlen und sie auf sich und seinen eigenen Moment mit der Platte projizieren. Und dann dieses himmlische Duett mit Britta Persson („Another Love“):
Leider ist es nun doch schon recht spät geworden. Zeit ist eben relativ und die Wälder von Värmland sind in weiter Ferne. Morgen früh hat mich der Alltag wieder, aber für heute bin ich Kristofer Aström echt dankbar, dass er mich diesem für eine kurze, aber intensive Zeit entrissen hat.
Für das Artwork konnte Kristofer Aström niemand geringeres als seine Tochter Astrid gewinnen. Er fragte sie danach, was der Opener „Inbetweener“ in ihr bewege und heraus kam eine feingliedrige Zeichnung eines Hundes in melancholisch anmutender, aber auch aufmerksamer Pose. Ohne Astrid zu kennen, kann ich ihre Interpretation trotzdem voll und ganz nachvollziehen. Könnte ich zeichnen, hätte ich’s vielleicht auch so versucht. Gott sei Dank hat aber Astrid übernommen und so ergeben Optik und Akustik zusammen ein passendes Gesamtkonzept. Auf der Rückseite nochmals derselbe Hund, nun aber irgendwie etwas fröhlich gestimmter. Kein Wunder, schließlich sorgt „Hard Times“ trotz des schweren Titels ja auch für eine gehörige Portion Glückseligkeit. Das Inside – Out – Cover ist zudem die einzig mögliche, gar erlaubte Form für die Zeichnungen. Dadurch entsteht leicht der Eindruck, als hätte Astrid jedes der Cover einzeln bemalt. Würde jedenfalls zur Hingabe, mit der die Aströms für gewöhnlich an ihre Projekte herangehen zu scheinen, passen. Klar, dass es deshalb zusätzlich noch eine anschaulich bedruckte Innenhülle (Hundi zum dritten, kleines Bandfoto und Songtexte) gibt.
Oh, beinahe hätte ich es bei all der Schwelgerei vergessen. Ich sollte ja pro forma noch ein paar Referenzen liefern. Aber gerne doch! Wer Mark Lanegan, Tina Dico, Conor Oberst, aber auch Bands wie die Weakerthans oder die von mir so häufig zitierten und überaus geschätzten Seven Mary Three mag, der wird Kristofer Aström auch zu schätzen wissen.
Nach diesem begeisternden Erlebnis mit „Hard Times“ ist klar, dass ich mich mit den anderen neun Alben von Kristofer Aström auch noch umgehend beschäftigen sollte, ja sogar muss. Hab ja nun inzwischen genug Zeit mit dem Vermeiden verplempert. Dazu wären allerdings ein paar Reviews, die mit Floskeln wie „Hard Times klingt wie seine Platte blabla“ geschmückt sind vielleicht doch ganz hilfreich. Und wenn man denn mal wieder eine Pizzeria besuchen kann, dann wähle ich mal was total Neues. Vielleicht was mit Artischocken?!
In diesem Sinne wünscht einen guten Appetit mit diesem musikalischen Leckerbissen: Der Riedinger
Ach ja, das Album ist bereits erschienen und ihr könnt es z.B. hier erwerben: https://greenhell.de/Kristofer-Astroem-Hard-Times
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