Laibach – Vier Dekaden Provokation & Relevanz
Laibach machten sich 1980 als musikalischer Teil des Künstlerkollektivs „NSK – Neue Slowenische Kunst“ auf den Weg, um das politische Experiment einer konkreten Utopie zu wagen: mit eigenen Pässen, einer eigenen Währung und eigenen Briefmarken. Ein Land, das friedlich mit seinen Nachbarn leben will und mit Widersprüchen spielt.
Denn die „Neue Slowenische Kunst“ will „totaler als der Totalitarismus“ sein. Und das zunächst im stramm kommunistischen Jugoslawien Titos. Subversive Gegen-Kunst mit Mitteln der Staatskunst: Pathos und Bombast, Märsche und Uniformen.
2024 zeigen die slowenischen Meta-Künstler Laibach, warum sie zu den bedeutendsten und provokativsten Bands der Musikgeschichte zählen. Nach dem Re-Release ihres epochalen Albums „Opus Dei“ präsentieren sie mit „Opus Dei Revisited“ eine umfassende Neufassung, die sowohl ihr klassisches Werk feiert als auch radikal hinterfragt. Diese Veröffentlichung, bestehend aus zwei Vinyls, bildet den Höhepunkt einer Reihe von Projekten, die das 1987 erschienene Album würdigen.
Laibachs werden Labelmates von Depeche Mode
Der Titel „OPUS DEI“ gemahnt zunächst an die österreichische Band Opus und deren Skihütten-Hit „Live is Life“, den Laibach coverte. Die englische Laibach-Version heißt „Opus Dei“, in der deutschen Version wird aus dem ›live‹ das Leben: „Leben heißt Leben“
Die zweite Referenz ist die katholische Organisation Opus Dei (Das Werk Gottes). Das Opus Dei (lat. Praelatura Sanctae Crucis et Operis Dei) wurde 1928 von dem erzreaktionären Pater Escrivà de Balaguer gegründet. Laut Le Monde diplomatique ist Opus Dei, vom Vatikan zu einer »Personalprälatur« erhoben, „eine religiöse Kampftruppe mit starkem Hang zum Sektierertum und zum militanten Antikommunismus und gleichzeitig eine ökonomische und politische Kraft“, vor allem in Spanien.
Der erste Tonträger umfasst das aktuelle Live-Programm der Band, das ursprünglich für die „Opus Dei Revisited“-Tour arrangiert und später im Studio verfeinert wurde. Mit tiefgründiger Opulenz und subversiver Eleganz haben Laibach Klassiker wie „Live Is Life“ (Opus) und „One Vision“ (Queen) erneut interpretiert und sich dabei künstlerisch neu erfunden.
OPUS DEI wird nie vollendet sein
Die ikonischen Cover-Versionen, die einst durch ihre eigenwillige Umgestaltung bekannt wurden, erleben eine weiteres Level der Transformation. Laibach setzen ihre alten Songs durch subtile Kommentare zum Weltgeschehen in einen neuen Kontext: die ursprüngliche Parodie wird in ein Weiterdenken verwandelt.
Noch spannender gestaltet sich Tonträger Nummer zwei. Rico Conning, der bereits das Originalalbum produzierte und unter anderem mit Künstlern wie Swans, Front 242 und William Orbit zusammenarbeitete, erhielt den Auftrag, die Original-Masterbänder neu zu bearbeiten – ohne jegliche Einschränkungen!
Because OPUS DEI is never fully completed.
Laibach
Das Ergebnis ist keine einfache Remix-Arbeit, sondern eine psycho-akustische Meditation, die die versteckten Botschaften und Warnungen von „Opus Dei“ neu beleuchtet. Dieses Werk geht weit über das hinaus, was herkömmlich als Remix bezeichnet wird, und ist vielmehr eine kontemplative Re-Kontextualisierung, die das Potenzial der Originalaufnahmen aufzeigt und erweitert.
OPUS DEI: dem Geist treu geblieben
Laibach, gegründet in der Industriestadt Trbovlje (im damaligen Jugoslawien), haben sich in ihrer über 40-jährigen Geschichte immer wieder als visionäres Kollektiv erwiesen, das sich keiner Konvention beugt. Bereits in den Anfangstagen wurde die Band in Jugoslawien zensiert und mit Auftrittsverboten belegt. Trotzdem erlangten sie internationale Bekanntheit durch ihre kompromisslose Ästhetik, ihre intensive Auseinandersetzung mit politischen und kulturellen Symbolen und ihre provokative Verbindung von Kunst, Musik und Theater. Ihr Durchbruch gelang mit „Opus Dei“, das 1987 auf demselben Label wie Depeche Mode erschien und Laibach ins weltweite Rampenlicht rückte.
„Opus Dei Revisited“ zeigt, dass die Band auch Jahrzehnte später nichts von ihrer künstlerischen Relevanz eingebüßt hat. Die Neufassungen bleiben dem Geist des Originals treu, modernisieren es jedoch durch neue Stimmen, wie die der schwedischen Sängerin Marina Mårtensson, die Tracks wie „Transnational“ mit glockenhellen Vocals veredelt. Auch Stücke wie „Geburt einer Nation“ und „Leben – Tod“ wurden mit neuen Arrangements versehen, die Funk, explosive Riffs und elektronische Details einfließen lassen. Selbst der ikonische Titel „The Great Seal“ entfaltet in seiner modernisierten Form weiterhin eine majestätische Kraft. Gleichzeitig unterstreicht die experimentelle Arbeit von Rico Conning, beispielsweise durch eine knirschige Sludge-Schlagseite bei „How the West Was Won“, die zeitlose und zugleich wandelbare Natur dieses Albums.
Laibachs Einfluss reicht weit über die Musik hinaus. In den letzten Jahren sorgten sie mit ihrer Interpretation von „The Sound of Music“, inspiriert von ihrer historischen Reise nach Nordkorea, und dem Werk „Wir sind das Volk“, basierend auf den Schriften von Heiner Müller, für Aufsehen. Sie haben auch an einer Theaterproduktion von Brechts „Saint Joan of the Stockyards“ mitgewirkt und setzen sich aktuell für diplomatische Verhandlungen ein, um das symphonische Werk „Alamut“, eine Zusammenarbeit mit iranischen Künstlern, in Teheran aufzuführen.
Mit „Opus Dei Revisited“ und der begleitenden Tour beweisen Laibach eindrucksvoll, warum sie nicht nur als Rammstein für Erwachsene, sondern als eines der visionärsten Kollektive der Musikgeschichte gelten. Die Veröffentlichung schließt nahtlos an ihren bisherigen Werdegang an.
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Vinyl ist für mich nicht nur Musik, sondern ein Erlebnis. Die von mir beschriebenen Alben, habe ich alle ausgepackt, angeschaut und angehört. Gerne auch mehr als ein Mal. Bei den Reviews mache ich mir immer ein eigenes Bild durch entsprechende Recherche und das konzentrierte Anhören. Das ist meine Art den Künstlern entsprechende Wertschätzung für ihre Kreativität und Kunst entgegenzubringen.
So kann es vorkommen, dass zum Zeitpunkt des Erscheinens, die Platten in seltenen Fällen vergriffen sind.
Dazu gibt es für mich keine Alternative: über Platten schreiben, in dem man die Pressetexte abschreibt ohne die Platte in den eigenen Händen gehalten zu haben, macht für mich keinen Sinn. Danke für euer Verständnis.
Lagartija Nick.