Heute ist es mir ein besonderes Vergnügen das Review der Band Moaan Exis zu übernehmen. Das französisches Duo spielt nach eigenen Angaben Post-Industrial, Live Techno und Punk und hat damit schon einen kleinen Vorsprung an Credits bei mir. Industrial ist ein Genre, welches nicht unbedingt dem Geschmack breiter Massen entspricht. Nichts desto trotz haben sich aus den Wurzeln der Mitt-Siebziger eine Menge an Genres und Sub-Genres gebildet, die aber immer noch einem Credo folgen: der Provokation entlang der äußersten Ränder des Erträglichen und damit einhergehend das Experiment mit audiovisuellen Grenzerfahrungen. Um zu irritieren und schockierende Eindrücke aus der gelebten Welt zu kommentieren, werden extreme Darstellungen von Gewalt, Sexualität, Krankheit, Krieg und Tod mit bedrohlichen und aggressiven Klangcollagen unterlegt. Dafür gibt es heutzutage zahlreiche kreative, hörens- und sehenswerte Beispiele. Mittlerweile sind Bands wie Laibach, SPK, Skinny Puppy oder die famosen Nine Inch Nails einem größeren Publikum bekannt, aber der Großteil des Eisbergs liegt immer noch unter der Meeresoberfläche. Beschäftigt man sich mit dem Thema Industrial, wird man feststellen wie riesig und interessant das Spektrum der Bands und Spielarten ist.
Moaan Exis haben mit “Postmodern Therapy” ihr zweites Werk vorgelegt. Laut Promo-Kit gibt es in Summe bereits drei Releases. 2015 gründete Mathieu Caudron aus Toulouse Moaan Exis als Post-Industrial-Projekt. Aktuell bestehen Moaan Exis aus Mathieu: Gesang, Programmierung, Synthies und Percussions und Xavier an den Drums. Das vorliegende Album enthält acht Tracks und beginnt mit “Witness” eher ruhig. Klangfetzen werden wiederholt, Percussion läuft leicht mit und der Hörer wartet auf etwas. Diese Spannung wird dann brutal aufgebrochen und es hagelt schmerzhafte, elektronische Klänge, zu denen Mathieu seine Botschaften erst flüstert und später mit elektronisch verfremdeter Stimme herausschreit. So geht richtig fetter Industrial. Das zweite Stück “Imminent” erinnert an DAF und Techno und ist gut tanzbar. Der Beat ist durchgängig, lediglich von kleinen Breaks unterbrochen. Die Klangeinspielungen erinnern dem Sound nach deutlich an FRONT 242. Das an Violinen erinnernde Intro von “Overwatching Chaos” wird sofort mit einem Up-Tempo-Beat flankiert und Moaan Exis lassen einer Gastmusikerin Caitlin (Corlyx) den Vortritt beim Gesang. Ein gelungenes Experiment wie ich finde. “Momentum” am Ende von Seite A startet ein wenig wie ein Laibach-Stück, was am Rhythmus und den befehlsartig gebellten Texten liegt. Herrlich pulsierend und wiederholend, hämmert sich dieser Beat in feinster Manier in die Gehörgänge. Später werden fast spielerisch noch ein paar Klang-Fetzen eingespielt, aber nur um am Ende wieder zu diesen brutalen Hypnobeat zurück zu kehren. Kurzer Kommentar zur Halbzeit, ich bin total begeistert, fühle mich in einem Industrial-Orkan, der sich um mich mit aufbauender Energie dreht.
Seite B startet mit dem Titelstück “Postmodern Therapy”, ein Stück was mich an Skinny Puppy erinnert. Ein kraftvoller Beat und verwirrende Rhythmen, gepaart mit den elektronischen Einspielungen machen den Titel zu einem Highlight des Albums. Das Ohr kann den hart elektronisch-verzerrten Klangwelten kaum folgen. Es folgt “Street Rage”, der klanglich genau das umsetzt, was der Titel verspricht. Moaan Exis bohren ihre Botschaft mit entsprechender Untermalung dem gequälten Hörer direkt ohne Betäubung in das ZNS. Das Stück erinnert mich in Teilen an die frühen Einstürzenden Neubauten auf Speed. “Believe” ist vom Anfang ein echter Dancefloor-Filler. EBM und Techno standen bei dem fetten Beat-Gewitter mit Sicherheit Pate. Ab in die letzte Kurve. “Insight” beginnt ruhig mit einer Film-Noire-Untermalung und wechselt dann in elektronische Beats mit interessanten Pattern. So tröpfelt der Song lange Zeit dahin, bis durch elektronische Klänge wieder eine eher düstere Atmosphäre aufgebaut wird, welche später aber ebenso wieder zerlegt und überspielt wird. Das hat schon fast klassische Aspekte, erinnert mich an Wagner. Zum Ende übernehmen die Synthies das Ruder und der Rhythmus läuft eher still in zweiter Reihe bis die Synthiewave komplett übernimmt und dann sehr transzendent ausläuft. Ein würdiges Ende für ein Meisterwerk.
Schaut euch mal das Video zu “Witness” auf facebook an. Kreativität, Atmosphäre, gelungene Aufnahmen zeigen ansprechend wie interessant und vielschichtig Moaan Exis in den jeweiligen Medien sind. Der andere Pol neben der Kreativität, ist die Energie, die sich teilweise in den Songs zur Wut und Rage steigert Beispiel gefällig? Hier das Video von “Postmodern Therapy”, dem ersten Stück der zweiten Seite.
Moaan Exis sind stark drum-lastig und schwanken zwischen Techno, Hardcore und Industrial. Das Duo arbeitet extrem häufig mit verschleiften Rhythmen, Loops und teilweisen sehr harten Tempo-Wechseln. Es fällt manchmal ein wenig schwer der Ideen-Vielfalt von Moaan Exis zu folgen. Die häufig tribalen und experimentellen Sounds sind sehr kinematisch aufgebaut, man spielt wie im Film oft mit der Erwartung des Hörers und erzeugt Spannungsmomente und -kurven, die im nächsten Moment wieder eingerissen – wenn nicht sogar regelrecht zerstört – werden. Moaan Exis nutzen alle Freiheiten und spielen sehr mutig mit den Genres, zersetzen sie in die Atome und bilden neue Strukturen. Das ganze Album strotzt vor Energie und Kreativität, jeder Song ist ein Universum voller Überraschungen! So muss das sein – gerne mehr davon. Ich feiere das Album aus den beschriebenen Gründen und kann es Freunden des Genres der Mutigen sehr empfehlen. Am besten bestellt ihr es gleich hier.