Monoteur zum Zweiten – der Musiker aus Köln legt nach „Autofiktion“ (Vinyl-Keks-Review) sein zweites Album „Mutropia Chimaera“ nach. Erstaunlich finde ich die Häufung guter Alben aus der Stadt mit der kleinen Bahnhofskirche: nach Gong Wah mit „A Second“ und KRATZEN mit „Zwei“ nun Monoteur, der ebenfalls vom Krautrock inspiriert ist – fast könnte man von einer Kölner Kraut Wave (KKW) sprechen.
Mit „Mutropia Chimaera“ geht Monoteur den mit „Autofiktion“ eingeschlagenen Weg weiter, zeigt aber deutlich Zeichen von Veränderungen. Statt der Nostalgie zu huldigen, geht Monoteur auf dem aktuellen Album deutlich zu Neu-Interpretationen und Variationen mit seinen Instrumentals über.
Das Spektrum reicht von rhythmisch geprägten Stücken bis hin zu fast dronig musikalischen Klang-Gemälden. Dabei nimmt uns Monoteur mal mit Up-Tempo auf die Reise, mal schwelgen wir angenehm in Sounds und lassen uns von cineastisch inspirierten Melodien umgeben. Dabei lässt Monoteur durchaus sehr unterschiedliche Melodien und Strukturen zu – neben fast kindlich simplen Atari-Klängen gibt es auch mal fast episch anmutende Einschläge.
Zitat Monoteur: „Ich liebe alte und neue Musik, solange sie einfallsreich ist. Als Musiker versuche ich, neue Wege zu entdecken, um den E-Bass als Zentrum der Musik zu spielen, zusammen mit Synthesizer-Melodien und experimentellen Geräuschen.“
Sein generelles Konzept behält Monoteur bei: um den elektrischen Bass drehen sich die meist synthetischen Sounds und erzeugen eine wohlig warme (Retro-)Akustik. „Mutropia“ und „Doctor Who Whistleblower Self Advice“ (wieviel Kölsch muss man intus haben, um so einen Titel zu erfinden?) sind schöne Beispiele wie Monoteur diesen kauzigen, verschrobenen, sehr speziellen Retro-Kraut-Sound erzeugt und mit aktuellen Nuancen versieht.
„Mutropia“ beginnt mit einer dunklen Bass-Melodie, einem Synthie-Brummen und -Klängen, welche der Bass-Melodie folgen. Dazu kommen einige spacige „Geräusche“, die der Raumschiff Orion TV-Serie alle Ehre gemacht hätten, um gewisse Stellen zu akzentuieren. Der Song-Aufbau klingt schon stark nach einer TV-Serien-Melodie, hat aber diesen Mega-E-Bass als Fixstern, der den Song so besonders macht… besonders diese kleinen Klimaxe scheinen als Untermalung für Cliffhanger aus TV-Serie der 1970er Jahre zu stammen. Zudem hat der Song wirklich Endlos-Schleifen-Qualität und würde sich ebenso für die Untermalung eines Video-Games eigenen – ohne dabei aurale Sättigung zu erzeugen.
„Doctor Who Whistleblower Self Advice“ beginnt voller Dramatik: Drums erzeugen einen Marschrhythmus, der mit hektischen Synthie-Klängen konterkariert wird, aber auch eine minimale Atari-Melodie erzeugen, die absolute Ohrwurm-Eigenschaften hat. Vergleicht man die Dr. Who Titelmelodie mit dem Track, muss man anerkennen, dass die Version von Monoteur die interessante ist. Das Original mit seinen Streichern etc. ist episch weich gespült. Monoteur hat es hervorragend verstanden den Track durch seinen „Kraut-Mixer“ zu jagen und eine Variation des Originals erzeugt, die Ecken und Kanten und diesen verschrobenen Retro-Touch hat – einfach herrlich.
Optisch kommt das Album mit interessantem Cover. Eine – wie ich annehme eine Chimäre – steht im Vordergrund vor einem angedeuteten Wald. Links sieht man eine angedeutete Erdkugel. Die Rückseite zeigt neben dem Tracklisting vier „Bubbles“, von denen drei „Bubbles“ Fotos der verwendeten Instrumente enthalten. Und wer schon immer wissen wollte, wie ein in der Mitte zersägtes Zebra aussieht, wirft bitte einen Blick auf die vierte „Bubble“. Vieles scheint eine tiefere Bedeutung zu haben – aber da darf sich Hörer:in gerne eigene Gedanken machen.
Ein Wort noch zu den Songtiteln. Schon auf dem ersten Album gab es da herrliche Wortschöpfereien wie „Marode Gravitäten“ oder „Jeder Vierte ist zu viel“. Auch jetzt strotzen die Songtitel vor lustigen Ideen. Als Beispiel „Melaten Discovery Club“ (Melatenfriedhof ist der Zentralfriedhof in Köln), „Loser Plus Jackpot Deluxe Slot Machine“ oder „Two in a Banana Circle“.
Fazit: es gibt krautig elektronische Musik im Retro-Gewand von Monoteur: mit einem E-Bass als Zentrum, um das synthetische Arrangements wabern, die mit Geräuschen, Klängen aller Art ergänzt werden. Vieles klingt wirklich wie nach Filmmusik oder TV-Serie aus der Jugend und verbreitet das angenehme Flair der 1970er Jahre (Wunsch des Autors an Monoteur: Bitte jage mal die Titelmelodie der TV-Serie „Robbie, Robbie und das Fliewatüüt durch deinen Mixer“). Die Sounds klingen bunt, warm und ein wenig spacig. Wer mit auf die Zeitreise gehen möchte, steigt gerne hier ein. Unterm Strich hat Monoteur das – angeblich schwierige zweite Album – mit Bravour gemeistert und die Messlatte sogar ein wenig höher gelegt. Chapeau Monoteur!
Ich hatte Monoteur ja vor kurzem live bei mir im Plattenladen, auch das ist ein Erlebnis. Hört man sich dann noch mal in Ruhe diese LP an, ist man überrascht, wieviel „System“ darin steckt. Um das dann noch genau zu beschreiben,- da hab ich dann den Thomas! Genial!!