Musik trifft Literatur ist zurück aus der Sommerpause! Diesmal im Interview: FaulenzA, u.a. Rapperin, Punk, Trans-Aktivistin, Buchautorin und Fussballfan. Ich habe selten eine*n Künstler*in erlebt, die so offen, so schonungslos ihr Gefühlsleben in den Texten themasiert. Bei FaulenzA geht es textlich viel um ihr Leben als Transfrau, aber auch ihren psychischen Gesundheitszustand spricht sie immer wieder an. Diese Offenheit in ihren Rapsongs hat mich sofort fasziniert – auch, oder weil meine persönliche Lebenswelt ganz anders aussieht. Als ich dann erfuhr, dass sie auch noch Bücher schreibt, war klar, dass ich gerne mit ihr ein Interview führen möchte.
FaulenzA und ich unterhielten uns zwar per Mail, aber trotzdem hatte ich immer wieder den Eindruck, dass ihre fröhliche, unbekümmerte Art mit der sie sich in den sozialen Netzwerken präsentiert auch den Weg in unser Gespräch fand. Mir hat das Gespräch meinen Horizont etwas erweitert, ich hoffe, euch geht es ähnlich.
Viel Freude beim Lesen!
FaulenzA, schön, dass du bei Musik trifft Literatur dabei bist.
Ich bin vor paar Monaten eher zufällig auf dich aufmerksam geworden und seitdem erstaunt, in wievielen Projekten du überall deine Finger hast.
Stell dich doch bitte unseren Leser*Innen vor und erzähle uns, was du alles so machst…
Hallo Christian. Hallo liebe Lesenden. ich bin Musikerin, Buchautorin und queere, linke Aktivistin. Ich gebe Workshops zu den Themen Trans*Diskriminierung, Selbstverteidigung und ‚Mad* Pride‘. Und ich bin Kolumnistin in Berlins queeren Stadtmagazin ‚Siegessäule‘. Leben kann ich nicht davon. Kohle kommt vom Amt und von mit Akkordeon auf der Straße herumsitzen und schnorren. Das tue ich zurzeit meisten in Kreuzberg/Bergmannkiez. Da sind entspannte Leute unterwegs. Ansonsten häng ich in meiner betreuten Wohngruppe und schreibe und schreibe. Wie ne Verrückte, sag ich euch^^. Neben meiner großen Rap-Leidenschaft verfolge ich dabei jeden Tag auch meine Hörbuch Serie und Roman-Reihe: ‚Inselgnome auf der Walz‘.
Ich bin aktiv im linken Musiker_innen Netzwerk Rotzfreche Asphaltkultur. Das ist ein großer bunter Haufen aus Einzelleuten und Bands. Wir haben mehrere Treffen im Jahr, wo wir uns austauschen, gegenseitig Sachen beibringen, Lieder einüben und unsere Aktionen planen. In den letzten Jahren haben wir zum Beispiel zwei Antifa-Musik-Touren gemacht in der sächsischen Schweiz und Sachsen. Unsere Antifa Tour durch NRW mussten wir wegen Corona verschieben. Wir spielen dann als großes Aktions-Orchester und auch in Kleingruppen.
Dann spiele ich noch in der Straßenmusik Band Der Müll der letzten Tage. Auf Youtube könnt ihr unser Album ‚Straßenköter Radau‘ hören. Dazu gibt’s Diashows von unseren Touren. Wir machen ein oder zwei mal im Jahr Straßenmusik Touren. Gerne am Meer entlang in Küstenorten aber auch schon in der Schweiz. Unsere Auftritte sind dann meist ganz spontan. Wir spielen aber auch einzelne angekündigte Auftritte. Diesen Juli geht’s wieder los. Wir werden zwei Waldbesetzungen besuchen und dann geht’s Richtung Meer :-).
Eine weitere Gruppe, die mir sehr wichtig ist, ist mein Fußballfanclub Babelsqueers . Wir besuchen zusammen die Spiele vom linken Regionalliga Club Babelsberg 03 und setzen uns für queere Sichtbarkeit und Akzeptanz im Fußball ein.
Du legst bei dieser Antwort, aber auch vor allem bei deinen Internetauftritten, eine Offenheit an den Tag, die ich bemerkenswert finde. Nicht jede*r stellt psychische Erkrankungen direkt so in den Vordergrund, wie du es tust. Auf den ersten Blick bietest du so viel Angriffsfläche, auf den zweiten nimmst du den Leuten damit direkt den Wind aus den Segeln, oder?
Ich versuche ehrlich zu schreiben und ich selbst zu sein. Darüber zu schreiben was mich gerade beschäftigt. Da hilft mir ja auch da zu verarbeiten.
Das kostet auch viel Mut dabei persönliches von mir preiszugeben. Gerade auch, wenn es um psychische Themen geht. Denn dafür schäme ich mich auch viel. Aber gerade diese Themen in starke Hiphop Tracks zu verwandeln, macht auch, dass ich mich weniger dafür schäme. Dass ich stolz darauf bin, dass ich es geschafft habe z. B. Missbrauch zu überleben und mit den Folgen gelernt hab umzugehen.
“Madpride” nenne ich diesen Stolz. Ich bekomme dafür auch Feedbacks von anderen Betroffenen. Und wenn sie mir sagen, dass meine Lieder sie bestärkt haben, freut mich das. Natürlich gibt es auch Hater. Aber die gibt es glaube ich so oder so. Damit umzugehen finde ich sehr schwer. Ich lösche und blockiere sie, ohne zu antworten. Aber oft geht mir ihr Hass noch nach.
Ich bekomme in letzter Zeit mal wieder viel Makker- Shitstorm.
Die einstimmige Meinung der Hater zusammengefasst:
-Ich kann nicht singen, ich kann nicht rappen und nicht reimen.
-Ich hab keine Ahnung von Punk, von Rap, von Fussball
-Alles was ich mache ist lächerlich und peinlich
-Ich bin ein Mann
-Man sollte mich verprügeln, verbrennen, erstechen, vergasen, einsperren
-Viele schreiben noch dazu, dass sie ja gaaar nichts dagegen hätten dass ich Transfrau bin. Wäre ja nur eine objektive Tatsache, dass ich nichts kann. Und das ist ja sehr wichtig, dass sie mir das alle einzeln schreiben.
Aber wenn ein weißer Cis-Mann ein Rapvideo hochlädt, was sie nicht mögen, dann beachten Sie es einfach nicht weiter. Oder sie finden es einfach nur schon deshalb toll, weil der Rapper so hart und stark und selbstbewusst ist.
Krasse Kommentare. Das macht mich echt sprachlos. Auch in den subkulturellen Bereichen in denen du dich bewegst, bist du solchen Anfeindungen ausgesetzt? In deinem Song “Queer Punk” hatte ich den Eindruck gewonnen, die Punkszene bietet dir einen Safe Place, eine Heimat, wo du sein kannst wie du bist….
In der queerfeministischen Szene fühle ich mich wohl. Und bei meinen Konzerten kommen ja auch meistens die netten Leute. Ich spiele auch gern Konzerte außerhalb meiner Szene. So erreiche ich auch neue Leute und wachse selbst an neuen Erfahrungen. Im persönlichen Kontakt sind Hater meist ganz kleinlaut. Es sind meist eher “Internethools”. Leute, die nichts besseres zu tun haben, als zuhause vorm PC zu sitzen und Sachen zu suchen, die sie haten können.
Bei mir ist es oft so, wenn ich ein neues Video hochlade, kommen in den ersten 2 Wochen eher die netten Kommentare und Feedbacks. Und dann werden irgendwann die Hater drauf aufmerksam. Dann stürzen sich alle Vollpfosten auf einmal darauf und beleidigen mich.
Und ja, leider gibt es auch in der Punk Szene Menschen die was gegen Transfrauen haben. Erst recht, wenn sie nicht still sind und es sogar wagen, Männerdomänen wie Frontgesang und Fussballkultur zu erobern. Transfrauen lösen bei vielen scheiß Leuten Unbehagen und Widerwillen aus. Viele verstecken ihre Transfeindlichkeit in allgemeinen Hatekommentaren. “Mir ist egal dass du Transe bist, aber deine Musik ist zum kotzen” Aber wenn sie die Musik von einem Cis Rapper doof finden, finden sie es oft nicht so notwendig ihm_ihr das mitzuteilen. Das zeigt, dass es mehr um Transfeindlichkeit, als um Musikkritik geht.
Für die Transfeindlichkeit, die ich schon immer auf der Straße erlebe, trainiere ich schon seit 15 Jahren WingTsun. Das ist Selbstverteidigung. So fühle ich mich einigermaßen sicher, für den Fall der Fälle… Man darf nicht vergessen, dass es jährlich über 300 registrierte Morde an Transfrauen/Transweiblichkeiten gibt. Mit wahrscheinlich großer Dunkelziffer.
Wie schon gesagt, ich bin sehr beeindruckt von der Offenheit in deinen Texten. Inwieweit sind deine Musik, deine Texte eine Form von Selbsttherapie? Hilft dir diese Aufarbeitung?
Viele Lieder schreibe ich so, wie andere Tagebuch schreiben. Also, wenn es mir gerade schlecht geht, mich ein Thema doll beschäftigt, mich Gefühle überwältigen. Manchmal hat es was von Professor Dumbledors Denkquarium bei Harry Potter. Wenn in seinem Kopf mal alles drunter und drüber geht, dann zieht er seinen Gedanken mit dem Zauberstab aus seinem Kopf und schüttet ihn in das Denkquarium. Da kann er ihn sich dann von außen ansehen, mit anderen Gedanken vergleichen und ordnen. Ich ziehe meine Gedanken mit dem Stift auf’s Papier. Dadurch allein fühlt sich mein Kopf schon weniger schwer und voll an. Ich kann loslassen. Weil jetzt kann ich entscheiden an was anderes zu denken und mich später wieder mit dem Thema zu befassen. Es ist ja auf Papier und geht mir nicht verloren.
Wenn ich daraus ein Lied schreibe, muss ich allein schon durch die Struktur der Melodie ordnen reinbringen. Meine wirren aufgeschriebenen Gedanken und Gefühle muss ich auf das Wichtigste kürzen, denn niemand will ein zehn Minuten Lied hören. Ich muss ordnen, welche Gedanken inhaltlich zusammenpassen und eine Strophe bilden können. Die Reim- und Rhytmusstruktur muss passen. Dadurch beschäftige ich mich mit dem Thema intensiv. Und am Ende habe ich vielleicht mehr Klarheit zu dem Thema gewonnen, was mich gerade doll beschäftigt und belastet hat.
Am Ende habe ich vielleicht sogar ein Lied daraus gemacht, auf das ich stolz bin. Dann kann ich es vor Publikum singen oder die Aufnahme ins Internet hochladen. Und Leute geben mir Feedback und Lob dafür. Das tut gut. Und es ist was besonderes. Denn ich schreibe oft über ernste Themen, wie schwierige Gefühle und Diskriminierungserfahrungen. Und aus so etwas Schlechtem entsteht dann was Gutes.
Für diese Form des Tagebuch schreiben bietet sich Rap/Hiphop natürlich an. Optisch kommst du aber als Punk rüber. Wäre Punkrock eine Ausdrucksform die dich reizt? Oder denke ich da jetzt zu sehr in Schubladen?
Mein allererstes Musikprojekt war tatsächlich eine Punkband. Die habe ich mit Freund_innen in der Schule gegründet. Nach und nach hatten die dann aber andere Interessen und ich bin schließlich alleine übrig geblieben. Lieder geschrieben habe ich trotzdem noch. Und mit Gitarre konnte ich mich auch selbst begleiten. Also war ich eben erst mal Liedermacherin. Ich hab es aber vermisst, mit anderen Leuten zusammen Musik zu machen. Deshalb hab ich mich so gefreut, als ich 2010 die ‚Rotzfreche Asphaltkultur‘ kennengelernt habe. Da hab ich dann auch Akkordeon gelernt und überhaupt die ganze Folk-Punk Richtung kennen gelernt. Das ist Punkrock mit akustischen Instrumenten. Mit dem ‚Müll der letzten Tage‘ habe ich nun ja auch eine Folk-Punk Band. Hip Hop habe ich erst später durch linke und feministische Rapperinnen wie Sookee und Lena Stoehrfaktor lieben gelernt. Mich hat die fette tanzbare Musik gecatcht, aber auch die Art zu Reimen und ausgefuchste Texte zu schreiben. Es ist eine Musik, die ebenso wie Punk, sehr kraftvoll und zornig wirken kann. Und ich konnte sie auch alleine machen, ohne Band. Durch das Label Springstoff habe ich die wundervolle, feministische Rap-Community kennengelernt. Und weil ich immer noch am liebsten Musik mit anderen zusammen mache, habe ich mich immer über Feature Gäste gefreut.
Als Straßenmusikerin mit Akkordeon spiele ich aber Punk Songs. Und sehr gerne würde ich auch mal wieder in einer Punk Rock Band spielen. Darüber habe ich in den letzten zwei Jahren wieder mehr nachgedacht. Dieses Jahr kamen mit ‚Babelsberg Fussballfans‘ und ‚Queer Punk‘ ja schon zwei Musikvideos von mir raus die Hip Hop und Punk Rock verbinden. Mein Produzent ‚Ralphy Grey‘ macht das ganz toll. In ‚Queer Punk‘ beschreibe ich, wie ich zu Punk gekommen bin und was es für mich eigentlich heißt ‚Punk‘ zu sein.
Mitte Juli werde ich an einem Musikvideo der queerfeministischen Punkband ‚Eat my Fear‘ mitwirken. Darauf freue ich mich auch. Ich liebe Punk und ich liebe Hip Hop. In der Presse wurde ich manchmal als ‚Punkrapperin‘ bezeichnet. Das find ich ganz cool 🙂
Gibt es auch im Punkrock Frauen, die dich geprägt haben, die als Vorbild fungierten so wie Sokee im Rap? Durch welche Bands, welche Künstler*Innen bist du zuerst beim Punk gelandet?
Na klar, da gibt’s viele wundervolle Punkis, die mich inspirieren! Also allgemein FLINT Personen (Frauen Lesben Inter Trans):
Die Bands Abgesagt, Angebrachte Panik, Latent Genervt, Die Dorks, Eat my Fear, Schrottgrenze, Against Me und noch viele mehr 🙂 Und zuerst richtig angefixt auf Deutschpunk hat mich der Sampler “Schlachtrufe BRD”. Meine ersten Lieblingsbands waren Knochenfabrik, Slime, Wizo, Die Ärzte und Toxoplasma. Die find ich alle immer noch toll 🙂
Fussball, Musik, Literatur…
Du bist vielseitig interessiert und engagiert.
Was war als erstes da, fing alles schon in deiner Kindheit an, entwickelten sich diese Leidenschaften parallel oder nacheinander?
Ja zum Glück hab ich viel was mir Spaß macht. Da bin ich auch sehr dankbar für. Denn ich hatte schon schlimme Depriphase, wo ich an nichts mehr gefallen finden konnte.
Von den Dingen, die du nennst kam als erstes Fussball. Da wurd ich echt schon durch meine fußballbegeisterte Familie hineingeboren. Ich glaube, “Borussia” war das zweite Wort was ich sagen konnte. Das erste war ‘Mönchengladbach’ und ‘Mama’ kam später^^.
Meine Musik Leidenschaft ging aber auch schon früh los. Hauptsächlich durch das Kinder- und Jugendgitarrenorchester “Die Schwalmtalzupfer”, wo ich in der 3. Schulklasse zugestoßen bin.
Später hatte ich dann zwei Punkbands mit Mitschüler_innen der. Wir hießen Contra und “the doi!sters”, hatten aber außer einmal, nur ein richtiges Konzert.
Und zur Literatur: In der Grundschule hab ich gern Aufsätze geschrieben. Das könnte ich richtig gut. Hab ich dann sogar zuhause in meiner Freizeit gemacht. “Tim’s Abenteuer’ nannte ich meine Geschichten. Und die hab ich in Hefte geschrieben und auf dem Heftrücken jeweils ein Photo von mir geklebt. Wie die großen Autoren! Denn eitel war ich schon immer. Auf der weiterführenden Schule war ich dann ganz enttäuscht, dass wir im Deutschunterricht keine eigenen Geschichten mehr geschrieben haben. Da sollten wir dann immer nur das besprechen, was andere verfasst haben. Ich habe dann aber umso mehr in meiner Freizeit geschrieben. Neben Songtexten für meine Bands und Tagebuch, habe ich sogar einen richtigen Roman angefangen. Da war ich erst 13 Jahre alt und hab mich in meinen Tagträumen schon alle beeindrucken sehen. Wie sie staunen, dass ich so jung schon ein Buch hab. Es hieß ‘Die Kälte in mir’ und war ein Jugend-Gruselroman. Ich hatte ihn auch fast vollendet, aber hab mich nie getraut ihn jemand zu lesen zu geben. Nicht mal ein Auszug daraus. Dann fiel das Manuskript einem Brand zum Opfer.
Umso stolzer wär ich dann, als mit “Support your Sisters Not your cisters ‘ wirklich mein erstes Buch raus kam. Der Verlag ‘Edition assemblage ‘ staunte nicht schlecht, als ich darauf bestand ein Photo von mir auf den Buchrücken zu bringen. Denn eigentlich war das in deren Sortiment bisher nicht üblich. Aber ich wollte nun endlich meinen Traum verwirklichen, der mit ‘Tim’s Abenteuer’ begann.
Gerade ist die Fussball-Europameisterschaft der Männer im Gange. Schaust du das überhaupt? Und wie beurteilst du dieses ganze Regenbogen “Ding” in diesem Zusammenhang?
Ja, ich liebe Fußball! Und da ist natürlich auch die EM nicht an mir vorbeigegangen. Ich habe die Deutschlandspiele geguckt. Schön mit Freund_innen im Biergarten. Die Spannung war dabei manchmal kaum auszuhalten für mich. Aber manchmal hat es auch richtig Spaß gemacht, wie beim Spiel gegen Portugal. Edeka hatte als EM Special auch Ottifanten-Figuren zum Sammeln rausgebracht. Die bin ich immer noch eifrig am Sammeln. Freund_innen helfen mir sogar dabei, und bald hab ich alle :-).
Mich hat es richtig geärgert, dass das Münchener Stadion nicht in Regenborgen Farben leuchten durfte. Und jetzt hat die UEFA sogar noch einen draufgesetzt und beschlossen, dass es auch keine Regenbogen-Bandenwerbung geben darf. Aber es hat mich gefreut, wie viel Protest es dagegen gab. Wie viele Vereine und Fans sich positioniert haben und wie viele wichtige Diskussionen das ausgelöst hat.
Die Regenbogen Fahne als Zeichen der LGBTQ* Bewegung ist zwar nun in aller Munde, aber ist das Bewusstsein dafür in der Fussballfankultur wirklich angekommen? Du machst auch Seminare zu diesem Thema, oder? Wie wirst du als Transperson in der Fanszene aufgenommen? Bei meinen länger zurückliegenden Stadionbesuchen war z. B. “schwul” schon immer noch als Schimpfwort in der Kurve ziemlich präsent…
Nach meinem Coming Out als Trans Frau, habe ich mich lange nicht mehr ins Stadion getraut. Die Fußball-Szene in Mönchengladbach habe ich nämlich als sehr mackermäßig erlebt. Queerfeindlichkeit war hier ganz normal. Bei Gladbach-Spielen gab es z. B. folgende Anti-Köln-Gesänge: „Ja ihr seid schwule Kölner, habt Spitzenhöschen an. Ihr lasst euch gern dran fummeln. Ihr schwules Kölner Pack“ oder „Hauptstadt der Schwulen, ihr seid die Hauptstadt der Schwulen …“. Dazu trugen die Fans Aufnäher mit homofeindlichen Witzen auf ihren Kutten. Irgendwann bin ich nach Berlin gezogen und habe meine Transition abgeschlossen. Ich wurde mutiger und bin sogar wieder zu Gladbach-Spielen gefahren. Doch gleich auf meiner ersten Auswärtstour gegen Hannover 96 wurde ich von Fans beleidigt, ausgelacht und es wurde auf mich gezeigt.
Queere Solidarität ist bei Stadionbesuchen schon gleich am Einlass wichtig. Dort wird die Warteschlange von den Ordner*innen in zwei Geschlechter aufgeteilt, um dann jeweils von einem Mann oder einer Frau abgetastet zu werden. Das ist ein Angstmoment für mich. Oft schon musste ich die Entscheidung der Ordner korrigieren und ihnen erklären, dass ich nicht von einem Mann abgetastet werden möchte. Im letzten Jahr hat mir ein Sicherheitsmann auf einem Auswärtsspiel nicht geglaubt, dass ich eine Frau bin. Er wurde richtig gemein, und dachte wohl, ich wolle ihn verarschen. In der Kurve kostet es mich Überwindung, mitzusingen. Denn dann wird meine tiefe Stimme hörbar. Und selbst wenn mich Leute vorher als Frau gelesen haben, wäre das spätestens dann vorbei.
Ich finde, Vereine sollten Schulungen zu Queersensibilisierung für ihre Mitglieder anbieten und Kampagnen durchführen, um bei den Fans ein Bewusstsein für trans* Lebensrealitäten zu schaffen. Ein klares Statement gegen Diskriminierung raushauen und zeigen, dass queere Fans willkommen sind. Auch Fangruppen könnten da einiges reißen, z. B. mit Stickern und Spruchbändern zeigen, dass sie solidarisch mit trans* Fans sind und diese herzlich einladen, mit dabei zu sein.
Du hast jetzt schon viele Facetten deines Lebens hier beleuchtet, vieles davon findet sich auch irgendwie bei den “Inselgnome auf der Walz” wieder. Gehe ich recht in der Annahme, dass der Roman viel Autobiographisches erzählt? Würde es dich auch mal reizen, etwas komplett anderes zu schreiben? Eine völlig unpolitische Schnulze vielleicht?
Ja genau! „Fünf punkige Inselgnome machen sich auf, die Welt der Menschen kennenzulernen. Dabei schlagen sie sich mit Straßenmusik und Geschichten-Erzählen durch und schlafen auf den Straßen von Nord- und Ostseeküste.“ So fängt die Inhaltsbeschreibung auf dem Buchrücken an. Und die Grundlage für die Handlung sind ganz klar meine eigenen Erlebnisse. Vorlage der Inselgnome Queckdu, Schmunzz, Richard und Schnappdu sind meine besten Freund_innen und ich selbst: Noti. Wir, die realen Vorlagen der Gnome, sind eine Straßenmusik-Truppe und unternehmen ein bis zwei mal im Jahr eine Tour, meist am Meer entlang. Von Tag zu Tag entscheiden wir dabei, wohin wir als nächstes ziehen. Auf unserer ersten ‚Walz‘, als überall sonst an Nord und Ostsee nur Regen angesagt war, hat es uns so auf die Insel Helgoland verschlagen. Unser punk-clowniges Programm fällt in den touristischen Orten auf. Die einen finden uns ungebührlich und störend, die anderen feiern es umso mehr. Als immer öfter gefragt wurde wer wir sind, woher wir kommen, wo wir schlafen, habe ich mir angewöhnt zu erzählen, dass wir ‚Inselgnome‘ sind, die in Höhlen ganz weit unter der Insel Helgoland leben. Dort haben wir alles – außer Kleingeld. Und so kommen wir manchmal raus in die Menschenwelt, um Musik zu machen. Diese Geschichte habe ich lieb gewonnen. Und von da an führte ich täglich Reisetagebuch, mit dem Gedanken, sie irgendwann auszubauen. Diese erste Tour mit meiner Band gehört zu den allerschönsten Momenten meines Lebens! Mit den anderen Musiker_innen bin ich so eng zusammengewachsenen, dass wir noch immer ein fester Familienersatz für uns sind. Auch habe ich mich persönlich weiterentwickelt, mich in neuer Rolle ausprobiert, Selbstbewusstsein gewonnen und vor allem: Freiheit geschnuppert. Eine Art zu leben, von der ich schon lange geträumt habe. Den Anstoß dazu so ein Abenteuer einmal selbst zu wagen, waren Astrid Lindgrens Bücher ‚Rasmus und der Vagabund‘ und ‚Pipi Langstrumpf auf der Walz‘. Meine Reiseerlebnisse dann zu einem Roman zu formen ermöglichte es mir, täglich einmal wieder in dieses Gefühl einzutauchen, mich mit meinen Liebsten verbunden zu fühlen und schöne Urlaubserlebnisse wachzurufen.
Meine Inselgnom Geschichtem wie auch meine Lieder schreibe ich über Themen, die mich gerade beschäftigen. So haben die Gnome auch mit Diskriminierung zu kämpfen, weil sie als Gnome nicht ins Schubladendenken der Menschen passen. Was ganz anderes zu schreiben kann ich mir aber auch gut vorstellen. Und warum nicht mal eine Romanze? Meine eigenes Liebesleben ist gerade leider ziemlich flaute. Aber wenn ich mal einen Freund hab und ganz verliebt bin, dann inspiriert mich das bestimmt zu ganz viel romantischen Texten.
Du erwähnst Astrid Lindgren als Vorbild. Wer hat dich literarisch sonst noch geprägt, wen oder was liest du heute gerne?
Harry Potter! Bin der allergrößte Fan, und selbst im Haus “Hufflepuff”. Dann “Die Söhne der großen Bärin’ von Liselotte Welskopf Henrich. Noch lieber sogar mag ich von ihr die Reihe “Das Blut des Adlers’ über neueren indigenen Widerstand. Ich lese auch sehr gern Liebesromane und Familiengeschichten. Meine Favorites:
Die Tuchvilla. Gut Greifenau. Löwenhof. Ich lese jeden Abend ein bischen zum einschlafen. Mein festes Ritual zum runterkommen.
Wir bei Vinyl-keks.eu sind ja Nostalgiker und hören Musik am liebsten als Schallplatte. Hast du Vorlieben bei der Wahl des Mediums? Oder sind das für dich Luxusprobleme, du erwähntest am Anfang, dass du auch Schnorren gehen musst…
Ja, ich geh auch schnorren, wenn mein Taschengeld nicht reicht. Und ich habe auch ein Herz für Schallplatte und Kassetten. Mein aktuelles Album Wunderwesen kam ja auch auf Vinyl raus. Und da freue ich mich sehr drüber. Bin immer wieder stolz darauf wenn ich diese schöne Platte in den Händen halte. Da wirkt das gemalte Coverbild auch ganz anders. Und irgendwie hab ich da einfach ein greifbareres Ergebnis für meine Mühe, die in dem Projekt stecken, als bei MP3s. Genauso geht es mir mit meinen Inselgnom-Geschichten. Ich hab zwar alle auch als Hörbuch rausgebracht. Aber jetzt, wo ich den ersten Teil als gedrucktes Buch in den Händen halte, ist das schon was anderes. Das kann ich Leuten schenken, man kann drin rumblättern, und sich was draus vorlesen. Ich hab einfach gern was echtes zum Anfassen.
Die letzte Frage lass mal ganz offen angehen: Was wolltest du immer mal in einem Interview loswerden, was du nicht gefragt wurdest? Möchtest du unseren Leser*Innen etwas mit auf den Weg geben?
Ich möchte mich ganz herzlich für dein Interesse und die interessanten Fragen bedanken! Und an die Leser_innen fürs Lesen! Ich wurde noch nie nach meinen Lieblingsfilmen oder Serien gefragt, glaub ich ^^.
Das sind gerade: Sons of Anarchy, Vikings, Die geheime Benedict Verschwörung (Disney plus), Alles von Marvel! besonders Marvel‘s Agents of Shield und Marvel‘s Agent Carter, Moxie, Sex Education, Suizid Squad und Stranger Things. Big Shot (Disney plus), Mighty Ducks Game Changer (Disney Plus). Ich hab viel Zeit zum glotzen ^^
Ansonsten gebe ich euch gerne noch mein Lieblingsmotto mit auf den Weg: ‚Alles ist gut, solange du WILD bist!‘