Es ist wieder Zeit für ein neues Interview bei Musik trifft Literatur. Diesmal mit Nils Kanton, einem der Betreiber des Projekts Lied & Lyrik, welches ich eher zufällig auf Instagram entdeckt hatte. Dort beschreiben sie sich als “Schaufenster für deutschsprachige Texte und hervorragende Musik” und mir hat von Anfang an diese Idee gefallen, den Texten , den Lyrics mehr Beachtung zu schenken. Deshalb freue ich mich sehr, dass Nils sich zu einem kleinen Interview bereit erklärt hat, bei dem er das Projekt Lied & Lyrik genauer vorstellt und u.a. erklärt was einen guten Songtext ausmacht.
Viel Spaß dabei und checkt die Playlist auf Spotify aus! Es gibt viel zu entdecken!
Hallo Nils, stell euch doch am besten mal vor: Wer steckt hinter Lied und Lyrik?
Hinter Lied und Lyrik steht Golden Ticket aus Leipzig. Ich, Nils Kanton arbeite und betreue das Projekt in der Agentur und kümmere mich in Zusammenarbeit mit Fabian Schütze, Fab, dem Gründer und Kopf von Golden Ticket um die ganzen Geschehnisse bei Lied und Lyrik. In der Agentur betreuen wir u.a. Max Prosa und Sarah Lesch im Booking und Management und so gibt es da auch konkrete inhaltliche musikalische Schnittstellen.
Wie würdest du selbst beschreiben, was ihr mit Lied und Lyrik macht?
Lied und Lyrik soll ein Schaufenster sein für hervorragende Musik und Texte mit Sinn, Wert, Tiefe und Relevanz. Im Zentrum steht eine Spotify Playlist, in der die Musiker:innen selbst ihre Lieblingsmusik
vorstellen, wöchentlich neu kuratiert. Dazu ein Instagram Account, der Texte mit Anspruch ins Licht rückt, tolle Alben vorstellt und neue Musik featured. Wir wollen eine Community entwickeln, auch kleinen
Künstler:innen Reichweite bieten und haben weitere Pläne und Ideen, die die unabhängige Szene stärken sollen.
Spätestens seit der Verleihung des Literatur Nobelpreises an Bob Dylan ist klar, dass Songtexte auch als Lyrik wahrgenommen werden kann. Was macht für dich gute Lyrik aus, sowohl in der Musik als auch in der Literatur?
Die Sprache in Liedern ist ein enorm wichtiger Bestandteil. Sie gibt der Melodie eine Geschichte und echte Tiefe und andersherum trägt die Melodie die Texte. Es ist eine wunderbare Symbiose. Gute Lyrik ist für mich eine fesselnde Erfahrung, erzählt mir Erlebnisse, gibt mir neue Perspektiven oder Erkenntnisse. Sie kann mich aufbauen, motivieren, aber auch traurig und melancholisch machen. Gut gemachte Lyrik bleibt im Kopf, man hat das Gefühl sie immer wieder hören zu müssen, man kommt nicht los von ihr.
Lied und Lyrik ist nicht auf ein Musikgenre festgelegt, sondern weit gefächert. Trotzdem ist “härtere” Gitarrenmusik die Ausnahme. Liegt das an eurem musikalischen Background oder finden sich dort schwieriger “gute” Texte?
Lied und Lyrik ist jedem deutschsprachigem Genre gegenüber offen und findet auch in den “härteren” Musikbereichen hervorragende Singer- Songwriter*innen. So zum Beispiel war vor kurzem Love A mit “Nichts ist neu” Album der Woche bei uns. Natürlich liegt der Fokus eher auf ruhigeren Songs, wir sind aber keinesfalls der Meinung nur in den “ruhigeren” Genres gute Texte zu finden.
Ich habe “hart” extra in Anführungszeichen gesetzt, da dies ja jede*r anders sieht. Ich zum Beispiel liebe Love A, würde sie musikalisch aber nicht als hart bezeichnen, da ich mit Punkrock und Hardcore groß geworden bin.
Wie sieht deine/eure persönliche Musiksozialisation aus?
Meine musikalische Entwicklung begann in der Pubertät. Durch das Skaten kam der Punkrock, der natürlich eine Weile da war. Aber mich hat das Interesse an Musik erst so richtig an einem Abend in der “Dorfdisco” gepackt. An diesem Abend lief ein Remix von “Banquet” der Band Bloc Party. Ab da war ich dem Indie verfallen und wollte ständig neue Bands und Lieder finden. Ich war aber nie einem Genre gegenüber verschlossen und finde mich in vielen Musikbereichen wieder. Durch Lied und Lyrik ist mir die deutschsprachige Musik sehr ans Herz gewachsen und hat für mich eine ganz neue, tiefere Bedeutung bekommen.
Harte Musik ist ja eh ein doofer Begriff. Die Texte von manchen Musiker*innen, die eher den poppigeren Klängen zuzuordnen sind, erzählen krassere Geschichten als die von Bands mit den tiefer gestimmten Gitarren. Im internationalen Bereich fällt mir da gerade z. B. Billie Eilish ein.
Kannst du mir da zustimmen?
Welche*n Künstler*in empfindest du textlich als harten Stoff?
So ganz kann ich dir da nicht zu stimmen, es gibt auch Bands ,die mit “tiefer gestimmten Gitarren” auch krasse Geschichten erzählen. Ich denke man findet in allen Genres Texte, die an schwierige Themen herantreten. Das bestimmt für mich nicht der musikalische Stil. Textlich packen mich viele Künstler*innen. Gerade hat Sarah Lesch mit Karl die Große den Song “Schweigende Schwestern” veröffentlicht, der mich sehr berührt hat. Solche “harten” Themen müssen Laut gemacht werden und Gehör bekommen.
Den Song musste ich mir jetzt erst mal anhören, kannte ich gar nicht. Wirklich krasser Song, saugut.
Es gibt ja in den letzten Jahren immer mehr deutschsprachige Künstler*innen, die solche Erlebnisse thematisieren, durch die wir Cis Männer erleben, wie privilegiert wir durchs Leben gehen. Ein total wichtiger Schritt finde ich. Dass Privates politisch ist, zeigt das deutlich!
Inwieweit verfolgt ihr mit Lied und Lyrik eine politische Idee, beziehungsweise welchen politischen Anspruch setzt ihr an die Kunstler*Innen die bei euch die Playlist Kuratieren?
Wir verfolgen mit Lied & Lyrik keine politische Idee. Ob die Künstler:innen sich dafür entscheiden, diese Themen in ihrer Musik zu besetzen, ist deren alleinige Entscheidung. Musik muss nicht politisch sein, sie kann auf so vielen Ebenen mehr einen immensen Wert haben. Aber klar: Wir haben einen klaren Werte-Kompass und werden deswegen bestimmten Positionen nie Raum einräumen bei Lied & Lyrik und im Gegenzug für Themen, die wir wichtig und gut finden einstehen.
Vinyl-keks.eu will die Verbreitung von Musik auf Schallplatten fördern. Ihr bedient euch für Lied und Lyrik dem Streaming Dienst. Wie hörst du privat Musik, auf Platte oder vom Rechner?
Ich habe gern ständig Musik um mich, deshalb höre ich meine Musik überwiegend über Streaming Plattformen. Finde das Medium Vinyl aber sehr attraktiv und mag, dass die Platte immer mehr an Bedeutung zurück gewinnt. Habe auch in den letzten Jahren einen kleine Leidenschaft entwickelt und eine staatliche Plattensammlung dazu gewonnen. Wenn es also um das “intensivere” Hörvergnügen geht, lege ich gern auch mal eine Platte auf.
Bei Lied und Lyrik lernt man immer viele neue Musik kennen. Welche*n Künstler*in, Band oder Stil hast du durch Lied und Lyrik kennen und schätzen gelernt?
Ich denke durch die Arbeit mit Lied & Lyrik ist die Liebe zur deutschsprachigen Musik generell bei mir gewachsen. Egal welcher Stil. In diesem Bereich sind so viele wunderbare Bands und Künstler*innen hörenswert und viele habe ich so überhaupt erst entdeckt, wie zum Beispiel Alex Mayr und ihr tolles Album “Park”.
Das Jahr neigt sich langsam dem Ende zu. Hast du dir schon Gedanken gemacht zu den besten Platten des Jahres? Teile uns doch deine Top 5 2021 mit.
Leider bin ich da noch nicht dazu gekommen, aber eine Top 5 würde da auch nicht reichen 😀 Es gibt so viel tolle Musik, ich finde die Sortierung in Rangfolgen und Listen schwierig.
Welche literarischen Werke hattest du zuletzt auf dem Nachttisch und was hat dich umgehauen?
Aktuell lese ich eine Band-Biografie der Band Kraftwerk. Der Pioniergeist in der Szene fasziniert mich sehr und hat viel in der Vergangenheit bewegt und hervorgebracht. Abseits der Literatur ist aus unserem Netzwerk noch das Low Budget High Spirit Magazin sehr zu empfehlen, welches private Einblicke in die aktuelle Lage einiger Künstler*innen bietet und das Musikbusiness in einer ganz neuen und transparenten Perspektive betrachtet.
Vielen Dank Nils, dass du die Zeit gefunden hast uns Lied und Lyrik vorzustellen!