In unserer Reihe Vinylkeks4Nepal lassen wir die Bands und Unterstützer:innen der beiden Benefiz Vinyl Sampler “Help4Nepal Vol.1“ und “Help4Nepal Vol.2 – United We Stand” zu Wort kommen. (Können hier käuflich erworben werden) Die Sampler waren zunächst als Nebenprojekt des The Madness Pogo Festivals entstanden. Zwischenzeitlich wurde daraus ein eigenständiges Projekt: Das Child8Project. In Kooperation mit STELP e.V. Stuttgart wird mit dem Erlös der Sampler Geld für den Bau einer Schule und eines Wassersystem in Kathmandu / Nepal gesammelt. Detailliertere Informationen zu dem Projekt findet ihr außerdem hier im Interview mit Sascha, einem der Hauptinitiatoren.
Im heutigen Interview erzählt uns Lizal von der Metalpunkband Die Dorks etwas über die Teilnahme am Help4Nepal Sampler, das “Erfolgsrezept” der Band und spricht über die Sichtbarkeit von Frauen auf der Bühne und das Thema Inklusion und Barrierefreiheit in der Musikszene. Viel Spaß mit dem spannenden Interview!
Hi Lizal, danke, dass Du Zeit für ein kurzes Interview hast! Ihr seid ja zur Zeit schon wieder Live unterwegs, wie fühlt sich das für Euch an, nach so langer Bühnenabstinenz wieder “echtes” Publikum vor Euch zu haben?
Natürlich fühlt sich das unfassbar geil an, wenngleich es mich bei der ersten Show mit „normalem“ Pogo wie früher extrem geflasht hat. Es hat sich im Moment sehr surreal angefühlt, dass da plötzlich viele Menschen und dann auch noch in unmittelbarer Nähe um einen herum sind. So, als wäre das unglaublich lange her, sowas mal erlebt zu haben. Selbstverständlich war es uns bei allen bisherigen Shows sehr wichtig, dass sich die Veranstalter*innen an die derzeit geltenden Hygienevorschriften gehalten haben, um niemanden gesundheitlich zu gefährden.
Ja, das kann ich mir vorstellen, dass sich das erstmal unwirklich anfühlt…Im April diesen Jahres ist euer bereits 7. Album “Die Maschine Von Morgen” erschienen. Welche Schwierigkeiten hat es für Euch mit sich gebracht, mitten in der Pandemie ein Album zu veröffentlichen?
Was das Veröffentlichungsdatum betrifft, waren wir wohl zu optimistisch. Das Release Date des Albums war für den 30. April 2021 angesetzt und wir waren alle in der Hoffnung, dass es zu diesem Zeitpunkt auch wieder mit den Live Gigs losgeht. Leider wurden unsere Release Shows gecancelt und es sollte sich noch bis Anfang August hinziehen, bis wir endlich mit unseren neuen Songs auf der Bühne stehen konnten. So mussten wir also den Fokus auf eine multimediale Omnipräsenz legen und machten Werbung was das Zeug hält, unübersehbar auf den allseits bekannten Social Media Plattformen. Das war anstrengend und zeitraubend, hat aber im Endeffekt gut geklappt, da viele Platten bei uns und bei Coretex, unserem Label, geordert wurden. Viele unserer Planungen mussten auch terminlich ständig verschoben werden, so kam es dass wir auch unser neues Musikvideo zum Titeltrack “Die Maschine von morgen” erst im August diesen Jahres drehen konnten. Zu finden ist dieses auf unserem Youtubekanal, den ihr sehr gerne bei dieser Gelegenheit abonnieren könnt. Natürlich ersetzen alle digitalen Medien kein Livekonzert mit einer neuen Setlist. Eine coole Show bleibt eben mehr in den Köpfen der Leute hängen, als ein Post in einem Newsfeed. Und auch für einen selbst ist es natürlich nicht der Ersatz für das reale Erleben auf der Bühne, maximal ein schwacher Trost, seine Lieder den Zuhörer*innen digital zeigen zu können.
Umso schöner, dass wir Euch jetzt wieder Live erleben können! Auf dem zweiten Help4Nepal Sampler “United We Stand” habt ihr den Song “der Mensch ist ein Schwein” von selbigem Album beigesteuert. Wie kam es dazu und warum habt ihr Euch für diesen Song entschieden?
Sascha hat mich angefragt, ob wir beim Help4Nepal Sampler mitmachen wollen, wir haben uns ausgetauscht und uns für diesen Song entschieden, weil er meiner Meinung nach thematisch sehr gut passt. In Nepal herrscht extreme Armut und Sascha hat mir erzählt, dass dort jedes 3. Kind unter gefährlichen Bedingungen arbeiten muss. In unserem Songtext geht es im Grunde darum, dass wir Menschen für unsere unstillbare Konsumgier weltweit schreckliche Formen von Ausbeutung und Unterdrückung in Kauf nehmen. Wir kaufen tonnenweise billige Shirts, die wir gar nicht mehr in unseren begehbaren Kleiderschrank stopfen können. Doch es ist uns scheißegal, dass diese von Kindern genäht wurden, die in bitterer Armut keine andere Wahl hatten. Wir konsumieren tonnenweise täglich billiges Fleisch, wohlwissend darüber, dass dafür Lebewesen unter grausamen Bedingungen lebten und getötet wurden. Wir produzieren Lebensmittel im Überfluss, um sie dann auf den Müllcontainer zu werfen, weil wir uns sonst darüber beschweren, wenn am Samstagabend ein Regal im Supermarkt leer wird. Doch auf der anderen Seite der Erde hungern noch immer die Kinder. Was stimmt mit uns Menschen nicht, dass wir es schaffen, überall auf der Welt „Wlan“ zu finden, aber nicht in der Lage sind, den eigenen Konsum immer wieder kritisch zu hinterfragen bzw. uns so einzubremsen, dass kein anderes Individuum dafür leiden muss und es zum Überleben für uns alle auf diesem Planeten reicht? Es heißt zwar, dass wir die intelligenteste Spezies sein sollen, aber ich sehe das anders. Alle reden davon, wie schlimm es war, dass wir in der Kolonialzeit Sklav*innen für unseren Wohlstand ausgebeutet haben, dabei ist es noch heute die bittere Realität, dass wir Ausbeutung in jeglicher Form für unseren Luxus billigend in Kauf nehmen. Und jede*r von uns war oder ist in seinem Leben schon mal zum potentiellen Täter durch sein rücksichtsloses Konsumverhalten geworden. Wir Menschen sind gierig, ignorant und zerstörerisch, betreiben Raubbau an der Natur und sind somit das schlimmste und gefährlichste Virus für den Planet Erde.
Auf dem zweiten Sampler wurde darauf geachtet, eine ausgewogene Zahl an männlichen und weiblichen Musiker:innen unterzubringen. Das Thema Sexismus wird zur Zeit im Punk viel diskutiert. Ihr vereint ja in eurer Musik Metal UND Punk als Musikrichtung und seid ja quasi in beiden Szenen zu Hause. Gibt es Deines Erachtens einen Unterschied zwischen den beiden Szenen, was die Präsenz von Frauen auf der Bühne angeht und wie mit dem Thema in der jeweiligen Szene umgegangen wird. Und wenn ja, welche Erklärung hast Du dafür?
Mein persönlicher Eindruck ist, dass im Punk und Metal gleichermaßen nach wie vor weniger Frauen als Männer sichtbar sind. Die Punkszene hat meiner Meinung nach im Moment durch #punktoo, u.a. durch die supergute Arbeit von Diana Ringelsiep und Ronja vom Plastic Bomb, ein super Sprachrohr. Ich hoffe, dass es dadurch zukünftig viel frischen Wind auf den Bühnen geben wird, da ich auch schon von vielen Veranstalter*innen mitbekommen habe, dass sie sich durch die Diskussion nun ernsthaft mit der Sichtbarkeit von Frauen auf der Bühne auseinander setzen. Wir vereinen zwar in unserer Musik stilistisch Punk und Metal, aber es sind aktuell überwiegend Veranstalter*innen aus dem Punkgenre mit denen ich Kontakt habe, so dass ich hier zur Metal-Szene gar nicht so viel sagen kann. Ich für meinen Teil habe da zumindest nichts mitbekommen, dass es da ähnlich engagierte Menschen wie bei #punktoo gibt, aber ich lasse mich natürlich gerne eines Besseren belehren.
Ich selbst kenne nur die feministische Metal und Rock Community Dear Darkness, die aber leider, zumindest auf Instagram, zuletzt 2019 aktiv war. Rückblickend auf Eure eigene, bisherige Karriere: Was würdest Du jungen Bands oder Künstler:innen raten, die sich zum jetzigen Zeitpunkt gründen? Gibt es ein “Erfolgsrezept”, dem ihr selbst vielleicht auch gefolgt seid, um da zu stehen, wo ihr jetzt seid?
Das finde ich tatsächlich gerade sehr schwer zu beantworten, ob meine Vorgehensweise zur “Jetztzeit” die richtige für eine andere Band ist. Mein persönliches “Erfolgsrezept” war jedoch immer “machen, machen, machen” und niemals still stehen. Denn dann sind andere Bands schneller und schnappen dir die besten Gigs vor der Nase weg oder produzieren das coolste Album des Jahres vor dir. Viele Lieder schreiben, sich selbst ausprobieren und entdecken und viele Gigs spielen ist wichtig, Werbung online machen, Sticker verteilen, damit der Name eurer Band die Runde macht. Ein individuelles, vielseitiges Auftreten und ein Wiedererkennungswert bzw. Markenzeichen der Band ist meiner Meinung nach ebenfalls von großer Bedeutung. Musik muss außerdem spannend bleiben, die große Kunst dabei ist es, sich nicht zu wiederholen. Auch ich entdecke ständig neue Seiten an mir. Wichtig ist auch Organisiertheit was den Bürokram für die Band betrifft. Hierbei kam mir stets zu Gute, dass ich generell ein extrem strukturierter Mensch bin, der zielstrebig arbeitet. Da muss schon etwas Schlimmes passieren, dass ich mich z. B. nicht an einen festgesetzten Interviewtermin halte. Zuverlässigkeit ist eine Stärke, mit der man als Band ernst genommen wird und die einen weiterbringt. Ich habe außerdem immer gern ein Ziel vor Augen, egal ob es das Erarbeiten neuer Lieder oder neuer Ideen für´s Live Set ist. Es gibt immer etwas Kreatives zu tun und es käme für mich einer Strafe gleich, mich nicht mit Musik beschäftigen zu dürfen. Da, wo wir jetzt mit Die Dorks sind, liegt sicher daran, dass das Musizieren für mich nicht nur ein Hobby, sondern gelebte Leidenschaft ist.
Und das ist in euren Songs definitv hörbar! Aus meiner Interviewreihe “MusInclusion” habe ich eine Frage von Lisa&David von Sit’n’Skate mitgenommen, die ich in dieser Interviewreihe als “Kernfrage” allen Bands stelle, da ich denke, dass diesem wichtigen Thema bisher viel zu wenig Platz in der Szene eingeräumt wurde: Wisst ihr davon, dass es Venues in Deutschland gibt, in denen Menschen mit Behinderung (in diesem Fall Rollstuhlfahrer:innen) kein Einlass gewährt wird (Begründung z.B. Brandschutz), d.h., dass sie vielleicht auch Eure Konzerte nicht besuchen können? Habt ihr Euch als Band schon mal mit dem Thema Ableismus (=Diskriminierung von Menschen mit Behinderung) in der Musikszene auseinandergesetzt?
In der Tat höre ich das gerade zum ersten Mal, dass Venues hier den Brandschutz als fadenscheiniges Argument nennen. Es muss doch in jedem Club immer spezielle Notausgänge geben, damit nicht nur Rollstuhlfahrer*innen, sondern alle schnell raus können, falls es wirklich brennt. Barrierefreiheit sollte generell als wichtiges Thema in allen Clubs und Veranstaltungsstätten gesehen werden, das diskutiert und angegangen werden muss. Mir ist auch noch nichts bekannt, dass man mal einem beeinträchtigten Menschen, den Zutritt zu unserem Konzert verwehrte. Falls wir da mal was nicht mitbekommen, bitte meldet euch bei uns. Ich habe bei meinem Bekannten Gabor aka “Mr. Wheelchair” (manche kennen ihn bestimmt), welcher selbst im Rollstuhl sitzt und auf vielen Hardcore-Konzerten unterwegs ist, nachgefragt, ob er damit persönliche Erfahrungen gemacht hat. Er teilte mir mit, dass ihm selbst das zum Glück noch nicht passierte, dass er am Einlass nicht reingekommen wäre. Gabor ist übrigens im Team OWOC involviert, welches regelmäßig Staffelläufe organisiert, um mit Spenden andere beeinträchtigte Menschen zu unterstützen. Support kommt hier von vielen Leuten aus der Szene, u. a. auch von Henne (Rawside). Geile Sache! Vielleicht fragst du mal bei ihm nach, ob er Bock auf ein Interview hat, um auch die beeinträchtigten, engagierten Menschen in der Subkultur sichtbarer zu machen. (Anm.: Wir hatten tatsächlich bereits die Ehre, Gabor im Zuge unserer “MusInclusion” Reihe zu diesen Themen zu befragen, nachzulesen gibt’s das Interview hier). Da ich selbst hauptberuflich in der Behindertenhilfe arbeite, kann ich aber sehr wohl aus gesamtgesellschaftlicher Perspektive sagen, dass wir noch viel in Sachen Inklusion zu tun haben, damit beeinträchtige Menschen mehr gesehen und gehört werden und ihnen soziale Teilhabe in dieser Welt genauso wie den nicht Beeinträchtigten ermöglicht wird. Bevor das Virus zugeschlagen hat, hatten wir z. B. auch in unserer Einrichtung inklusive, öffentliche Veranstaltungen, um damit Kontakte zu nicht Beeinträchtigten zu fördern und für Gleichstellung zu sorgen. Ich hoffe, dass wir sobald wir die Pandemie in den Griff bekommen haben, wieder mehr solcher Angebote durchführen können.
Das wünsche ich Euch, davon profitieren wir alle! Mein Lieblingsmedium für Musik ist und bleibt die Kassette 🙂 Deswegen wünsche ich mir von jeder Band eine Mixtape Playlist. Von Dir hätte ich gerne eine mit Titel “Our All Time Favourites”
Da wir ja in allen musikalischen Welten zu Hause sind, gibt´s von mir einfach mal 5 “Allstars” aus dem gesamten musikalischen Universum: “The Trooper” von Iron Maiden, “Das goldene Stück Scheisse” von Wizo, “Roots” von Sepultura, “Straßenkampf” von Die Skeptiker, “Betrayer” von Kreator.
Lieben Dank Lizal für das interessante Interview und Alles Gute für Euch!