Und weiter geht’s mit unserer Interviewreihe MusInclusion. In der heutigen Ausgabe erzählt uns Max, Sänger der Südtiroler Punkband Chaos Junkies unter anderem etwas über das Selbstverständnis der Band, was er sich von Locations und Veranstaltern in Bezug auf Barrierefreiheit wünschen würde und wie für ihn Punk und Inklusion zusammenpassen.
(Anm.: Das Interview wurde im März geführt)
Hallo lieber Max, danke, dass Du Dir ein bisschen Zeit für uns nimmst! Erzähl uns doch zunächst einmal etwas über Dich. Wie betrifft Dich das Thema Musik und Inklusion?
Hallo ich bin Max, bin 25 Jahre alt und sitze seit meiner Geburt im Rollstuhl. Ich versuche mich seit ein paar Jahren als Künstler mit meiner Band Chaos Junkies. Gemeinsam touren wir hoffentlich bald wieder durch die Lande.
Fast jeden Tag versuche ich meine Gedanken auf Papier zu bringen. Vor drei Jahren habe ich mein Buch “Gedankenhochsprung” herausgebracht. (Nähere Infos dazu gibt es hier) In diesem Werk versuche ich durch Kurzgeschichten und Gedichte dem Leser meine Gedanken näher zu bringen und mein Gehirn ein bisschen zu ordnen.
Nach der Pandemie, wann immer das auch sein wird, wird das zweite Buch von mir auf dem Markt erscheinen und wie schon gesagt, hoffe ich, dass ich bald wieder Lärm machen darf. Weiters habe ich für verschiedene Zeitungen und Magazine Artikel geschrieben, die den Kulturbereich in meiner Heimat Südtirol betreffen. Seit Oktober 2020 habe ich mir einen kleinen Wunsch erfüllt und studiere in Innsbruck Geschichte.
Verstehen die Chaos Junkies sich als inklusive Band? Wie geht ihr innerhalb der Band mit Deiner Behinderung um, spielt sie eine Rolle ?
Ich würde sagen, dass wir eine ganz scheißnormale Punkband sind. Am Anfang mussten meine Bandkollegen logischerweise mich mit meiner Beeinträchtigung kennenlernen und auf welche Hindernisse man damit stoßen kann, jedoch stand die Musik schon immer im Mittelpunkt. Unser gemeinsames Ziel und der Spaß in dem was wir machen, ist uns wichtig. Meine Beeinträchtigung spielt in der Band, wenn überhaupt nur eine ganz kleine Rolle.
Thematisiert ihr das Thema “Behinderung/Inklusion/Barrierefreiheit” auf der Bühne oder in eurer Musik?
Grundsätzlich trifft man in vielen kulturellen Einrichtungen auf viele architektonische Barrieren (als Künstler*in noch mehr als als Publikum). Durch die offene Art und Hilfsbereitschaft meiner Band, der Veranstalter*innen und des Publikums können diese Barrieren jedoch schnell überwunden werden.
Explizit singe ich nicht über meine Beeinträchtigung. Natürlich bringt jede*r Künstler*in seine eigenen Erfahrungen mit und probiert diese in seiner*ihrer Musik umzusetzen. Auf der einen Seite singen wir mehr über Dinge, die wir gerne machen z.B. feiern oder das Leben genießen, auf der anderen Seite singen wir auch über Dinge, die uns wichtig erscheinen z.B. dass jeder Mensch dort leben kann, wo er will und generell über Solidarität (siehe unseren Song “Strangers”).
Wie passen für Euch Punk und Inklusion zusammen?
Das passt super gut zusammen. Im Punk wird jede*r mit seinen*ihren Ecken und Kanten akzeptiert, darum fühl ich mich besonders in der Punk-Szene so wohl. Im “normalen” Leben haben die Menschen meist mehr Angst etwas falsches zu sagen oder zu tun, hingegen in dieser Szene, so kommt es zumindest mir vor, ist der Umgang miteinander viel offener. Dort wird alles gerade heraus gesagt und man weiß woran man ist. Wenn eine Band scheiße spielt, fliegt man raus, egal ob du im Rollstuhl sitzt oder nicht.
Für mich befindet sich Inklusion in der Musikszene generell auf einer höheren Ebene, da man sich von den Grundprinzipien her schon versteht und dort gegenseitiges helfen absolute Normalität ist. Ein bisschen verrückt muss man schon sein um als Musiker*in mit Beeinträchtigung oder generell als Musiker*in zu bestehen. Eine*n ganz normale*n Künstler*in gibt es glaub ich nicht, aber verrückte Leute sind mir sowieso lieber.
Welche Erfahrungen habt ihr in den letzten Jahren damit in der Szene, im speziellen in Südtirol, damit gemacht? Wie würdet ihr die Barrierefreiheit in den Clubs beschreiben? (Inklusive Anfahrt, Übernachtungsmöglichkeiten etc.)
Die Leute in der Musikszene sind glücklicherweise extrem hilfsbereit, womit diese Barrieren schon um einiges kleiner werden.
Durch meinen Rollstuhl/Hilfsmittel benötigen wir meist mehr Autos zur Hin- und Rückfahrt. Dies sehe ich jedoch weniger als Problem.
Grundsätzlich ist es mit der Barrierefreiheit in den Clubs oftmals etwas schwierig jedoch sind die meisten Veranstalter*innen sehr darauf bedacht diese abzubauen. Ein Beispiel: Als wir einmal in einem Club gespielt haben, wurde für mich schon im Voraus eine Rampe eingebaut, die es mir ermöglichte schneller und unkomplizierter auf die Bühne zu gelangen.
Aufgrund einiger weniger schlechten Erfahrungen die ich machen musste, weise ich den*die Veranstalter*in oft genug darauf hin, dass ich eine Beeinträchtigung habe und welche Hilfsmittel ich benötige. Dieser Umstand ist jedoch auch im “normalen” Leben zur Normalität geworden. Unter dem Motto “Lieber einmal zu viel, als einmal zu wenig.”
Mittlerweile kennen mich die Leute in der Südtiroler Musikszene und wissen oftmals im voraus was wir/ich benötige/n.
Habt ihr schonmal in anderen Ländern gespielt und stellst Du / ihr im Ländervergleich Unterschiede bzgl. Barrierefreiheit von Clubs und Festivals fest?
Wir waren vier mal in Österreich (davon dreimal Wien und einmal in Schwaz). Ansonsten haben wir viel in Südtirol gespielt. Insgesamt sind es 30 Konzerte. Was mir aufgefallen ist, als wir im Ausland gespielt haben, waren die Organisatoren*innen oftmals freigiebiger/spendabler und verständnisvoller mit den Künstlern*innen im Vergleich zu Südtirol. Wobei ich mit dieser Aussage vorsichtig sein will, da man wie überall unterschiedliche Ausgangspositionen vorfindet. Zudem liegt es nicht in meinem Interesse, irgendjemandem auf den Schlips zu treten. Im Punkto Barrierefreiheit tue ich mir schwer etwas zu sagen, da es einfach Fakt ist ,dass Bühnen auf denen du dich als Künstler*in meistens präsentierst, einfach nicht barrierefrei sind. Sie werden oft barrierefrei gemacht doch sind sie fast nie von vornherein barrierefrei. Darum ist ein Ländervergleich in dieser Frage für mich noch etwas schwierig.
Gab es auch schon Situationen, dass ihr als Band nicht spielen konntet, weil die Location nicht ausreichend barrierefrei war?
Nein, eigentlich nicht. Wir haben schon in Locations gespielt, wo ein Mensch mit Beeinträchtigung unter normalen Umständen nie spielen oder generell sein könnte. Wenn man das als Auswahlkriterium betrachtet, könnten wir in vielen Locations nicht spielen. Wir waren einfach froh, dass wir spielen konnten und haben bis jetzt alles in Kauf genommen. Einmal mussten wir in einem Keller spielen, der nur über eine Wendeltreppe erreichbar war. Wir haben das aber alles gemeistert durch den Zusammenhalt meines Teams, meiner Band, der Veranstalter*innen und des Publikums. Ich möchte auch noch dazu sagen, dass dieses Konzert meiner Meinung nach, nach dem Konzert in Wien, das beste Konzert war. Trotz der anfänglichen Startschwierigkeit haben wir in diesem kleinen Keller in ein einziges Chaos verwandelt. Das war einfach fetzgeil! Das ist es was zählt und lassen die Probleme der architektonischen Barrieren in den Hintergrund rücken.
Was wünschst Du Dir persönlich in Bezug auf Locations, in denen ihr spielt oder die Du als Besucher aufsuchst?
Ich wünsche mir, dass sich jede*r Inhaber*in einer solchen Location schon im vorhinein Gedanken über Barrierefreiheit macht. Eine Rampe im Inventar eines jeden Lokals und ein funktionstüchtiger Treppenlift/Aufzug würde das ganze Prozedere schon erleichtern. Die WCs für Menschen mit Beeinträchtigung sind oftmals zu klein geplant. Es wäre gut wenn es im Kultur und öffentlichen Bereich festgelegte Standards für behindertengerechte Toiletten gäbe, was es meines Wissens in Italien noch nicht gibt.
Gibt es etwas, was Du in diesem Zusammenhang schon immer mal loswerden wolltest?
Ich finde es wichtig dass es eine Künstlervereinigung wie z.B. Perfas in Südtirol gibt. Diese Vereinigung ist aus der Corona-Krise heraus entstanden und ermöglicht eine bessere Kommunikation zwischen Künstlern*innen und Veranstaltern*innen sowie Sountechnikern*innen. In meinen Augen waren Künstler*innen oftmals Einzelkämpfer*innen aber durch diese Vereinigung können wir hoffentlich mehr Zusammenwachsen und unseren Berufszweig besser vertreten.
Mich stört der Ausdruck “nicht Systemrelevant” gewaltig, weil man Kunst nicht immer materiell oder ökonomisch messen kann. Kunst und künstlerisches Tun geschieht vielmehr auf einer zwischenmenschlichen Ebene. Deshalb ist es oft schwierig ihr einen materiellen Wert beizumessen. Probiert doch mal ohne Platten, Gemälde, Bücher, Skulpturen, Tanzen und ohne was weiß ich den Lockdown zu erleben. Da dreht jeder irgendwann durch, das versichere ich euch. Ich verstehe dass wir in dieser Situation keine Konzerte spielen können und, dass es eine schwierige und ernstzunehmende Situation darstellt. Jedoch zu sagen, eine Berufssparte sei nicht Systemrelevant, nur weil sie ökonomisch nicht gut messbar ist, finde ich sehr frech und entwürdigend.
Weiters möchte ich noch sagen, dass viele motivierte Menschen in diesem großen Sektor involviert sind und in dieser Krise nicht die angemessene Unterstützung vom Staat oder von sonst jemanden erhalten, die ihnen gerecht wird.
Weiters hoffe ich, wie wir alle, auf eine “schnelle” Lösung, die meiner Meinung nach nur durch den Impfstoff und einer guten Zusammenarbeit zwischen Politik und Bürger erreicht werden kann.
P.S.: Ich hasse es politisch werden zu müssen und bin mir bewusst, dass diese meine Meinung nicht für alle zutreffend sein wird. Aber scheiß drauf, Malle ist nur einmal im Jahr! Ole Ole und Schalala! Machts gut und hoffentlich auf bald wo wir uns mit einem Bier in der Hand wieder in den Armen liegen. Tschauuuu
Danke Dir Max für das interessante Interview und Deine Offenheit! Prost!