Inklusion geht uns alle an!
In unserer Interviewreihe „MusInclusion“ wollen wir Menschen die Möglichkeit bieten, mit uns ihre Sicht auf die aktuelle Situation zum Thema Barrierefreiheit und Inklusion auf, vor und hinter unseren Konzertbühnen zu teilen. In den bisherigen Interviews (den Link, der euch zur kompletten Reihe führt, findet ihr hier) blicken wir auf eine Vielfalt an Meinungen, Empfindungen und Umgang mit den (nicht) vorhandenen Gegebenheiten. Daraus resultiert nicht DIE Lösung, aber sehr viele gute Ansätze. Und in einem sind sich alle einig: Eine Veränderung hin zur optimierten Barrierefreiheit und somit der Grundlage dafür, dass Inklusion auf Konzerten (und im restlichen gesellschaftlichen Leben!) nicht nur ein Wort bleibt, sondern auch gelebt werden kann, erreichen wir nur durch Kommunikation und Solidarität. Das Aufmerksam machen von Missständen, dem Zuhören derer, die auf Barrierefreiheit angewiesen sind und dem Verständnis, dass wir alle davon profitieren können, wenn wir uns dem Thema nicht nur annähern, sondern uns ernsthaft damit beschäftigen und solidarisieren. Uns ist es wichtig, jede:n Interviewpartner:in anzuhören ohne zu werten – jede Meinung, jede Erzählung ist wichtig!
Heute erfahren wir hier etwas über Benjamins Ansichten in Bezug auf barrierefreie Konzerte und Inklusion in der Szene. Viel Spaß beim Lesen!
Hallo Benjamin, schön, dass Du bei unserer “MusInclusion” – Reihe mitmachst! Stell Dich doch zunächst bitte einfach mal kurz vor! Wer bist Du, woher kommst Du und wie betrifft Dich das Thema Musik und Inklusion/Barrierefreiheit persönlich?
Ich bin Benjamin und komme aus Leipzig. Es betrifft mich in soweit, dass ich häufig zu Musikveranstaltungen gehe.
Ich bin über David von Sit’N’Skate auf Dich aufmerksam geworden. Woher kennst Du David und Lisa und bist Du selbst im WCMX aktiv?
Es war ein riesiger Zufall, wie es zu der Interviewanfrage kam. David, hat mich auf einem Foto bei einem Death Metal Konzert wieder erkannt. David und Lisa kenne ich seit 2014 von den WCMX-Treffen, seit dem bin ich selbst sehr aktiver Skater.

Ja, leider haben wir beide das Foto des Konzerts nicht mehr ausfindig machen können…Bist Du selbst viel auf Konzerten unterwegs und wenn ja, wie sind Deine Erfahrungen in Bezug auf Barrierefreiheit in Locations?
Ich gehe seit 2006 ziemlich häufig auf Konzerte und Parties und mir ist dabei noch nie eine wirklich barrierefreie Location begegnet. Das liegt, denke ich, aber auch häufig an dem Untergrundcharakter der Musik, welche oft in kleinen Kellern, besetzten Häusern oder abgeranzten Industriegebäuden stattfinden. In der Regel, war es noch nie ein Problem – wenn es Treppen gibt, gibt es eigentlich immer sehr freundliche Menschen, die nahezu selbstverständlich helfen.
Du hast in einem kurzen Vorgespräch erwähnt, dass Du Dich selbst schon gefragt hast, ob es überhaupt Musiker:innen im Rollstuhl auf der Bühne gibt. Woran könnte es Deiner Meinung nach liegen, dass es immer noch so wenige Musiker:innen mit sichtbarer Behinderung auf der Bühne gibt? Wäre es für Dich persönlich wichtig, Vorbilder auf den Bühnen zu haben, mit denen Du Dich identifizieren kannst?
Woran es liegen könnte weiß ich auch nicht, aber ich hätte eine Vermutung: Wenn man sich mal manche Casting Shows ansieht, werden oft die Behinderungen in den Vordergrund gerückt, vielleicht haben manche Künstler die Angst, dass ihr Talent eigentlich nur wegen der Behinderung beklatscht wird. Mir Persönlich ist es nicht wichtig, Musiker mit Behinderung auf der Bühne zu sehen, da für mich nur die Musik und nicht der Mensch dahinter zählt.
Machst Du selbst Musik und wenn ja, gibt es viele Hindernisse, die das für Dich erschweren?
Ja ich mache selber elektronische Musik, allerdings nur für mich. Ich habe weder Auftritte noch Veröffentlichungen, lediglich gab es mal einen Free Track auf einem kleinen Internet Label, was aber schon lange tot ist (lach).
Schade eigentlich, das würde mich interessieren! Hast Du das Gefühl, dass dem Thema Inklusion in der Musikszene schon ausreichend Beachtung geschenkt wird und wenn nicht, was wären Deiner Meinung nach die Voraussetzungen für gelebte Inklusion auf Konzerten oder anderen kulturellen Veranstaltungen?
Inklusion ist in Deutschland eigentlich nur ein Wort. Viele benutzen es, aber leben es nicht. Mal liegt es einfach nur daran, dass sie es nicht besser wissen – wie auch, wenn man keinen Kontakt zu behinderten Menschen hat – oder sie scheuen sie sich davor auf die Menschen zuzugehen und sie persönlich anzusprechen und zu bestimmten Themen zu befragen. Viele bilden sich eine Meinung haben aber null Ahnung. Deshalb gibt es leider immer noch Situationen, in denen Veranstalter Menschen mit Rollstuhl den Zutritt zu Events verwehren !! Ist mir persönlich noch nicht passiert, aber ich habe es schon von Betroffenen gehört.
Ja, das haben wir jetzt leider auch schon mehrfach gehört…Denkst Du den Bands, deren Konzerte Du selbst gerne besuchst, ist bewusst, dass es noch viele Locations gibt, in die Menschen mit Gehbehinderung nur erschwert und mit ausreichend Vorausplanung Zugang haben? Oder dass es sogar Clubs gibt, die Menschen mit Rollstuhl den Einlass verweigern? Würde es etwas ändern, wüssten sie es?
Ehrlich gesagt, habe ich mir darüber noch nicht wirklich Gedanken gemacht. Es fällt mir nur immer wieder auf, dass ich der einzige Rollstuhlfahrer bei den Veranstaltungen bin.
Was vermutlich die Folge aus den oben genannten Gründen ist…Kannst Du verstehen, dass viele Menschen mit Gehbehinderung dann oft einfach resignieren und lieber überhaupt keine Konzerte mehr besuchen? Was müsste in Deinen Augen passieren, um diese Menschen wieder zurück zu holen?
Einerseits kann ich gut verstehen, dass die betroffenen Menschen Angst haben, verunsichert sind und sich deshalb nicht auf Konzerte trauen, anderseits bin ich selbst ein Mensch, der sich nicht abschrecken und sich auch nicht von Leuten die mir abraten wollen – aus welchen Gründen auch immer – verunsichern lässt. Im Gegenteil, wenn jemand sagt: „Das ist nix für Dich, Du schaffst das nicht“ etc. ist das für mich erst Recht das „LOS“ Zeichen !!
Das freut mich sehr, trotzdem finde ich es gleichzeitig krass, dass Du überhaupt in diese Situation kommst, dass Menschen Dir von einem Konzert „abraten“ oder versuchen, Dich zu verunsichern, statt Dich zu ermutigen! Gibt es etwas in diesem Zusammenhang, was Du unbedingt noch loswerden möchtest?
Wenn Ihr was seht, was euch gefällt, geht hin – der Rest ergibt sich (fast) von Selbst.
Sehr schöne Worte zum Abschluss! Vielen Dank lieber Benjamin, für Deine Zeit und wir wünschen Dir ein konzertreiches 2022…