Nachdem wir uns in der letzten Folge mit den blinden “Rocktwins” (#3 Janine & Jessica) unterhalten haben, möchten wir euch heute Ron Paustian, 44, aus Buchholz (Schleswig- Holstein) und seine gemeinnützige Organisation “Inklusion Muss Laut Sein“ vorstellen. Er vermittelt ehrenamtliche “Buddies”, die Menschen mit Behinderung kostenfrei auf Konzerte, Festivals oder andere kulturelle Veranstaltungen begleiten.
Der sympathische Metalfan lebt seit seinem 18. Lebensjahr mit einer „Schizophrenen Psychose“. Nach der Diagnose folgte – nach einer für ihn eher schwierigen Zeit – der Beschluss, dass er mit seiner Behinderung ein sinnerfülltes Leben führen wollte. Und dazu gehörte für ihn neben der Ausführung unterschiedlicher sozialer Ehrenämter eben auch Metal- vor allem in Form von Konzerten. Damals, als „(…) die Veranstalter sich überhaupt noch keine Gedanken machten, ob jemand blindes oder jemand im Rolli eine Veranstaltung besuchen kann (…)“, nahm er die Sache einfach selbst in die Hand und dachte darüber nach, wie er selbst wieder auf Konzerte gehen könnte, und welche Voraussetzungen dafür geschaffen werden müssten. Daraus resultierend gründete er vor 13 Jahren das weltweit erste Online Magazin zum Thema Rock/Metal und Behinderung, „New-Metal-Media“ Beherzt konfrontiert er seitdem Veranstalter, Festivals oder Einrichtungen mit dem Thema Inklusion, hält Vorträge, und gründete schließlich 2009 „Inklusion Muss Laut Sein“.
Mit Hilfe ehrenamtlicher „Buddies“, die Menschen mit Behinderung auf Festivals, Konzerte oder auch mal zum Angeln begleiten, werden Barrieren abgebaut – in vielerlei Hinsicht. Es entstehen Teams, aus Teams werden oft Freundschaften, der gemeinsame Nenner hierbei ist das gemeinsame Hobby – meistens ist das die Musik.
„Es ist ein ganz einfaches Prinzip: Man sucht sich über unsere Seite die Veranstaltung heraus, die man gerne besuchen möchte, wir schauen in unserer Datenbank nach dem passenden Buddie, stellen die Verbindung her, und wenn es passt, dann wird die Reise geplant. Die Buddies arbeiten ehrenamtlich und bekommen ein Verpflegungsgeld von uns, sie erhalten über das Merkzeichen „B“ (Anm.: steht für „Begleitperson“) im Behindertenausweis des zu Begleitenden kostenlosen Eintritt zu den Veranstaltungen. Eine Win-Win-Situation. Oft bekomme ich nachts um drei von den Teams Fotos oder Videos von Festivals – und das macht mich glücklich“.
2019 gab es 1200 Begleitungen, pro Begleitung rechnet Ron inklusive Verpflegung/Fahrtkosten im Schnitt 50€ für das Team – alles über Spenden finanziert. Die fallen jedoch gerade komplett weg, Corona lässt grüßen.
Trotzdem lässt sich Ron nicht entmutigen und möchte weiterhin unabhängig von Krankenkassen bleiben. Es gäbe wohl zum Beispiel auf Festivals Angebote von Pflegediensten, die in Anspruch genommen werden könnten – allerdings rechnen diese die dort anfallenden Leistungen dann über die Pflegekasse des Besuchers ab, was wiederum dazu führen kann, dass dessen Jahresbudget innerhalb des Festivals komplett aufgebraucht ist.
Buddie kann im Grunde jede*r werden, der/die gerne auf Konzerte geht oder andere kulturelle Angebote nutzt – für besondere Bedürfnisse, wie z.B. pflegerische Maßnahmen, die während eines Treffens erfolgen müssten, gibt es in der Datenbank auch Buddies mit Fachkenntnissen.
Dass Ron mit Herzblut dabei ist, kann ich durchs Telefon förmlich spüren – er wirkt überhaupt nicht desillusioniert oder wütend, im Gegenteil – er findet, dass doch schon viel passiert ist, in den letzten 10 Jahren, das dürfe man nicht übersehen. Viele der selbst ernannten Spezialisten würden oft den Fehler machen, nur Forderungen zu stellen, statt aufzuklären. Und darin sieht der lebensfrohe und sympathische Metaller die einzige Chance, auf Bereitschaft seitens der Veranstalter zu stoßen:
„Als ich mit New-Metal-Media angefangen habe, habe ich selbst auch den Fehler gemacht, und ,barrierefrei’ mit ,rollstuhlgerecht’ gleichgesetzt – weil es eben eine Behinderung ist, die man relativ schnell erkennen kann. Aber es gibt ja noch so viele andere Arten von Behinderungen, die auch nicht auf den ersten Blick zu erkennen sind, wie zum Beispiel psychische Erkrankungen (Depressionen, Angststörungen…), Sehbehinderungen u.v.m. Es gibt Veranstaltungsorte, die haben allein aufgrund ihrer Beschaffenheit keine Möglichkeit, allen Bedürfnissen gerecht zu werden, z.B. ein Behinderten-WC einzubauen. Sie haben aber dafür vielleicht dort schon anderweitig etwas für Barrierefreiheit getan (z.B. rollstuhlgerechte Wege, barrierefreie Leitsysteme, ebenerdige Eingänge/Rampen etc.). Oft wird dann aber nur der negative Aspekt gesehen und gleich die ganze Location grundsätzlich schlecht bewertet.(…). Wenn ich eine/n Veranstalter/Location berate, dann erkläre ich ihm warum da vielleicht eine Rampe hin sollte, wem es dadurch erleichtert wird und dass es vielleicht dann auch noch schön aussieht .“
Gegenseitiger Respekt steht für ihn an oberster Stelle, nicht nur innerhalb seiner Teams. Das ist auch im Leitbild von „Inklusion Muss Laut Sein“ verankert:
„Nur wenn WIR uns gegenseitig respektieren, entsteht etwas Gutes. Niemand ist besser oder schlechter, gemeinsam schaffen WIR Freiheit für Alle. Zusammen gelingt es uns eine starke Gemeinschaft zu sein. Hier kann jeder etwas beitragen, sodass alle davon profitieren“.
Eigentlich ganz einfach…