Wenn ich etwas ein wenig bedauere, was meinen musikalischen Horizont angeht, dann dass mich die Evolution des Metal ab den Achtziger-Jahren nicht mehr interessiert hat. Hier hat sich sehr viel getan und es gibt immer wieder Neues zu entdecken und zu hören. Durch einen Bekannten, seines Zeichens Bass-Zupfer bei Grind, hat es jetzt ein wenig Klick bei mir gemacht und ich habe mich da geöffnet. So haben mich im letzten Jahr einige fantastische Metal-Alben überzeugt und begeistert. Die Werke von Grind und (0) – beide Bands für den Vinyl-Keks interviewt – gehören auf jeden Fall dazu.
Nun halte ich NON “Attraction of Madness” in den Händen. Nach eigenen Aussagen war NON ein Crust-Projekt aus Wermelskirchen, welches nur zwei Jahre von 2018 bis Ende 2020 existierte. Die Hinterlassenschaft der Band aus dem Ende der Ära ist das vorliegende Vinyl. Der Vollständigkeit halber nenne ich die Bands, aus denen sich NON rekrutierte: Siren of Crisis, The Aftermath, Denkzettel und Kool and the Gang Bangers. Aus den spärlichen Angaben, kann man entnehmen, dass das 10inch-Album bei LIQUID AETHER Audio aufgenommen wurde, das war es aber auch schon.
Crustcore, Crustpunk oder einfach Crust wurzelt in der Anarcho- und Hardcore Punk Szene Britanniens und ist in der Tendenz eher links bis linksradikal einzuordnen. Auf eine kurze Formel gebracht, ist Crust eine düstere Mischung aus Punk und extremen Metal. Je nach Band und Spielart fällt die Gewichtung sehr unterschiedlich aus. Da die Herkunft dieser Subkultur aus der britischen Anarcho- und Hausbesetzer-Szene stammt, sind die Texte der Bands sehr politisch motiviert. Der kalte Krieg und die Herrschaft der “Eisernen Lady” machte die Texte oftmals noch düsterer und negativer. So finden sich bei den Texten oft Dystopien, nihilistische und thematisierte Szenarien wie der Überwachungsstaat (Grüße an George Orwell) sowie häufig apokalyptische Visionen des nuklearen Untergangs der Menschheit. Ein paar Bands beschäftigen sich sogar mit Mystizismus und Gnostizismus.
Zurück zu “Attraction of Madness” – zu deutsch: die Anziehungskraft des Wahnsinns – und so kommt das Album rüber. Durchaus faszinierend und anziehend, wie das Böse selbst. Das schwarze Cover zeigt einen rotgewandeten Mönch, dessen Kopf in Flammen steht und wie er mit seinem Zeigefinger auf den Lippen, das Zeichen für Schweigen bildet. Wie erwähnt sind Rückseite und Plattenlabel auch in schwarz gehalten und lediglich das Tracklisting ist dort zu finden. Musikalisch ist diese Mystik-Messe der pure Wahnsinn: brachialer Sound im Düstergewand und dazu der satanische Hall auf der Stimme des Priesters. Hier singt Lucifer persönlich und die kurzen Stücke treiben einem einen eiskalten Schauer über den Rücken. Was hier passiert, habe ich so noch nicht gehört. Trotz der für mich nicht verständlichen Texte, packen dich die Songs, wie ein Werwolf und schütteln dich durch ohne ihren Biss auch nur eine Sekunde zu lockern. Der Sänger pfeift seine Botschaften durch die Stimmbänder während die Kapelle den abgrundtiefen düsteren Todesmarsch in Lichtgeschwindigkeit spielt. Wenn ihr euch mal einen Eindruck von dieser Urgewalt verschaffen wollt, hier ist der Titelsong “Attraction of Madness”, mein Lieblingssong des Albums.
Als Fazit finde ich diese unbeschreibliche, fast dämonische Urgewalt faszinierend, selten habe ich einen tieferen Blick in die Hölle werfen dürfen. Die acht Songs haben es trotz ihrer Kürze in sich – das Album ist keine 22 Minuten lang – und mögen den ein oder anderen Hörer deutlich verstören. Ich habe den Trip aus Neugier an dem Bösen genossen. Das ganze schwarze Konzept ohne Informationen und Botschaften, machen NON und ihr Erbe noch mystischer. Was für ein fucking hell Abgang! Respekt, Männer! Das Album wird von der Band vertrieben. Am Besten direkt hier ordern.