Starkes Cover. Das mal vorneweg. Zwar geht es hier auf dieser Seite natürlich in erster Linie um Musik. Aber eben nicht um das hektisches Nebenbei-Streaming, sondern um bewussten Konsum. Schallplatte, der alte Klepper, is not dead. Und für Coverartworks wie das von Nullmillimeter wurde das Format wohl irgendwann mal erfunden. Aber eben auch – und ja, das ist der galante Übergang zum Wesentlichen – für Songsammlungen wie diese hier.
Nullmillimeter sind Newcomer, wenn man so will. Schließlich ist “Wer die Wahrheit sagt, braucht ein schnelles Pferd” das Debüt der Band. Andererseits haben wir es hier aber keineswegs mit Unbekannten zu tun. Frontfrau Naëma Faika ist schon lange bestens in der deutschen Indieszene vernetzt und hat mit Leuten wie Olli Schulz und Tom Liwa gearbeitet. Gitarrist Marcus Schneider spielt sonst auch bei Jochen Distelmeyer und Gunnar Ennen (Gitarre) und Frenzy Suhr (Bass) standen lange mit Gisbert zu Knyphausen auf der Bühne.
Mit Distelmeyer und Knyphausen sind dann auch schon zwei Referenzen gefallen, die Spuren im Sound von Nullmillimeter und auch in den Texten von Naëma hinterlassen haben. Letztgenannter ist auf einigen Songs des Albums im Chor, bei “Long Nights” auch als Duettpartner zu hören. Keinesfalls soll hier aber der Eindruck entstehen, dass wir es hier mit reinen Epigonen der “erwachseneren” (uahh…) deutschsprachigen Indieschule zu tun haben. Nullmillimeter haben einen ganz eigenen Ton und einen Stil, der schwer zu fassen ist. Sie selbst sprechen von einer “irren Mischung aus Americana, New Wave, Blumfeld, Flowerpornoes und purem Wahnsinn” – eine irgendwie stimmige Beschreibung, die aber doch nicht wirklich ausreichend erscheint.
Zurück zum Thema Streaming: Geht der Trend vieler junger Künstler:innen ja da hin, immer kürzere Tracks zu veröffentlichen, um möglichste viele Klicks zu sammeln, setzen Nullmillimeter aufs Kontrastprogramm: Hier ist kaum ein Song kürzer als fünf Minuten. Es wird genug Zeit gelassen, damit sich die Stücke entwickeln können. Und Raum, damit Naëmas sehr besondere Texte genug Platz haben, zu wirken. Diese kommen übrigens mal auf Deutsch und mal auf Englisch daher – es spricht für die Band, dass das Album trotzdem komplett organisch klingt.
Keine Frage: Diese Platte möchte mit voller Aufmerksamkeit und am Stück erlebt werden. Dennoch seien hier einige Titel herausgehoben, die mich besonders beeindrucken: “Unstet” ist das schönste Lied über die Liebe seit Langem, “Selbstermächtigung” bringt Alltagsbeobachtungen, Revoluzzertum und John Lennon auf bezaubernde Art zusammen und “Zwillingsschwester” ist ein unglaublich intimes Stück Musik, wie es hierzulande selten zustande gebracht wird.
Lauer Gag zum Abschluss gefällig? Bitte sehr: Mit Nullmillimeter setzt ihr sicher nicht aufs falsche Pferd. Das Album – übrigens erschienen auf Wolfgang Müllers Label Fressmann – könnt ihr unter anderem hier bei jpc ordern.