Oh No Noh ist ein Ein-Mann-Projekt aus Leipzig. Ein Mann an einer Gitarre – Ist das schon alles? Keinesfalls, denn es steckt einiges mehr hinter Oh No Noh. Markus Rom, der Mann an den sechs Saiten, sucht laut Selbstbeschreibung nach “Wohlklang in unkonventionellen musikalischen Settings, obsoleter Technik und alltäglichen Geräuschen”. Eine EP hat er bisher veröffentlicht, “Where one begins…” ist sein erstes Album. In den sieben Musikstücken (erschienen bei Teleskoplabel), die man wahlweise als Kassette, als CD, als Download oder im Stream hören kann, lassen sich die Ergebnisse dieser ungewöhnlichen Suche erleben. Die Stücke, die 2020 von Markus Rom geschrieben, aufgenommen und produziert wurden, sind zwischen drei und sechs Minuten lang, experimentell und kommen ohne Gesang und ohne offensichtliche Struktur aus.
Der erste Song “Pointer” beginnt mit undefinierbaren Geräuschen und einer stoisch auf dem gleichen Ton gezupften E-Gitarre, die sich dann doppelt. Mehrere Beats kommen dazu, die aber rhythmisch zumindest nicht offensichtlich mit der Gitarre oder miteinander zu tun haben. Dann wird es langsam harmonischer. Ab der Mitte des Songs kann man sich als Zuhörer*in entspannen – Die Gitarre spielt eine wohlklingende Melodie und der Beat unterstützt sie jetzt, man will unweigerlich mitwippen und sich bewegen. Ja, das klingt richtig gut! Zum Song gibt es auch ein Live-Session-Video auf dem Youtube-Kanal von Oh No Noh. Da sieht man, wo die Geräusche und Beats herkommen. Nämlich von einer komplexen Konstruktion auf einem kleinen Tischchen neben Markus Rom, über die ein Mikro ragt. Da sieht man eine Menge Kabel, die aus einem elektrischen Gerät kommen und mit Gegenständen, meist mit Klöppeln, verbunden sind, die wiederum auf etwas schlagen, wie eine Art Trommel, eine Klangschale, eine Fahrradklingel. Auch ein einfaches Glas ist zu sehen und zwei Gebilde aus Karton. Ein klackendes Geräusch machen, soweit zu erkennen ist, Münzen, die durch Erschütterung gegeneinander schlagen. Das ist ein wahres Klanglabor. Der Titel des Albums “Where one begins and the other stops” könnte sich, so reime ich mir das zusammen, auf die vielen Kettenreaktionen beziehen, die hier die Musik prägen. Laut Pressetext sind die Stücke eine “Auseinandersetzung mit einem von Digitalismus und Algorithmen geprägten Zeitgeist”.
Mein Favorit des Albums ist Nummer vier – “Alba”. Das Stück wird dominiert von cleanen Gitarren-Melodien und klingt von Anfang bis Ende harmonisch und irgendwie verträumt, unschuldig, wie ein endloser Sommertag am See auf alten Dias. Der Knaller dazu ist das Video, für das eine Kassette mit umwickelten Drahtarmen durch Stop-Motion-Technik animiert wurde. Unbedingt anschauen!
Auch beim Hören des letzten Oh No Noh-Stücks “Foam” läuft in meinem Kopf ein Film ab. Eine fließende Melodie baut sich langsam auf, einige Klänge die dazu kommen erinnern mich an Bands wie Mogwai oder Sigur Rós.
“Where one begins and the other stops” ist Klangkunst – definitiv experimentell, aber trotzdem angenehm zu hören und melodiös. Was ich besonders mag ist, dass Markus Rom nicht nur Musik schreibt und produziert, sondern auch die Bildebene bedient. Zu den meisten Stücken gibt es ein Video auf Youtube. Das macht das Album rund und noch interessanter. Besonders Spaß macht es sicher, Oh No Noh live zu sehen und dabei zu beobachten, wie die unterschiedlichsten Geräusche und Beats wie von Zauberhand entstehen. Termine dafür finden sich auf der Webseite des Projekts. Hoffen wir, dass es bald dazu kommt.
no images were found