Es war die schwärzeste Nacht, die Gott in seiner Herrschaft erschaffen. Langsam, die Bewegungen kaum bemerkbar, schleppte sich barfuß und bedächtig eine Gestalt durch diese ruchlose Finsternis. Die Muskeln gehorchten dem Wanderer längst nicht mehr.
Ein langsam versiegender letzter Willen trieb die Gestalt unbarmherzig durch dieses, jedes kleinste Aufbegehren von Dämmerung im Keim erstickende, gottlose Schwarz.
Lagartija Nick – die Chroniken des alrajul al’aswad
_RAGANA
RAGANA sind wild.
RAGANA sind rau.
RAGANA sind anders.
_Schwere, Dunkelheit, Schönheit und Schmerzen
So könnte man in wenigen Worten die Musik von RAGANA zusammenfassen, aber man würde nicht der energetischen Emotionalität der beiden Frauen gerecht werden. RAGANA finden nicht in den Ohren statt, RAGANA ergreifen Besitz von Geist und Körper und lassen ihre Musik als mehrdimensionales Erlebnis, dass die Sinne mitreißt. Maria und Nicole wechseln mit Gesang, Gitarre und den Drums durch. Das macht ihre Musik unberechenbar wie ein Raubtier. Dabei verbreiten RAGANA eine körperliche Intensität, dass man fast den Raubtiergeruch im Käfig wahrnehmen kann.
_RAGANA – Wurzeln & Einflüsse
RAGANA, ein Frauen-Duo, stammen aus Olympia WA, residieren aber mittlerweile in Oakland CA. RAGANA haben ihre Wurzeln in der Natur, der Flora und Fauna und einem Hang zu dunklem, romantischen Folk, wie er von Mt. Erie gespielt wird. Ursprünglich mal in der DIY-Punk-Szene von Olympia, Washington gestartet, mit Einflüssen von den Wolfes in the Throne Room, synthetisieren RAGANA ihren ganz eigenen Stil des Black Metal.
_RAGANA – Wash away
(Release: 2015, Re-release 2022, Seven Track Album, Running Time: 39:25, 180 gr.)
RAGANA füttern ihren Gesang mit tiefen Emotionen. Auf “Wash Away” findet man kindliche, unschuldige Gesänge, die, so hat es den Anschein aus Märchen oder intimer Poesie, rezitieren. Ohne Ankündigung, kippt die Stimmung ins Gegenteil um. Der Gesang wird eine wild geführte Attacke aus animalischen, kehligen Schreien.
Das Wechseln zwischen Polen wie Tag und Nacht, Sonnenschein und Gewitter, am Ende sogar Leben und Tod, wird von der Musik ebenfalls aufgenommen. RAGANA bewegen sich zwischen American, zartem Folk, Akustik lastigen, minimalistischen Passagen und Eruptionen aus dröhnendem und vernichtenden aus Black- und Doom-Metal.
“Wash Away” ist unbestreitbar wunderschöne Musik, wie es nur von reinen Geister und unschuldigen Seelen möglich ist. RAGANA haben eine Anmut und Grazie in Kombination mit einer Schlichtheit und Eleganz, welche die Hörer bewegt und unmerklich Stück für Stück verführt. “Wash Away” ist ihr drittes Album und ein großer Schritt nach vorne im Vergleich zu den frühen Werken…
_RAGANA – You Take Nothing
(Release: 2017, Re-release 2022, Six Track Album, Running Time: 30:08, 180 gr.)
“You Take Nothing” enthält sechs Tracks, die den minimalistischen Ansatz des Punks mit der Tiefe und Wildheit des echten Black Metal verbinden. Eine absolute Perle von einem Album (und einer Band!)! Mit “You Take Nothing” werden allerletzte Elemente des Neo-Folks vernichtet. Nur kurz taucht der ansonsten verschwundene Klargesang in “Winter’s Light” auf – der frische Atem wird aber gnadenlos durch eine Supernova aus Blastbeats weg gespült.
Am Albumende erscheint eine neue Schattierung in die Klangfarben-Palette von RAGANA. Bedrohlich, düster und morbide, schwebt der Titelsong aus der Gruft hervor. Der Gesang ist eine ins Leere gerufener, verzweifelter Crust, der “You Take Nothing” eine unterschwellige, nicht wirklich greifbare, verängstigende Atmosphäre verschafft.
Aus den Rillen von “You Take Nothing” atmet die Leidenschaft des Duo für eine Liebe zum Detail, die sich in der Passion des Songwritings manifestiert. Diese Qualität macht wieder den Unterschied, auch wenn das Album nicht ganz so im Stil des Black.-Metals ist, wie seine Vorgänger.
_RAGANA – Die Ambivalenz der Atmosphäre
Selten hat ein Duo, eine Band, so ein ausgeprägtes und feines Gespür für Atmosphäre. RAGANA sind gehen äußerst geschickt vor, sich den intimen Orte der Seele erst zu nähern, nur um sie dann zu erobern. Gefinkelt, fast hinterlistig weben die Damen ihr Netz aus Klangteppichen, Walls of Sound aus diversen Genres und schaffen etwas nicht Fassbares, etwas, was nur in ihrer Vision einen Platz hat.
_RAGANA – Die Hexen nach Hause holen
Kaum berührte die Nadel das schwarze Vinyl, haben RAGAMA in mir eine Saite angeschlagen und in Schwingung gebracht. Seit diesem Zeitpunkt bin ich den beiden Hexen verfallen (Anm. d. Autors: RAGANA bedeutet im Lettischen und Litauischen Hexe). Wem es ebenso ergeht und eines der beiden bei Contraszt! Rec. wiederveröffentlichten Alben bestellen will, muss sich beeilen, “You take Nothing” scheint bereits ausverkauft zu sein (eventuell mal woanders suchen). “Wash away” war zum Zeitpunkt der Erstellung des Reviews noch über die Bandcamp-Seite zu ordern.
Tipp: RAGANA sind am 16. Juni beim Oblivion Access Fest in Austin Tx und am 2. September in Birmingham beim Supersonic Festival live zu erleben.
Sein geplagter Geist, keinen klaren Gedanken mehr fassend, wurde diesem einen, wahrscheinlich letzten Wunsch getrieben, noch mal das wärmende Licht der Morgensonne auf seiner faltigen, ledernen Haut zu spüren, bevor sein ausgemergelter Körper zur anderen Seite wechseln würde. Er wusste, dass ihn Etwas erwartete, was an Pein und Qualen seine Vorstellungskraft überstieg.
Es war ebenso klar und unvermeidbar in ihm wie das Wissen, dass es keine Möglichkeit gab, diesem, seinem Schicksal zu entkommen.
Die Jahrhunderte alten Geschichten an den Feuern der steinernen flachen Fischerhäuser waren alle wahr. Das wusste er. Und er wusste auch, dass es für ihn an der Zeit war, alrajul al’aswad gegenüber zu treten und seine Sünden zu begleichen.
Sein Weg stieg bergan und er fühlte mehr, als er es sah, dass Farne und Moose seine Füße umspielten. Aber nicht in einem sonnenerfüllten, grünen Liebesspiel, wie es im Frühling häufig gewesen war, sondern wie ein schwarzes, tausendfaches Greifen, Halten und Zerren kleinster Hände und Klauen, um ihm die letzte Kraft zu rauben, weiter zu schwächen und von seinem Pfad abzubringen.
Unvermutet teilte sich der schwere, schwarze Vorhang der Nacht und öffnete eine Fuge, die ihm ein wenig den Blick auf das vor ihm Liegende, frei gab. Mehr Sinnestäuschung, als echte Wahrnehmung, steuerte der Wanderer auf den winzigen, langsam wachenden und an Konturen zunehmenden grauen Punkt zu. Er musste seine fast bis zur Neige erschöpften Körperkräfte, ein letztes Mal mobilisieren, einen letzten Kampf zu kämpfen.
Unbändige, unzählige kleinen Flammen in den Muskeln, erzählten von seiner unmenschlichen körperlichen Anstrengung.
Die Antwort in seinem Geist war ein kalter, metallener Schnitt eines Filiermessers, welches er seit Jahren mit seinen Händen geführt hatte. Aber statt den lebenssichernden Fang auszunehmen, bohrte sich die Schneide in sein Hirn und nahm ihm fast die Sinne.
Der Wanderer taumelte, aber er fiel nicht. Wie ein sich im Todeskamp befindliches, todgeweihtes Tier, wankte die schwarze Gestalt dem sich quälend, langsam, lichtenden Schwarz entgegen. Ein kleiner Funke Hoffnung keimte in ihm auf und wurde von einem Gedanken getragen, der ihm das Erleben der Morgensonne versprach.
Seine Augen glaubten etwas wahrzunehmen. Mehr im unterbewussten Verstehen, als im realen Erkennen. Nach gedehnten Momenten, die ihm wie Äonen von Qualen vorkamen, wurde aus dem zerfließenden grauen, Unbestimmten, eine schreckliche Gewissheit. Der Wanderer wusste, auf wen er getroffen war. Wer seinem letzten Weg den Sinn gab und was ihn die ganze Nacht angetrieben, ja magisch angezogen, hatte, nur um ihm jetzt seiner Bestimmung zu zuführen.
Der Wanderer hatte keine Gedanken mehr. Nicht an seine Heimat, seine Kinder oder seine geliebte Frau, die vor langer Zeit schon den Todesengel verfallen waren. Fast war es eine Erlösung, die er sich mit jedem weiteren Schritt sehnlichst herbeisehnte.
Als seine erschöpften, durch die Dunkelheit weit geweiteten Pupillen wahrnahmen, was vor ihm war, trieb das Begreifen dem Wanderer eine pures Grauen, eine bodenlose Angst und einen ungebremsten Wahnsinn in Geist und Körper: alrajul al’aswad stand auf der Anhöhe. Nur als schwarze, schemenhafte Silhouette erkennbar in einem knöchellangen, schweren Gewand mit Kapuze, den Kopf leicht von ihm abgewendet.Nicht voller Gnade oder Vergeben, sondern mit einer unumstößlichen Gewissheit, die ausstrahlte, dass er das Geschehene fügte und mit der Erkenntnis aus Vergangenheit und Zukunft das Heute entstehen ließ. Der Richter erwartete den Angeklagten.
Und es würde nur ein Urteil geben, welches längst im Buch des Blutes mit dem grässlichen Siegel legitimiert
auf den Zeitpunkt seiner Vollstreckung gewartet hatte.Der Wanderer machte einen letzten Schritt.
Lagartija Nick – die Chroniken des alrajul al’aswad
Inspiriert von der Musik RAGANA und dem Albumcover “You Take Nothing”