Im Frühjahr 2021 lag die Kultur- und Veranstaltungsbranche aufgrund der Corona Pandemie am Boden. Man war sich nicht sicher, ob die Konzertbranche überleben und es überhaupt nochmal Konzerte geben wird. Die Stimmung war mehr als pessimistisch. An einem dieser Abende sinnierte ich mit meinem Freund Uwe über Bands die man in seinem Leben gesehen haben sollte. Natürlich durften Klassiker wie Queen (natürlich nur mit Freddie Mercury) oder die Rolling Stones nicht fehlen. AC/DC wurden genannt, natürlich der Boss und Peter Gabriel. Zwischendurch durften wir auch feststellen, dass es Bands gab, die man vielleicht hätte gesehen haben sollen, als sie auf dem Höhepunkt ihrer Karriere waren, wie Guns´n Roses Anfang der 1990er aber man sie sich jetzt definitiv sparen kann. Nach ein paar Gläsern Wein zu fortgeschrittener Stunde stellte ich schon eher eine rhetorische Frage, doch wie heißt es so schön? Stelle nie eine Frage, auf die du die Antwort nicht hören möchtest. Ich fragte also quasi aus dem nichts: “Uwe, sollte man eigentlich Roland Kaiser mal live gesehen haben?” Ein einfaches “Nein” hätte mich zufriedengestellt. Stattdessen bekam ich aber folgende Antwort: “Marcel, wenn Roland Kaiser irgendwann nochmal touren sollte, gehe ich mit dir dahin!” Tja, 6 Monate später, Ende 2021, begann der Vorverkauf für die Geburtstagstour vom Kaiser und zwei Männer hielten ihr Wort und kauften sich Karten für den 03.03.2023, der damals noch weit mehr als ein Jahr entfernt war. Es war von langer Hand geplant, dass wir das Konzert, zudem wir uns aus einer Weinlaune heraus moralisch verpflichtet haben, nicht nüchtern erleben und ertragen werden. Dummerweise kam mir meine Gesundheit und auch ein Streik des ÖPNV dazwischen, so dass ich mit dem Auto nach Oberhausen gefahren bin. Eins war von Anfang an klar. Wenn wir dort hingehen, dann richtig und nicht nur mal so auf die billigen Plätze. Wir holten uns 2 Tickets für die zweite Reihe Block II direkt mittig vor der Bühne. Besser geht nicht. Für die jüngere Leserschaft: Speziell bei Künstler:innen, die ein älteres Publikum ansprechen, ist es üblich, dass die Hallen, ja teils sogar die Stadien, komplett bestuhlt sind. Das hat übrigens den ungeheuren Vorteil, dass es völlig ausreichend ist, wenn man 5 Minuten vor Konzertbeginn an seinem Platz ist. Ich muss gestehen, als Kind der 70er/80er Jahre wurde ich Dank meiner Eltern mit Künstler:innen wie Milva, Udo Jürgens, Nana Mouskouri, Roger Whittaker und eben auch Roland Kaiser musikalisch sozialisiert. Wir hatten zig Ariola Sampler auf Kassette und Schallplatte, wo sich Songs Wie “Amore Mio” und “Schach matt” aneinander reihten. Tatsächlich durfte ich auch schon öfters, meist als Ersatz für meinen Vater, meine Mutter zu Roger Whittaker, Howard Carpendale und Udo Jürgens begleiten. Bei Gitte habe ich mich dann doch geweigert. Und man mag mich für verrückt erklären, ein Teil der Redaktion und unserer Leserschaft tun das eh schon, aber ich habe auch die ein oder andere Platte von Reinhard Mey, Roger Whittaker und Udo Jürgens im Schrank direkt neben Elvis Presley, Bob Marley und Johnny Cash. Mein Vater hält mir bis heute vor, ich hätte keine Linie, keinen roten Faden oder ähnliches in meiner Sammlung doch weit gefehlt. Frei nach der Devise, erlaubt ist, was gefällt, und “Alles ist Punk” stehen dort halt 2 Beatles LPs (blau & rot, denn mehr braucht es nicht) neben der Discografie von Die Ärzte (bis auf ein paar unbezahlbare Ausnahmen). Doch ich schweife ab.
Um Punkt 20:00 Uhr ging das Licht in der ausverkauften Rudolf Weber Arena aus, der Kaiser betrat die Bühne und lieferte mit einer halbstündigen Pause zweieinhalb Stunden Profi Entertainment. Ich mag jetzt gar nicht Song für Song runterleiern, aber mir ist aufgefallen, dass bei den neueren Songs die Stimmung bei uns vorne nicht schlechter war, als bei den Evergreens, die Roland Kaiser und seine 13-köpfige Begleitband zum Besten gaben und dies sei erwähnt: Diese waren durchweg Profimusiker und haben zwischendurch immer mal wieder bei einem Intro oder einem Solo durchblicken lassen, dass sie durchaus rocken könnten, wenn man sie lassen würde. Dass sich beispielsweise alle mit einem kleinen Solo vorgestellt haben, ist heute doch eher die große Ausnahme der Regel. Natürlich durften auch die Hits neben den neuen Stücken nicht fehlen und Dank meiner Eltern und manchmal auch der verlegten Fernbedienung konnte ich “Alles was du willst”, “Santa Maria”, “Dich zu lieben”, “Manchmal möchte ich schon mit dir” und natürlich seinen letzten Hit “Warum hast du nicht nein gesagt” laut mitsingen. Zwischendurch nahm uns Roland Kaiser mit auf eine Zeitreise und ein Medley aus Liedern der 1980er. Unter uns? Ich kannte nicht eins davon. Genau das war leider auch der springende Punkt: Konnte ich, warum auch immer, bei Pur anno 1995 vom ersten bis zum letzten Lied jede Strophe mitsingen, so zeigte Roland Kaiser leider, warum es immer mal wieder recht still um ihn wurde. Maite Kelly sagte mal über ihn, dass er ungefähr alle 10 Jahre einen wirklichen Hit hatte und sein letzter ist immerhin auch schon wieder fast 10 Jahre alt, nämlich das bereits erwähnte “Warum hast du nicht nein gesagt”. Ich muss zugeben, dass mir ein 30minütiger Hitmix vermutlich gereicht hätte, zweieinhalb Stunden waren dann doch etwas viel, auch wenn es zwischendurch eine Pause gab. By the way: Wie bereits weiter oben erwähnt, war das Publikum zwar nicht durchgehend, aber durchschnittlich etwas älter. Man darf ruhig sagen, dass ich mit meinen 48 Lenzen den Altersdurchschnitt eher gesenkt habe. Da kommt es schon häufiger mal vor, dass Menschen eine Gehhilfe in Form eines Rollators oder eines Gehstocks benötigen, von den Rollstuhlfahrern, die einen extra Bereich hatten, ganz zu schweigen. Speziell in der Pause, aber auch nach dem Konzert, war es im Foyerbereich so dermaßen voll, dass selbst ohne Unterstützungsgeräte kein oder nur kaum ein Durchkommen war und wenn man sich nicht wirklich auf der Tribüne für Schwerbehinderte, für die man eine besondere Karte benötigte, aufhielt, war es definitiv nicht barrierefrei. Fazit: Wir haben Roland Kaiser nun einmal live gesehen. Das reicht, um sagen zu können, dass man ihn nicht live gesehen haben muss, aber es hat durchaus zwischendurch Spaß gemacht, auch wenn 2 alte Schlager, nämlich “Amore mio” und “7 Fässer Wein” gefehlt haben. Ich freue mich nun auf mein nächstes Konzert im Mai, um dann wieder feststellen zu dürfen, ob man diesen Künstler live gesehen haben sollte oder nicht: Peter Gabriel, ich freu mich!