Es gibt langschnäuzige und kurzschnäuzige Seepferdchen. Warum ich bei dem vorliegenden Tape an Seepferdchen denken muss, ist zwar fragwürdig, aber zumindest liefert mir dieser absurde Gedanke eine lässige Einleitung. Denn es handelt sich bei der neusten Release des Ludwigsburger Tape Labels
Running Out Of Tape Records um ein Punk und Oi! Tape. Langschnäuzige und…(Wenn ihr die beiden Arten mal googelt, versteht ihr mich-vielleicht…). Ja gut. Weg von den Hippocampus (oder heißen die in der Mehrzahl dann Hippocampi?) hin zum Tape:
Den Sampler haben Sick & Twisted Records aus Montreal bereits Ende 2020 als gelbe Vinyl ins Punk-Oi!-Becken geschmissen (wo sich dann die lang- und kurzschnäuzigen Seepferdchen einen harmonischen, wilden Pogo liefern konnten).
Das Tape-Cover wurde von der LP übernommen, ein gezeichnetes Comic-Punkgeheuer (nein, kein Seepferdchen), Titel drauf und fertig, kein Firlefanz, Innenseite mit Titelliste und besonderem Goodie für die Rezensentin: Hinter jedem Titel ein Link zu der dazugehörigen Social Media Seite der Bands, i like! (Besonders bei Bands, die hierzulande bisher eher wenig Beachtung finden, kann Frau da Stunden, ach was sag ich, Tage mit Recherche verbringen, also DANKE an dieser Stelle <3
Ich muss hier auch nochmal erwähnen, dass ich die Aufmachung der Tapes dieses Labels einfach hinreißend finde – catchy Farben (ich halte hier ein neongelbes Tape in der Hand), Liebe zum Detail und nie perfekt, und genau das zeichnet für mich DIY (und Punk) aus. Genug Liebeserklärung.
Also starten wir mal das Gemetzel, Seite A:
- Dirty Cheetah – She Said Yeah (by the Rip Offs): “Montreal’s fuel injected – high energy raw punk rock n’ rollers”, so die Selbstbeschreibung auf deren FB Profil. Punk’n’Roll vom Feinsten mit Drummerin, die die Band souverän durch diesen erstklassigen Ohrwurm peitscht, 1A Einstieg für den Sampler!
- Dysruptive – Road To Ruin: Ebenso kurz und knackig wie der Vorgänger, dafür aber rasender. Eingängiger Oldschool Punk, beim zweiten mal Hören singt hier jede:r mit (auch die Seepferdchen)
- The Overrated – The Melting: Herrlich Aggressiver Hardcore Punk mit melodiösen Gitarren, geiles Solo, live bestimmt auch ein Knaller…
- Riot Porn – Solitude / Sanguine: Genauso wütend geht’s weiter mit einem zweiminütigen, klassischen Hardcorepunksong, hier schreit sich die Dame mit aller Kraft ins Delirium und ich folge ihr widerstandslos…
- Up Yours – Obey: All-Girl-Punk Band, die in 1:19 deutlich macht, dass es besser ist zu gehorchen – definitiv einer meiner Favoriten auf dem Sampler!
- The Lookout – Working Girl: Blechern oldschooliger Sound, großartige Stimme, hier gibt es definitiv auch Metal Fans in der Band…ganz groß – ok Nummer 2 in der Favoritenliste…
- The Last Rockers – Greed: Ok, ich ich glaube die komplette A-Seite wird hiermit zum Favorit erklärt! Auch hier wieder eine Lady am Mikrofon, kratzig-kraftvoll singt sie sich durch diesen wohltönenden Punkhit, getragen von fetten Gitarren und Bass
- Enfants Sauvages – Hochelag: Klingt nach Live-Aufnahme, oder einfach herrlich garagig-dumpfem Gepolter, die Sängerin plaudert sich französisch entspannt durch das Chaos des Songs und am Ende passt dann doch wieder alles irgendwie, Chapeau!
- The Vulgar Deli – I Kill Everytime I Cough: Krasser Kontrast bietet dieser Song,” Mid-Life-Crisis Hardcore” nennt die Band ihren Stil, energiegeladener, kraftvoller Rock’n’Roll würde ich es nennen
- Bauxite – Toxique Manie: Französischsprachiger Punk hat es mir einfach angetan, dieser hinreißende Kontrast einer brachialen Stimme und dieser zart-lieblichen Sprache in feinstem Punkgewand, hab ich noch ‘nen Favoritenplatz frei?
- Scarlet Beast – Scarlet Beast: Mit dem gleichnamigen Song der Band Scarlet Beast endet die A-Seite, kurz, roh, Oi! Oi! Oi! und aus…
Auf Seite B geht es nicht weniger zur Sache:
- Self Control – Burning Inside: Straight und unverhohlen ballert die B-Seite mit den Oldschool Hardcore Punkern aus Québec, die schon seit 1989 die Szene mit ihren Chansons beglücken und 2019 auch hier im Ländle als Support der Circle-Pit-Hip Hopper Moscow Death Brigade im Juha West aufspielten
- Défaillance – Sans Contrôle: Außer Kontrolle wird hier gegen den Beat angebrüllt, hier kommt niemand unverletzt raus…im Übrigen eine sehr aktive Band, was Live Konzerte angeht (nicht auszudenken, wo die ihre Energie die letzten zwei Jahre während der Pandemie hinkanalisiert haben müssen?!)
- Fractured – Shadows Of The Past: Etwas gediegener aber gleichermaßen geladen geht es mit diesem Song weiter, “D Beat UK 82 Crust Hardcore Punk” bezeichnet die Band selbst ihren Sound. Vermutlich haben sie recht, eingängiger Ohrwurm!
- Ripchordz – The Return Of Chaos Girl: Herrlich, einfach herrlich…jetzt will ich tanzen, schreien, hüpfen! Über 2500 Shows auf 13 Touren, 16 Alben und alles begann in meinem Geburtsjahr (viel Spaß beim Raten und Rechnen). Dynamisch, harmonisch und trotzdem derb, erinnert an so vieles, ist aber zu gut um Vergleiche aufzustellen, mehr davon bitte!
- The Hacked – Battle: Extrasüßes Street Punk Bonbon im Anschluss, rotzig, direkt und trotzdem irgendwie entspannt, wie diese mit Schokolade gefüllten Minzbonbons. Geile Bass Line!
- The Prowlers – Suburban Trash: Ohhhhhhh….iiiii! Montrealer 4 Piece-antirassistischer-Oi! Punk. Vergangenes Jahr auch auf dem Pirates Press Records Sampler “Oi! This Is Streetpunk!” vertreten (zum Review vom Riedinger geht’s hier)
- La Gachette – 1949: borstig französich gehauchte, klassiche Oi! Hymne, nicht mehr und nicht weniger, so muss das!
- Union Thugs – Union Maid: Das Ende dieser vor Energie strotzdenden und äußerst abwechslungsreichen Zusammenstellung wird von revolutionärem Folk Oi! eingeläutet und mit Akkordeon und Chor beendet, au revoir, a bientôt, quel plaisir…
Insgesamt wieder eine runde Sache, dieses Label hat ein Händchen für (bisher) unentdeckte Punk und Oi! (und Hardcore und vielleicht noch mehr) Perlen, also merken und Augen und Ohren offen halten, was die Ludwigsburger da noch so aus dem Ärmle schütteln für uns!
Zu erstehen gibt es den Sampler vermutlich auf den nächsten Konzerten von Liebliche Klänge Konzerte oder per Anfrage direkt über die Homepage von Running Out Of Tape Records!