Also eines müssen mir die drei Jungs von Suspectre bei Gelegenheit mal erklären. Wie konnte sich dieser Snaresound auf ihr selbstbetiteltes Debüt einschleichen? Nach dem ersten Höreindruck will dieser so gar nicht zum minimalistisch und immer leicht in Moll gehaltenen Postpunk der Frankfurter passen, klingt er doch eher nach 90er – Crossover – Kapellen wie Dog Eat Dog. Das ist mir – Achtung! – irgendwie Suspectre. So. Nachdem das Phrasenschwein soeben kräftig gefüttert wurde und die Plattitüdenskala dieses Reviews bereits jetzt schon mehr als überstrapaziert ist, wird’s ab sofort ernst. Die Libertines fallen mir ein. Ähnlich greller Snaresound und auch ähnlich schrabbelig – melodiöses Gitarrenspiel. Das könnte als Vergleich vor Gericht durchaus standhalten. Und wo wir gerade dabei sind, Suspectre in Schubladen stopfen zu wollen: dass ihr Album auf des Franzens Bremer Qualitätslabel Sabotage Records erschienen ist, macht mehr als Sinn, fügt es sich dort doch nahtlos in eine ganze Armada weiterer super Bands in ähnlichem Soundgewand ein. The Estranged etwa, oder auch die Terrible Feelings sind da zu nennen. Freunde und Gönner des Labels können also schon mal bedenkenlos und blind zugreifen. Suspectre werden euch definitiv nicht enttäuschen. Alle anderen können das im Übrigen ebenfalls, denn auch wenn die anfängliche Kritik am Snaresound recht harsch klang und auch weiterhin bestehen bleibt, so ist das doch Jammern auf recht hohem Niveau.
Suspectre machen ansonsten nämlich einen super Job. Die genretypisch als schrabbelig – melodiös gespielte Gitarre hatten wir schon. Dabei bleibt’s auch. Dazu kommt ein agiler, stets feinste Lines liefernder und trotzdem unprätentiöser Bass, leicht angehallte und dezent wehklagende Vocals samt Chören und – trotz all der Schmäh den Sound betreffend – astrein eingespielte Drums. Die dezent gesetzten Gitarrensoli sind nicht mit einer weiteren Rhythmusgitarre unterlegt, womit Suspectre authentisch und eben postpunkig klingen. Es wird geliefert, was drei Menschen nun mal gleichzeitig an Musik liefern können und dass Florian Hemmerlein (git/voc), Markus Post (bass/voc) und Felix Roßmeißl (drums) keine Anfänger mehr sind, sondern auch schon vor der Gründung von Suspectre im Jahr 2018 musikalisch aktiv waren, ist der Scheibe eindeutig anzuhören. Keiner spielt sich in den Vordergrund, alle dienen dem Gesamtsound der Band und produktionstechnisch wussten sie offensichtlich auch, wohin sie wollten. Ein gutes bis sehr gutes Debüt, das sich maximal noch ankreiden lassen muss, dass nach acht Songs leider schon Schluss ist.
Zu Beginn angesprochene Gelegenheit wäre schön, Suspectre stehen auf jeden Fall auf meiner to do – Liste, wenn es dann wieder zu Konzerten kommt. Oder kommen könnte, um dank dem Konjunktiv die weiterhin ungewisse Konzertzukunft offen zu lassen. Suspectre wären auf jeden Fall DIE Band für ein lecker Konzert im Komma in meiner Wahlheimatstadt Esslingen, das sich für Shows von Bands zwischen EA80 und Iceage einen hervorragenden Ruf erarbeitet hat.
Textlich beschäftigen Suspectre sich mit punkigen Themen wie der modernen (Konsum-)Gesellschaft und der eigenen Unsicherheit, die durch die Schnelllebigkeit der Moderne und der sich mitunter als schwierig gestaltenden Suche nach dem eigenen, lebenswerten Platz auf Erden, entstehen kann. “Know the word but cannot speak. Between the lines I try to read. As difficult as it can be. A sorted mind is luxury.” heißt es etwa in “Shimmer”. Genialer, weil simpel und auf den Punkt gebracht, kann man sich in dieser Hinsicht kaum zum Ausdruck bringen.
Die Platte kommt auf weißem 180g – Vinyl und macht allein dadurch schon mächtig Eindruck. Inside/out – Cover. Eh klar. Dazu ein Inlay mit den Texten und ein paar minimalistische Linernotes. Auch das hat Stil, bzw. trifft den Stil von Suspectre. Der Download – Code zwar eher nicht, ist aber auch dabei. Klare Kaufempfehlung, z.B. hier.