Jeder hat doch in seinem Leben diese LPs, die er seit Ewigkeiten immer wieder hört, die nie irgendwie in Zweifel geraten sind und über alle Anderen gestellt sind. Zu vielen solcher Platten gibt es Geschichten, die man damit verbindet. Sei es die erste eines Genres, die man selbst erworben hat, sei es ein spezielles Konzert in Zusammenhang mit der LP oder auch nur ein spezielles Lied, welches die Scheibe zu einer Herzensangelegenheit macht.
In dieser Reihe wollen wir euch solche Geschichten erzählen. Vielleicht habt auch ihr die ein oder andere Geschichte zu einer dieser Platten, die ihr euch dazu in Erinnerung rufen könnt. Vielleicht lernt ihr aber auch gute Alben oder Singles kennen, die bisher an euch vorbei gegangen sind. Es geht hier nicht darum, dass „Master Of Puppets“, „Killer Queen“ oder „Never Mind The Bollocks“ Evergreens ihrer jeweiligen Abteilung sind. Hier geht es nur um die persönliche Historie und deren musikalische Begleitung.
Folge Neun: Nathalies Platten
Glücklicherweise habe ich nicht ganz so viele Platten, wie meine Kollegen, die bereits vor mir dran waren. Und das liegt nicht daran, dass ich als Frau keine Platten sammle – vielmehr war ich früher einfach mit dem Sammeln von anderen Dingen beschäftigt. Angefangen hat es mit Tapes, die damals mein Einstieg in die Musikwelt waren – von Benjamin Blümchen über Mixtapes zu den wahren und raren Schätzen. CDs hab ich weitestgehend ausgelassen, dann kamen Konzerte. Mir war es damals irgendwie wichtiger, mein Geld für Live Musik auszugeben, als Musik zu besitzen (man könnte sogar zeitweise von suchtartigem Konzert- und Festivalkonsum sprechen.) Also habe ich Konzerte gesammelt, dort dann meist auch ein Shirt gekauft, in der Folge angefangen Bandmerch zu sammeln. Als die ersten Bands dann wieder Tapes auf den Markt geschmissen haben, hab ich mich eher wieder zu eben diesem Tonträger hingezogen gefühlt. Platten zählten damals nur wenige zu meinem Besitz, geschweigedenn war eine geeignete Abspielmöglichkeit vorhanden (den alten Panasonic Slimline allerdings gibt es immer noch). Als mein Mann dann seine Plattensammlung mit in unsere Ehe gebracht hatte und uns bald darauf ein Plattenspieler vererbt wurde, habe ich Blut geleckt. Zuerst habe ich mir meine Lieblingsalben (die ich davor zum Teil schon auf Kassette hatte) auf Vinyl besorgt, dann kamen immer wieder neue dazu. Viele meiner Favoriten besitze ich aber nach wie vor ausschließlich auf Tape (oder tatsächlich “nur” auf CD), daher waren diese leider hierbei außer Konkurrenz, sind aber auf jeden Fall eine Erwähnung wert: Die Songs von New Model Armys (“Thunder and Consolation”) habe ich live so oft wie keine anderen gehört, Misfits (“Famous Monsters”) geht immer und und ist definitiv unter meinen Top 5 Alben, zu The Cure (“Disintegration”) hab ich schon viele Tränen vergossen (und auf magischen Konzerten getanzt). D-A-D (“Everything Glows”) – für mich der Inbegriff von Rock’n’Roll, eines der geilsten Konzerte ever auf dem Roskilde Festival und last but not least Social Distortion (“Social Distortion” und “Somewhere Between Heaven And Hell”), bedarf glaube ich keiner weiteren Worte (kein Mann trägt Bundfaltenhosen und Tanktops so lässig wie Mike Ness, by the way). Aber nun zu den Platten, die es in die Top Ten für die Ewigkeit geschafft haben, nicht alphabetisch, nicht chronologisch sondern in Zeitabfolge meiner musikalischen Entwicklung…
David Bowie Narrates Prokofiev’s Peter and the Wolf (1978)
Die erste Platte, an die ich mich in meinem Leben erinnern kann, war “Peter und der Wolf” von Prokofjew. Ich liebte dieses Märchen, das bei uns als Hörspiel zu Hause in Dauerschleife lief. Als ich irgendwann gesehen hatte, dass es die Geschichte von David Bowie erzählt auf Platte gibt, musste ich die natürlich haben (Bowie hätte es sonst mit “Heroes” auch in die Liste geschafft, so hab ich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen und den Platz für eine weiter Platte freigemacht, hehe).
The Beatles – Abbey Road (1969)
Meine musikalische Sozialisation hat dann tatsächlich mit den Beatles begonnen. Mein Vater ist großer Beatles Fan (Meine Mutter stand eher auf ABBA, mit denen konnte ich aber nie was anfangen…). Die Beatles Songs waren bei uns zu Hause ständig präsent, singender- und hörenderweise. “Here Comes The Sun” aus diesem Album ist auch heute noch eines meiner Lieblingslieder.
Motörhead – March Ör Die (1992)
Nach einer, hüstel, Michael Jackson und HipHop Phase (ich werde da jetzt hier nicht weiter drauf eingehen…) hat mein Bruder mir dann den Metal näher gebracht. Gezwungenermaßen quasi, da meistens laut. Sehr laut. Nach anfänglicher Abwehrhaltung (“Mach sofort leiser, aaargh….”) hat er mich mit liebevoll zusammengestellten Mixtapes langsam herangeführt (Metalbands können ja Balladen ganz gut, die mit ein bissl Prog-Gedöns gemischt und zwischendurch halt Slayer und Motörhead reingeschmuggelt). Motörhead haben mich sofort total geflasht, inzwischen meine größte Merchsammlung. Live immer bomber-astisch und- löud. Danke an dieser Stelle meinem Bruder, dass er ich mich nicht an meinem musikalischen Tiefpunkt hängen lassen hat, Mission geglückt, denn…
Ramones – Ramones (1976)
…so fand ich zu den R.A.M.O.N.E.S. Und zwar genau im richtigen Moment. In einer Phase, in der ich mich unsicher und eher als Außenseiterin fühlte, konnte ich mich auf Anhieb mit dem 2-Meter-Hünen mit der geduckten Haltung identifizieren, Joey war mein persönlicher Held. Ich saugte die Ramones-Songs auf und wollte in dieser Zeit auch nichts anderes hören. Für jede Situation gab es den passenden Song, egal, was ich zwischendurch hörte, ich landete immer wieder bei den Ramones. Leider konnte ich die Band nie live sehen, dafür aber CJ Solo und Marky (letzteren übrigens bei einem der – leider – soundmäßig schlechtesten Konzerte, die ich je erlebt habe, mit Dez Cadena von Black Flag und Jerry Only von den Misfits. In der Besetzung war es mir aber völlig egal wie sie gespielt haben, hauptsache ich war dabei.) Man munkelt, es gäbe auch Familienmitglieder, die nach dieser Band benannt sind.
Green Day – Dookie (1994)
Und wenn man beim Punk landet (ja, die Ramones sind für mich Punk, sogar die beste Punkband der Welt), dann kommt man an Green Day nicht vorbei. Also ICH bin an Green Day nicht vorbeigekommen. Oft dafür belächelt ist meine Liebe zu dieser Band nicht abgerissen, jedes Festival mit Green Day war ein geiles Festival, und ja, ich finde auch die “American Idiot” Scheibe noch großartig und schäme mich nicht im geringsten dafür.
Stray Cats – Stray Cats (1981)
Um mir meine Credibility zu wahren, hab ich dann auch so Bands wie Stray Cats in meinen musikalischen Werdegang eingeladen. Die hab ich tatsächlich auch über ein Brian Setzer Orchestra Konzert entdeckt und lieben gelernt, was mir die Tore in die wunderschöne Welt des Rockabilly eröffnete.
Rancid – …And Out Comes The Wolves (1995)
Dieses Cover. Ja, Minor Threat waren erster (waren aber nicht mal in den Top 20, obwohl ich die auf Platte habe). Dieses Cover ist einfach perfekt. Und die Musik darauf… jeder Song ein Hit. JEDER! SONG! EIN! HIT! Egal, wie dein Tag war – Rancid haben mich noch nie enttäuscht und es immer geschafft, dass ich spätestens bei “Roots Radicals” durch die Wohnung springe und laut (und falsch) mitsinge. Eine grandiose Version von “Ruby Soho” gibt es übrigens von den The Sensitives aus Schweden, die ich euch nicht vorenthalten möchte, und zwar hier.
Johnny Cash – At San Quentin (1969)
Ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung mehr, wie ich zu Johnny Cash gefunden habe. Er war plötzlich da, und er war allmächtig. Ich glaube sogar, dass ich zuerst über die Cover Version von Neil Young‘s “Heart of Gold” auf ihn aufmerksam geworden bin. Neil Young, hach… okay, wir waren bei Johnny Cash: Den habe ich dann studiert und bin ihm verfallen. Zudem eine wunderschöne Liebesgeschichte, die ihn da mit June Carter verbunden hat. “At San Quentin” hat sich gegen die anderen Alben durchgesetzt, weil ich noch jedes mal Gänsehaut bekomme, wenn ich die aufgeheizte und emotionale Stimmung durch die Boxen förmlich spüre, die bei dem Konzert geherrscht haben muss. (Ich krieg sogar beim Schreiben Gänsehaut…)
The Mission – God’s Own Medicine (1986)
The Mission sind mir immer mal wieder begegnet im Laufe meines musikalischen Werdegangs, richtig bedeutungsvoll wurden sie dann aber tatsächlich erst, als ich meinen zukünftigen Mann kennengelernt habe. Er war damals (und ist bis heute) durch und durch Metal, ich war damals (und bin bis heute) beim Punk in allen Facetten hängengeblieben, getroffen haben wir uns aber immer wieder bei The Mission.
Ton Steine Scherben – Rock In Deutschland Vol 3 (1981)
Und zu guter Letzt: “Halt Dich an Deiner Liebe Fest” und “Mach Kaputt, was Dich Kaputt Macht”, so schließt sich der Kreis. Die Platte hat uns ein guter Freund zur Hochzeit geschenkt. Kay und Funky von den Scherben (mit Gymmick) hab ich mit meinem besten Freund auf dem Festival gesehen und ein weiteres Mal in gemütlicherer Atmosphäre, als vorerst letztes Konzert, bevor ich Mutter wurde. Bisher folgte kein weiteres.
Falls ihr meine gefühlsduselige, musikalische Biographie bis hierher verfolgt habt – herzlichen Dank für Eure Aufmerksamkeit und lieben Dank auch dem Keks für die Möglichkeit diese schöne Reise in die Vergangenheit gemacht zu haben (und die Perspektive meine Plattensammlung noch zu erweitern 😉 )