Die Jazzer und Jazzerinnen dieser Welt haben einfach ein hartes Los. Die üben und üben und üben, während die Rocker und Rockerinnen schon längst beim Feiern sind. Und wenn sie dann endlich genug geübt haben, um sich auf einer Bühne blicken lassen zu können, dann interessiert das keine Sau, während die Rocker*Innen sich nebenan gerade von der jubelnden Crowd feiern lassen. Die Welt ist kein gerechter Ort, auch nicht für den Jazz und so wäre das zweite Album “Fragments” des aus Bergen/Norwegen stammenden Quintetts Shakai selbst beim musikweltoffenen Vinyl-Keks beinahe untergegangen. Letztlich ist es – bereits schon am 07.06. auf dem ebenfalls aus Bergen stammenden Label Is It Jazz? Records erschienen – aber doch noch bei mir gelandet. Augerechnet bei mir, der ich doch erst mal googeln muss, wie man Jazz überhaupt schreibt! Soll heißen, eine expertenmäßige Expertise kann die (vermutliche) Handvoll Jazz-Fans unter unseren Leser*Innen beileibe nicht erwarten. Dafür aber eine unvoreingenommene, weil ungebildete Meinung eines Laien. Ok für euch? Dann los!
Shakai ist das japanische Wort für die Gesellschaft. Eine schöne und schön gewählte, auch wohlklingende Metapher für den angenehmen Sound der Band, speziell in Zeiten wie diesen, in der die Gesellschaft(en) unter der “Führung” von irgendwelchen Orbáns, oder dem zunehmenden Einfluss von brandgefährlichen Sch…typen wie Höcke sich zunehmend mehr radikalisiert und enthemmt. Shakai bieten einen Kontrast zu all dem Hass. Sie bieten der Gesellschaft einen musikalischen Marktplatz, auf dem die Menschen in Frieden und Zuversicht aufeinander zugehen können, statt ihn mit Reichsflaggen zu verunstalten. Das ist fast schon Magie – und vielleicht auch zu abstrakt politisiert von mir – aber Shakai sind der musikalische Spiegel einer Gesellschaft, wie sie ertrebenswert ist.
Teils auf Norwegisch, teils auf Englisch gesungen, künden die sieben Songs musikalisch von Frieden und Einklang und Shakai scheinen nicht die Art von Jazzband zu sein, die in verrauchten und verruchten Jazzkellern zuhause ist. Vielmehr gehören sie ins heimelige Wohnzimmer, an einem verregneten Herbsttag zu einem guten Glas Rotwein und einem verträumten Feuerchen im Komfortofen. Das Problem dabei ist nur, zuhause findet die Gesellschaft nur bedingt statt und Shakai haben auch nur bedingt was davon, es sei denn ihr fühlt euch jetzt schon dazu angefixt, “Fragments” z.B. bei JPC zu erwerben.
Musikalische Referenzen kann ich aus Unwissenheitsgründen nicht bieten, aber die vom Label genannten Vergleiche, die kann ich zitieren, in der Hoffnung, dass die Expert*Innen unter euch damit etwas anfangen können. Radka Toneff, Mall Girl und Moskus werden da genannt. Na, klingelt’s? Falls nein, ist mein einziger, noch zu bietender Ansatz dieser hier: es imponiert mir sehr, wie natürlich sämtliche benutzten Instrumente klingen. Da ist nichts entfremdet und “Fragments” klingt bei geschlossenen Augen tatsächlich so, als hätten sich Shakai vor meinem Ofen platziert. Die Snare scheppert, wie sie zu scheppern hat, das Saxophon als hauptsächliches Soloinstrument ist präsent, aber nicht aufdringlich, die E-Gitarre verzückt mit einem glasklaren Klang und der Kontrabass klingt wohltuend und ist bauchig wie mein Rotweinglas. Dazu der absolut treffsichere Klang des Gesangs von Sängerin Gabriela Garrubo. Liebe Shakai, bleibt doch noch ein bisschen zum Privatkonzert. Eine üppige Gage kann ich euch zwar nicht bieten, aber das seid ihr als Jazzband ja wahrscheinlich gewohnt (ja, wir kennen sie alle, diese Jazzerwitze!).
In minimalistischer, aber ansprechender Aufmachung, auf schwarzem 180g-Vinyl und wie bereits beispielhaft genannt, ist “Fragments” für euch zu haben.