“I’ve always spent more time with a smile on my face than not, but the thing is, i don’t write about it” (Robert Smith)
Da liegt es nun endlich vor mir, die heiß ersehnte, neue The Cure Biographie mit dem bezaubernden Titel Dunkelbunte Jahre. Ein paar Tage bin ich um das Buch herum geschlichen, bis ich es, in einem passenden Moment, ehrfürchtig das erste Mal aufgeklappt habe. The Cure gehören für mich persönlich definitiv in eine Kategorie von Bands, die in ihrer Einzigartigkeit einen gewissen Hoheitsstatus in meinem Herzen erlangt haben. Dabei habe ich die Band erst relativ spät kennen- und lieben gelernt (Ich musste ja auch erstmal geboren werden…). 2004 habe ich sie dann endlich das erste mal Live gesehen: Auf dem Southside Festival um die Ecke (in großartiger Gesellschaft von Bands wie den Pixies, Monster Magnet, PJ Harvey, David Bowie, Gluecifer und vielen weiteren). Ich war damals sofort gefangen in dieser düsteren Magie des Spinnennetzes, das Robert Smith da mit seiner Band von Song zu Song gesponnen hat. Wer schonmal auf einem The Cure Konzert war weiß, dass man aus dieser bittersüßen, klebrigen Finsternis auch frühestens nach zweieinhalb Stunden entkommt. Glücklicherweise, denn The Cure sind wie ein Suchtmittel für sich selbst und ihre Fans. Die musikalische Verbindung, die die Band zu ihrem Publikum – sei es eben bei einem Live Konzert oder auf einem Tonträger – herstellt, ist irgendwas zwischen speziell, verstörend, aber immer tief. Wie ihnen das bis zum heutigen Tage gelingt, versucht uns Ian Gittins in dieser im Juni diesen Jahres veröffentlichten Biographie nahe zu bringen. Und es gelingt dem Autor, dessen musikalische Schreibkarriere 1985 beim Melody Maker begann. Über die Jahre interviewt er dort seine persönlichen Idole wie Joe Strummer, Iggy Pop oder Nick Cave oder begleitete die Pixies auf Tour. Neben weiteren Magazinen arbeitete er ab Ende der Neunzigern unter anderem als Lektor für zahlreiche Künstlerbiographien von zum Beispiel Aerosmith, Billy Bragg oder den Levellers. Außerdem porträtiert er im 2019 erschienen Depeche Mode: Kultband für die Massen bilderreich Dave Gahan und seine Bandkollegen.
Das Cover des Buchs passt gut zum Titel, denn wenn ich es farblich beschreiben müsste, würde es dunkelbunt vermutlich am ehesten treffen. Zunächst hatte es mich etwas gestört, dass relativ wenig vom Foto, welches Robert Smith in “Action” zeigt (dass ich diesen Begriff mal in Zusammenhang mit dem Cure Sänger verwenden würde…), zu sehen ist. Mit allerlei Fotobearbeitung wurde das Bild “geschmückt”: Blumen, Kleckse, Verpixelung und Grün, viel Grün. Je öfter ich das Buch aber in der Hand hatte und je tiefer ich in die chaotische Bandgeschichte eingetaucht bin, desto stimmiger empfand ich es aber. Im Buchdeckel (und innerhalb der Buchrückseite) erstreckt sich ein dunkler schwarzer Wald. Die ersten Seiten deuten darauf hin, dass die Lektüre mit großzügiger Bebilderung daherkommt. Die Fotos im gesamten Buch sind wirklich geschmackvoll und stimmig ausgewählt. Allerdings fand ich die dazugehörigen Bildbeschreibungen oft etwas verwirrend. Außerdem musste ich leider nach ein paar Seiten feststellen, dass nahezu jedes Foto mit sich wiederholenden “Rahmen” (bunt, poppig) versehen ist. Ich persönlich hätte mir die Fotos “pur” gewünscht, da diese ohnehin schon aussagekräftig genug sind. Vielleicht sollen die Rahmen aber durch ihre Buntheit den Titel des Buches aufgreifen (der im Original übrigens “A Perfect Dream” lautet). Die Gestaltung des Buches im Allgemeinen ist übersichtlich und in 10 Kapitel aufgeteilt. Jedes Kapitel wird durch eine Doppelseite mit Foto und plakativem Titel wie z.B. “Könnt ihr auch Pop?” eingeleitet. Neben den Bildern wird der Inhalt durch catchy Zitate aufgelockert. Wie auch Playlists mit den Künstler:innen, die The Cure auf unterschiedliche Weise in den unterschiedlichen Jahrzehnten beeinflussten, darunter z.B. Siouxsie and the Banshees, The Buzzcocks oder XTC. Außerdem sind beim Lesen immer wieder Buchtipps zu finden, die Robert Smith zu Songs und/oder Alben beeinflusst haben, wie z.B. Albert Camus Roman “Der Fremde”, von dem der umstrittene Songtitel “Killing An Arab” entstammt. Die zahlreichen Alben werden präsentiert auf Doppelseite mit Bildern vom Album und den jeweils veröffentlichten Singles, Tracklist und interessanten Details wie Besetzung, Aufnahmeort oder Covergestaltung (beim Album “The Cure” wurden die Zeichnungen zum Beispiel von Smith’ Neffen und Nichten angefertigt, ohne dass diese vorher wussten, dass ihre Bilder später das Plattencover zieren würden).
Das Buch ist sehr unterhaltsam geschrieben, Ian Gittins versteht es perfekt auf einem schmalen Grad zwischen Sachlichkeit und Ironie zu balancieren. Ich verliere mich beim Lesen im Ping Pong aus Düsterrock und Pop (von Songs wie “10:15 Saturday Night” hin zu “Boys Don’t Cry”) und bin zeitweise etwas verwirrt vom Besetzungskarusell, auf das gefühlt jede Runde die Bandmitglieder um Smith herum aufspringen, wieder abspringen, oder nach jeder zweiten Runde zurückkehren (z.B. Paul “Porl” Thompson, Laurence “Lol” Tolhurst, Roger O’Donnell oder Simon Gallup…).
Ich kenne nicht wenige Menschen, mich eingeschlossen, die immer wieder von einer Anziehung auf diese berauschende Finsternis berichten, die The Cure mit ihrer Musik verkörpern, wie – zumindest für mich persönlich – keine andere Band. Gittins zeichnet ein authentisches Bild von The Cure mit all seinen Mitgliedern und deren unterschiedlichen Persönlichkeiten, mit den Höhen und Tiefen der Gruppe und ihrer Karriere als “Anti-Stars” und dem massiven Drogen- und Alkoholkonsum zum jeweiligen Album. Ian Gittins gelingt es, auch kritische Aspekte aufzuführen, ohne, dass sie dem Image von The Cure schaden würden. Man entwickelt beim Lesen eine gewisse Empathie und Verständnis für die menschlichen Abgründe, persönlichen Schwächen oder Charakterzüge der einzelnen beschriebenen The Cure Mitglieder. Immer wieder finden sich in der Masse an Informationen, die das Buch liefert, kleine, unterhaltsame Anekdoten wie z.B. die Geschichte, als Robert Smith als Elfjähriger auf dem Isle Of Wight Festival von seinem Bruder Richard im Zelt eingesperrt wurde (ich frage mich immer noch wie man jemandem in einem Zelt einsperren kann…), weil der dort ein Mädchen kennengelernt hatte. Robert wollte dort sein damaliges Idol Jimi Hendrix spielen sehen, verpasste ihn wegen der Aktion seines Bruders und keine drei Wochen später starb Hendrix an einer Überdosis.
Beim Schmökern kann man zeitgleich wunderbar alle The Cure Alben mal wieder durchhören und wiederholt feststellen, dass sie dabei mitten in die emotionale Eiswüste unserer Herzen tauchen und uns dort in ein wärmendes Gewand aus Musik hüllen.
Diese Lektüre eignet sich definitiv auch für (Noch-) Nicht-Cure Fans. Spätestens nach der Rückkehr von diesem Trip durch die Bandgeschichte einer außergewöhnlichen Band dürfte man ihr erlegen sein.
Das lang erwartete Doppelalbum “Live From The Moon” soll dieses Jahr noch auf Vinyl erscheinen. Es ist das erste Studioalbum für The Cure nach ungewöhnlichen langen 13 Jahren Pause.
Insgesamt also eine eindeutige Kaufempfehlung meinerseits, zumal es dieses Buch für gerade mal schlappe 29,00 € bei JPC zu kaufen gibt!
Interpret | Keine Daten vorhanden |
Titel | Keine Daten vorhanden |
Veröffentlichung | Keine Daten vorhanden |
Label: | Keine Daten vorhanden |