Langsam senkt sich die Nadel auf das schwarze Vinyl, es ruckelt ein wenig, leise undefinierte Töne aus den Boxen erzeugen aus Vorfreude auf das kommende eine Gänsehaut… die Nadel liegt jetzt optimal in der Rille und der Opener “No Trial in the Dark” schlängelt sich in die Gehörwindungen. Er bringt so viel dunkle, triefende Atmosphäre mit sich, hat aber gleichzeitig so viel Tiefgang wie die Titanic vor der dramatischen Begegnung mit dem Eisberg. Und so ein Bild habe ich dann auch im Kopf; ein schwarzes, mäßig bewegendes Eismeer, das bereit ist für eine der größten Katastrophen der Menschheit.
Ausweglos und ohne Alternative bringen mich The Holy an den Abgrund. Für mich hätte dieser Song diese Szene perfekt untermalen können. Warum ist das so? Einfach weil The Holy Finnen sind und deshalb sehr dunkel, atmosphärisch, leicht wehmütig und dabei unglaublich emotional daherkommen. Kurz denke ich an den finnischen Tango, dessen rot-schwarze Seele ebenfalls das Spiel zwischen Schwermut und Liebe repräsentiert. Ganz großes Gefühls-Tennis, sehr ernst, kein Spaß für irgendwelche Lutscher.
Ich lasse mich also auf die Reise durchs Eismeer ein und stelle fest, dass ich bei den neun Tracks des Albums “Mono Freedom” häufig an die Editors oder Interpol denken muss, also den eher düsteren Post-Punk-/ Post-Wave-Stil. Das gefällt mir sehr, denn zum einen passt ihr Soundtrack gerade zur Gesamtsituation und zum Anderen lasse ich gerne diese Saite in mir zum Schwingen bringen. Der manische Frontmann Eetu Henrik Iivari und seine Kapelle des Untergangs zelebrieren Schwermut und Depression durchaus mit einer “poe-esken” Choreographie, die einem wohlige Schauer über den Rücken treibt.
Wie beim Meister Edgar Alan Poe, beginnt im zweiten Song “Twilight of the idiots” erstmal alles sehr ruhig. Aus dem neblig Trüben schält sich die tiefe Stimme des Zeremonienmeisters, Bass-Linien und Keyboard-Klänge erzeugen ein Klanggebilde ungeahnter Größe und Düsternis, die von den beiden Schlagzeugen flankiert, unausweichlich dem Klimax des Songs entgegen steuern. Textlich ist der Song, wie das gesamte Album, ein Traum, ein Hoffen auf eine bessere Welt. Frontmann Eetu Henrik Iivari meint zur neuen Platte: „Mono Freedom ist ein utopisches Themenalbum. Eine fiktive Geschichte über die Übernahme der Erde durch Mutter Natur und darüber, wie die letzten Menschen ihre Sachen packen, eine Rakete bauen und zum nächsten schwarzen Loch fliegen. Sie wissen, dass es da draußen wahrscheinlich nichts gibt, aber es ist die letzte Chance für die Menschheit. All dies wird als eine positive, nicht als eine dunkle dystopische Vision gesehen, wie es normalerweise der Fall ist“.
Musikalisch sind The Holy sehr stilsicher und abwechslungsreich unterwegs; “The rocket song” verwendet Sequenzer, während bei “I don’t know” sich in knappen drei Minuten einer Armada an Streichern bedient, um mit einem hymnenartigen Refrain, den ersten Mitsing-Reflex bedient. Wir umschiffen mit “Love is just a word that we use” einen ersten Eisberg voller Desillusion und suizidaler Stimmung. Es warten mit “Ageing Boxer” und “Dada Love” zwei Songs mit Bewegungsdrang. Abschluss findet das Spektakel mit dem wunderschönen “Museum of modern Hearts” mit einem ebenso must-see Video.
Hört man das Album ein zweites Mal, wird man erstaunt feststellen, dass man an der ein oder anderen Stelle schon mit summt. So geschickt haben The Holy ihren Klangteppich gewoben. Das ganze Werk ist in sich stimmig und regt zum Hören auf langen nächtlichen Autofahrten an. Dort kann man dann auch mal den Lautstärkeregler hochdrehen, um diese unbändige Energie des Albums in seiner ganzen Tiefe und Volumen zu erleben.
Das Release des Album “Mono freedom” wurde wegen der 2020 herrschenden Umstände um ein halbes Jahr nach hinten verschoben hat und erschien am 2. Oktober 2020. Mitgeliefert wird ein stylisches Innencover, was sich hervorragend mit dem Cover der Platte arrangiert. Leider fehlen die Texte, ein Manko, was man gerne verzeiht. Ich kann euch das Album nur aller wärmstens empfehlen. Am besten kaufst du es direkt hier: Flight 13.
Lagartija Nick, Dezember 2020
no images were found
Brilliant review with an excellent play-on-words. Reading this review gives me a good idea of the atmosphere created by listening to this brand new record. I am just listening to “Museum of Modern Hearts” and it totally sounds like your review describes the music of this Finnish band. So I will give the album a try. Well done!