Wow, von 0 auf 100 in Rekordzeit. Gerade einmal 2022 gegründet, bzw. mit Sängerin Sam komplettiert, spielen The Pill aus Frankfurt am Main heuer bereits u.a. auf dem Open Flair Festival in Eschwege. Gut, vermutlich nicht gleich auf der Main Stage, aber dennoch ist das eine beachtliche Leistung, hat das Festival doch eine 20.000er-Kapazität. Dazu hat das Quintett mit Sounds Of Subterrania eines der coolsten Indielabels hierzulande für sich begeistern können. Dieses wird dann auch am 5.04. das Debütalbum (alles andere wäre dann doch zu kometenhaft) „Hollywood Smile“ veröffentlichen. Uns steht das gute Teil schon vorab zu Reviewzwecken zur Verfügung. Lasst uns also gleich mal reinhören, ob „Hollywood Smile“ hält, was die eingangs aufgezählten Superlative sowie die fast schon überschwänglichen Infos, die das www über die Band so bereit hält, versprechen, mindestens aber vermuten lassen.
Black Flag hier, Black Flag da. Wo auch immer man was über The Pill liest, wird die Hardcore-Kultband im gleichen Satz genannt. Nicht nur, dass The Pill so klingen würden, nein, die Geschichte will, dass Band und Frontfrau Sam sich sogar auf irgendeiner Musiker*Innenplattform deswegen kennen gelernt hätten, weil beide den simplen Hashtag „Black Flag“ benutzt hätten. Für mich persönlich ist die Kultband gar nicht so kultig, sondern eher so Durchschnitt. Keine Ahnung, was bei mir schief gelaufen ist?! The Pill dagegen, die find‘ ich richtig gut. Da muss also noch mehr sein als ein einfacher Black Flag-RippOff.
Ja klar. The Pill mögen Black Flag. Das hört man deutlich und das ist jetzt auch kein Geheimnis mehr und nein, das schreib‘ ich jetzt nicht nur, weil das jede*r schreibt. Achtung, Phrase: The Pill rocken! Vor allem in den Midtempopassagen ist das so sehr viel Rotz und schiere Energie, dass ich Angst habe, das Kondenswasser trieft gleich von meiner wohlbehüteten Wohnzimmerdecke. „Hollywood Smile“ scheint selbst auf Vinyl konserviert eins zu eins ein Livekonzert zu imitieren. Spontan und ungehobelt, im Hier und Jetzt. So kenn‘ ich das (in relativ jüngster Vergangenheit) am ehesten noch von Beatsteaks-Platten wie „Living Targets“ oder „Smack Smash“.
Die Instrumentalisten Sascha (Drums), Jan (Bass), Tobias und Philipp (Gitarren) dreschen auf ihre Instrumente ein, als würde man sie ihnen danach wegnehmen wollen und Sängerin Sam liefert dazu ihren zwar vielseitigen, aber irgendwie auch „mir ist alles scheißegal“-Gesang. Das hat sehr viel Charme und hat mir in Sachen Punkrock schon seit längerem so ein klein wenig gefehlt, legen entsprechende Bands doch gefühlt zunehmend mehr Wert darauf, sich etwaigen Erfolgsmodellen anzupassen. The Pill dagegen, die machen ihr Ding. Das ist mutig, das ist richtig, das ist geil!
Auch die Uptempo-Nummern überzeugen auf ganzer Linie. „Government Whore“ zum Beispiel. Kurz und schmerzlos und auch etwas moderner klingend. Modern wie die ’90er in etwa und ich muss an Good Riddance und speziell an deren Sänger Russ Rankin’s trockenen und betonenden Gesangsstil denken.
Dann „Somewhere“. Fast schon als The Pill’s Ballade, auf jeden Fall aber als Kontrastprogramm zu bezeichnen. Geradezu melancholische Chords. Ein punkiger Popsong, oder ein poppiger Punksong. Sucht es euch aus. Aber egal wie: selbst die Ballade versprüht eimerweise Energie.
Nun habe ich ein paar musikalische Erklärungsansätze gefunden, warum „Hollywood Smile“ so geil ist. Letztlich ist es aber wohl vor allem ein Attribut: Selbstbewusstsein. The Pill haben ein Menge davon. Diese Platte ist der Beweis dafür und Textzeilen wie „You think that I’m a girl. But let me tell you. I AM A GOD,…“ („Complex“) unterstreichen das deutlich.
„Hollywood Smile“ ist das beste Debüt einer Band, das ich seit langem gehört habe und ich bin mir sicher, wir werden noch einiges mehr von The Pill hören. Sehen kann man auch noch was, z.B. eine wunderbar bedruckte Innenhülle, tolles Bildmaterial sowie eine hochwertig bedruckte Außenhülle. The Pill und Sounds Of Subterrania haben mehr als ganze Arbeit geleistet und ihr könnt diese ab dem 5.04. bei Label, Band und sicherlich auch bei jedem Punkrock-Mailorder oder -Plattenladen, der nur halbwegs was auf sich hält, erhalten. Bedingungslose Kaufempfehlung!