Der Fluss aus Ideen und Visionen.
Wie sieht eigentlich die Arbeit im Studio aus? Läuft es da eher strukturiert, diszipliniert oder chaotisch ab? Was passiert in der Band? Gibt es Spannungen? Und wie hält man einen kreativen Prozess am Laufen?
Die Mitglieder von GRIND zeigen mir offen, private Bilder und Videos, um die Arbeit und den Aufwand im Studio zu verdeutlichen. Neben den zwischenmenschliche Aspekte, die es in einer räumlichen Enge zu managen gilt, kommen handwerkliches und kreatives Arbeiten dazu. Alles will gesteuert und geleitet werden. Hier sind neben den musikalischen Fähigkeiten, soziale Kompetenzen gefragt, damit der Prozess nicht aus dem Ruder oder zum Erliegen kommt.
Besonders aufschlussreich sind die Aufnahmen einzelner Instrumente. Ein Video zeigt das Einspielen der Drum-Spuren. Über Kopfhörer hört Ulf die Gitarrenspur von Bent und spielt synchron seine Schlagzeugspur ein – wieder und immer wieder werden Nuancen verändert, Ideen eingeflochten und die Felle mit einer ungeheuren körperlichen Intensität bearbeitet. Deutlich kann man die mentale und physische Anspannung und Belastung nachempfinden.
Definitiv ein Gänsehaut-Moment: das Einspielen des Basses. Mantra-Artig werden Tonfolgen repetitiv gezupft, aneinandergereiht und ergeben Perlenschnüren gleich, später die treibenden Bass-Linien. Das isoliert Gehörte ist so intensiv, dass man den Klang wie einen Körper im Raum wahrnimmt.
Es ist faszinierend, wie sich einzelne fragmentale Spuren – weiterentwickeln und später den fertigen Song ergeben. Das Bild der einzelnen Bäche, die in den jungen Fluss münden und sich nach und nach zu einem starken Strom verbinden, erscheint immer wieder vor dem geistigen Auge.
Im kreativen Miteinander, hat jeder Musiker für sein Instrument das letzte Wort und ist quasi sein eigener Art-Director. Im Großen und Ganzen stimmt sich die Band allerdings demokratisch ab. Sollte es dennoch bei musikalischen Fragen zu einer Patt-Situation kommen und eine Entscheidung notwendig werden, überlassen GRIND Yannic Zwinscher, der schon bei Debüt für die Produktion verantwortlich war, das letzte Wort, „Was die spätere Produktion angeht, hat Yannic den Hut auf.”
Natürlich hat es Momente gegeben, in denen es nicht so lief, wo Ideen nicht kamen, unterschiedliche Meinungen existierten oder der Sound einfach nicht so war, wie man sich es vorgestellt hatte. Bent fallen die Momente im Studio ein, wo man zum x-ten Mal einen Part wiederholen musste, weil es noch nicht sitzt oder klingt. Er wiegelt aber gleich ab, „Aber so dramatisch, dass man jemand nach Hause fahren wollte oder man das Projekt beenden wollte – so weit ist es nie gekommen“.
Es is wieder Bent, der erinnert, dass später beim Mixing mal der eigene Gitarren-Sound zur Debatte stand: Bent‘s Vorstellung vom Sound der Gitarre stand konträr zu Yannics klanglichen Ideen. Aber bei so etwas, „… handelt es sich meist um kleinere musikalische Dispute, die man harmlos aus der Welt schaffen kann“, versichert der Gitarrist. Am Ende vertraut man sich gegenseitig bei diesen Dingen.
Das Kaleidoskop wird eingedampft.
Als Hörer, welcher das fertige Album in der Hand hält, fragt man sich manchmal, was war die Idee hinter alledem? In anderen Fällen, staunt man sprachlos wie Musik, Texte und Artwork ein schlüssiges Bild ergeben und bewundert tief die Intention der Künstler. Zu welchem Typ gehören GRIND? Lest selber.
„Beim ersten Album war alles sehr spontan … und wir sind einfach losgerannt“,
blickt Bent zurück.
Häufig wird davon gesprochen, dass das zweite Album schwieriger sei als das Debüt. René bestätigt: „… beim ersten Album sei man völlig frei gewesen. Aber zu Beginn der Arbeiten des Nachfolgers, habe man einen leichten Druck bei sich selbst verspürt“. Dazu gesellte sich ein Außendruck, der sich aus den vielen positiven Reaktion von Fans und Medien manifestierte. Eine Situation, mit der man lernen muss umzugehen.
„Man hat sich von dem Punkt und der Frage gelöst, wie spätere Reaktionen ausfallen könnten. Seit diesem Schritt, lief der Entstehungsprozess leichter. Das brauchte selbstverständlich ein paar Runden der gemeinsamen Reflektion und Diskussion“, erläutert René. Am Ende hatten sich GRIND vom Druck soweit befreit, dass man das gemacht hat, worauf man Bock hatte und nicht irgendwelche Erwartungshaltungen befriedigen wollte.
Ein erster Pfeiler für das neue Album stand schnell fest: Offenheit für neue Facetten, Klangfarben und Instrumentierungen. Was sich bei „Songs of Blood and Liberation“ angekündigt hat, soll noch verstärkt werden. Und diese fast verspielte Offenheit für die neue Dinge mündeten in einem Novum: einem Instrumental mit ausgeprägtem Spannungsbogen und wunderschönen Harmonien.
„Noch mehr Gefühl, im Sinne von Sanftheit, Melancholie,
Zerbrechlichkeit und Schwermut in den Melodien“,
sind für Renè die konzeptionell neuen Aspekte.
Ein weiterer Konzeptpfeiler ist einer entschleunigte Herangehensweise an das neue Album. GRIND wollen sich nicht hetzen lassen, sondern haben sich die notwendige Zeit genommen. In der Tat war diese Vorgehensweise eine Lessons Learned vom Vorgänger-Album. Insbesondere für die kreative Phase, wo es um das Experimentieren, das gemeinsame Probieren oder das Arrangieren geht, hat man ausreichend Zeit gelassen, was sich wohltuend im Resultat zeigt.
Dazu haben GRIND verstanden, dass weniger, mehr ist. Beispiel gefällig? Im Gegensatz zu „Songs of Blood and Liberation“ wo man mit drei Mikrophonen gearbeitet hat und die Rhythmusgitarren bis zu viermal übereinandergelegt hat, haben GRIND technisch deutlich abgerüstet. Statt zwölf Spuren bei den Rhythmusgitarren, werden lediglich zwei Gitarren-Spuren verwendet. Das mutet fast puristisch an, verbessert aber die Transparenz und die Dynamik. Das Wiederum fast einen Live-Effekt und intensiviert das Hörerlebnis.
Die Kirschen auf der Torte sind diese unwiderstehlichen Harmonien und Melodien, die GRIND in den glasharten Sound des Grind-Core verpacken und vom Hörer entdeckt werden wollen. Schon bei „Songs of Blood and Liberation“ waren Harmonien und Melodien zu finden. Kleinen versteckten Diamanten gleich, sorgten ausgefeilte Akzente für den Glamour im düsteren Kontext. „Genau das sei es, dieser Harmonie-Schmalz“, so Ulf, „den René gekonnt dazu gibt … das fehlt vielen Metal-Bands…“. Erstaunlich, dass diese Sätze vom Drummer der Band kommen, „…denn der wolle“, laut Bent, „…immer nur ballern …“.
Nachdem sich die Studiotür fürs Erste geschlossen hat und einmal tief Durchatmen konnte, begann die Arbeit an den konzeptionellen Dingen wie den Texten und dem Artwork. Teil 3 schildert, welche Herausforderungen es in dieser Phase gab.