Leider schaff ich es nur noch selten in einen Plattenladen, da ich dafür 40 – 50km fahren muss. Verbinde dann lieber, ganz effizient, den Ausflug mit irgendeinem andern Termin. Jedenfalls: es gab eine Zeit, da stand man regelmäßig, so als Nachmittagsbeschäftigung, in einer Plattenabteilung eines Kaufhauses und blätterte so rum. Dann blinzelte da das ein oder andere Cover raus, man legte es auf die Seite, vielleicht mal reinhören, sortierte nochmal um, nahm dann doch nur zwei, Kohle knapp, ging dann zum Plattenspieler, Testhören, am Ende nahm ich manchmal gar keine mit.
Cut to: heute! Man stöbert so im Netz, findet, trifft ein Video oder Clip oder Link zu einem _____ und klickt drauf – und entdeckt Neuland.
The Voo haben sich eine neue Schublade einfallen lassen, die noch nicht wirklich gezimmert ist und auch noch nicht so ganz in die Musikkommode passt. “Dream Rock’n’Roll” darf sie heißen.
Beim Durchblättern hätte ich das Cover auf jeden Fall in die Hand genommen. Es ist herrlich schräg und zugleich total augenfällig. Eine Art Dali’sche Welt, spacig, verspult, im Comiclook, futuristisch mit einem Ufo über den beiden Musikern, die auf einem Camper musizieren; welcher zeitgleich über einem Lagerfeuer gegrillt wird.
Wahrscheinlich hätte ich sie doch wieder zurück gestellt. Damals. Heute bin ich neugierig.
Eine Doppel LP einer Band, die im Frühjahr 2021 erste ein Erstlingswerk herausbrachten, legt im Herbst 2022 ein Doppel-Album nach. Entweder ganz schnell berühmt geworden oder maximal verrückt!
Und ja, sie sind letzteres.
Ganz so gestaltet sich ihre Musik dann aber, glücklicherweise, nicht.
The Voo machen mit maximal begrenzter Instrumentierung einen maximal geilen Soundtrack zu einer Art Surf-Odyssee.
Also: ein Kontrabass zupft und klopft, was sich durch diverse Soundmaschinen und Looper verwandelt dieser sich in ein richtiges Rhythmusinstrument. Es klingt wirklich irre, wenn man das Gefühl hat, da ist ein Schlagzeug, oder zumindest ein Teil davon, und dazu Bass. Dazu eine Gitarre, die ganz reduziert, doch auch mit vielen Effekten versehen, mal rockt, mal surft, mal fast poppig umschmeichelt. Der Gesang versteckt sich nicht, ist aber ein weiteres Instrument, ergänzt die psychedelischen Parts um ein paar Worte, die manchmal fast die Soundscape erklärend wirken.
Ein Soundtrack für einen David Lynch Film.
Die Platte startet mit einer Reminiszenz an Nancy Sinatra‘s Boots (are made for walking)
Das eigenwillige Artwork wird in diesem Video in Bewegung gesetzt. Der Song, sowie die Bilder, laden ein auf einen über 75 Minuten dauernden Trip. Ein Doppel-Album ist halt eine Möglichkeit sich völlig auszuleben und alle Facetten seines Könnens, seines Ideenreichtums zu zeigen!
Und das machen The Voo ganz großartig.
Während ich so höre, nehme ich mir den Beipackzettel (das ist die Vita, die Zusammenfassung von Band und/oder Label, was die Band macht und einige Infos) und lese – und staune.
Mir wird der Grund klar, weswegen so schnell diese beiden Alben erschienen: ein “brother” ist plötzlich verstorben. Und der andere hat das gemeinsame künstlerische Schaffen fertig bearbeitet und veröffentlicht.
Wow. Gänsehaut. Ich lasse dann die Platte etwas ruhen, damit ich sie mir nochmal anhören kann, die News hat mich schon auf eine Art berührt.
LP 1 sind so gesehen alles neue Songs. LP 2 beinhaltet Demo-Aufnahmen und Ideen, dazu ein paar Livetracks.
Die beiden Brüder haben super zusammen gespielt, selten ein so gutes Duo gehört.
Ich verabschiede die beiden “brother” mit diesem sehr rock’n’rolligen Track “aint’t no rhyme or reason”
Auf dem Backcover suche ich vergebens nach einem Label. “Neustart Kultur”, die “Initiative Musik gGmbH” und Rockcity.de” stecken dahinter. Letztere vergeben jedes Jahr Preise in diversen Rubriken. Bspw Krach & Getöse, wo mich plötzlich die famosen rauchen anlächeln. Verrückt.