Auf Lisa Closer bin ich irgendwann durch Zufall aufmerksam geworden, als in von Schubsen einen Post bei Facebook sah, dass diese für das Artwork bzw. die Gestaltung des Covers für das neue Vinyl verantwortlich ist. Grund genug also, mit ihr ein bisschen über ihre Arbeit und grundsätzliche Einstellung zu #punktoo und Vinyl zu plaudern.
Hallo Lisa, schön, dich in unserer neuen Reihe “Underground Kunst” zu begrüßen. Lass uns zuerst einmal einen kleinen EInblick zu deiner Person und deinem künstlerischen Schaffen gewähren.
Hallo Nico! Ich freu mich sehr, dabei zu sein. Mein künstlerisches Schaffen ist ein großes Mosaik würde ich sagen – es setzt sich zusammen aus vielen kleinen Bereichen, da war von Illustration bis Collage schon einiges dabei. Ich mag den Gedanken visuell auf etwas zu reagieren, mich reinzufühlen in eine Sache, die mir am Herzen liegt – Welches Bild passt am besten zu diesem Song? Wie könnte die Idee hinter dieser Veranstaltung “aussehen”? Deshalb passiert der Großteil meiner Arbeiten auch im Musik- und Kulturbereich. Auch der Text ist ein wichtiger Bestandteil, wenn ich von “meiner Kunst” spreche, ich lese viel und schreibe selbst. Nebenher arbeite ich als Buchhändlerin, das ermöglicht mir als Grafikerin sozusagen nur die “Spaßjobs” anzunehmen.
Wow, da bist du ja ganz schön vielseitig. Für welche Künstler*innen, Bands, etc. bist du denn schon so aktiv geworden und was hast du für diese gemacht?
Das Vergnügen der Artwork-Gestaltung im klassischen Sinne hatte ich bisher tatsächlich gar nicht so oft (das ist ja einer der großen Nachteile von Vielseitigkeit, man macht so viel Verschiedenes und irgendwann muss man halt auch noch schlafen). Eins meiner liebsten Projekte war neben der Schubsen EP aber z.B. die “Keep it Simple” Platte der Indie-Surf Band Houseparty (Nürnberg). Wo ich schon öfter meinen Stift angesetzt habe, ist die Plakatgestaltung. Da habe ich z.B. 2019 für das Brückenfestival gearbeitet oder im letzten Jahr den Auftritt für das Explizit Rap Festival konzipiert, ein Wochenende im Z-Bau mit Konzerten und Vorträgen über Deutschrap und den schmalen Grat zwischen Kunst und Diskriminierung. Für den Musikverein Nürnberg durfte ich einige Abende mit einem Poster versehen – ja und textlich habe ich mich in den letzten Jahren z.B. beim Obstwiesenfestival in Ulm am Programmheft beteiligt.
Was für kreative Arbeit machst du denn am liebsten?
Das ist definitiv eine Frage des jeweiligen “Tanks” und ob der gerade mehr oder weniger gefüllt ist. Manchmal fällt es mir leichter visuell zu arbeiten, ein ästhetisch passendes Bild zu schaffen und manchmal liegt mir das Theoretische mehr, das Gedankenschieben, das sich hinter dem Schreiben verbirgt. Deswegen fühlt sich kreatives Arbeiten für mich auch oft ein bisschen nach Pokerspiel an, haha.
Wo holst du dir dafür Inspirationen?
In einem Chaos aus Büchern, Musik, Film, aber auch in Gesprächen mit Freund*innen – um den eben schon genannten Tank zu füllen, brauche ich jedenfalls immer wieder Phasen des “Konsums”, in denen ich mehr Literatur, Musik, kreatives Zeug aufsauge, als selber schaffe. Das ist eigentlich so logisch, ist ja wie atmen, da gilt auch nicht in einer Tour Luft rauslassen. Und trotzdem hat es gedauert, bis ich das gecheckt habe. Mittlerweile übermannt mich nicht jedes Mal die Endzeitstimmung meines Gestalterinnendaseins, nur wenn mal länger nichts mehr aus mir raus kam. Pressure kills!
Lässt du auch politische Themen in deine Arbeiten einfließen?
Ich würde jetzt nicht alle meiner Arbeiten als mitten-ins-Gesicht politisch bezeichnen. Es kommt, falls es ein Auftrag ist, ja auch immer auf den Kontext an. Aber Projekte, mit denen ich Menschen über meinen Alltag und meine Bubble hinaus mit einer feministischen und antidiskriminierenden Message erreichen kann sind mir die liebsten. Vor allem Explizit Rap war so ein Projekt, aber auch Feministisch Biertrinken, ein Veranstaltungsformat des Musikvereins, würde ich dazu zählen. Aktuell arbeite ich an einem freien Videoprojekt zum Thema Spielzeug in der Kindheit und inwiefern unser Liebes- und Lebensentwurf von Barbie bis Disney beeinflusst wird.
Wie siehst du das Thema Gleichberechtigung im Allgemeinen und vor allem auch in der Subkultur?
In einer besseren Welt sollte Gleichberechtigung eigentlich überhaupt kein extra Thema sondern einfach selbstverständlich sein. Es sollte irrelevant sein, ob Mann oder Frau oder Transperson (und wenn von Gleichberechtigung die Rede ist, ist man bei Gender allein ja noch nicht am Ende, in dieser Utopie muss auch Gleichberechtigung hinsichtlich Klasse oder Race herrschen). Die einzig wahre Eintrittskarte zu einer Gruppe sollte die Leidenschaft für ein gemeinsames Thema sein und das Selbstverständnis alle in dieser Gruppe fair und mit gleichen Chancen zu behandeln. Um dieser Utopie näher zu kommen, muss Gleichberechtigung eben immer und immer wieder thematisiert werden. Dabei muss man sich auch regelmäßig selber prüfen (wie viel Musik von weiblichen Künstlerinnen höre ich? Wie viele Regisseurinnen kenne ich?, usw.) In der Subkultur gibt es dafür schon sehr gute Ansätze, im Musikverein Nürnberg z.B. haben wir alle male, female & queer Acts übers Jahr notiert, um ein gerechteres Booking im Blick zu behalten. Ganzheitlich gesehen ist die Subkultur ein Ort, der schon immer frühe Impulse für eine Veränderung der Gesellschaft gegeben hat, denke ich.
Das Thema Sexismus wird ja derzeit mit der #punktoo Bewegung auch wieder in der Punk Szene aufgegriffen. Siehst du dafür eine Notwendigkeit und wieso?
Definitiv sehe ich dafür eine Notwendigkeit. Sexismus bedeutet ja nicht immer nur, dass ein Mann einer Frau an den Arsch grabscht oder sie auf ihren Körper reduziert. Wenn ich mir so anschaue, wie das Geschlechterverhältnis auf dem MP3 Player meiner Teenage-Tage aussah oder das LineUp auf den Festivals, bei denen ich in der ersten Reihe stand, (Überraschung: beides männlich dominiert) dann würde ich das auch als eine Form von Sexismus bezeichnen. Die Frau war so viel öfter in der Rolle des kreischenden Fangirls als wirklich als Musikerin auf der Bühne. Deswegen sind Frauen wie Viv Albertine oder Kathleen Hanna so wichtig! Allerdings sind die dann eben auch gleich die (selbstbezeichneten) Riot Grrrls, die wütend aus der Reihe tanzen.
Wenn man Kathleen Hanna googelt, spuckt Wikipedia im ersten Satz aus “ist eine US-Amerikanische Musikerin, feministische Aktivistin und …” – sucht man nach Kurt Cobain, der eng mit Bikini Kill zusammengearbeitet hat und sich selbst ebenfalls als Feminist bezeichnet hat (auch wenn das nicht wie bei Kathleen Hanna das zentrale Motiv seiner Kunst war), findet man den Begriff im gesamten Wiki-Eintrag nicht einmal.
Heute, weit entfernt von den 90er Jahren, beobachte ich Großartiges: Von Muncie Girls bis Petrol Girls – die Punklandschaft hat heute so viel Gutes zu bieten und macht die Ausrede, dass es zu wenig female Acts zum Hören oder Buchen gibt schlicht und einfach ungültig.
Und da sind wir dann bei einem weiteren ganz wichtigen Punkt: Weibliche Vorbilder Empowerment. Umso ähnlicher dir der Mensch ist, den du bewunderst, desto eher kommst du doch auf die Idee, dir das auch zuzutrauen oder ziehst in Erwägung dich selbst dort zu sehen. Es wird Zeit, dass man als Frau schlicht und einfach auch als Teil der Szene gesehen wird und nicht nur als “One of the Guys”, die coole, die die gleiche Musik hört wie ihre Kumpels und vielleicht Bass spielen darf, vielleicht singt, aber meistens doch eher Backingvocals. In einem sehr ehrlichen, alkoholschwangeren Moment hat ein Freund, der ebenfalls in der Subkultur unterwegs ist, mir gestanden, dass er, wenn er sich selbst mal genau beobachtet, die Meinung und das Wissen seiner männlichen Freunde in puncto Musik ernster nimmt, als wenn ich ihm etwas zeige, dabei haben wir einen ähnlichen Geschmack, das kann doch nicht sein. Oder ein Musiker, den ich mal veranstaltet habe (und eigentlich sehr schätze), sagte über die spanische all-female Indie Rock Band Hinds als die gerade ihr erstes Album released hatten, dass sie technisch nicht sonderlich viel drauf hätten (er selbst ist großer LoFi-Schrammelpunk-Verfechter?!), aber halt vor allem gut aussehen. Solange das noch so ist, brauchen wir definitiv einen Hashtag wie #punktoo.
Gibt es Vorbilder für dich? Warum?
Ha! Die gibt es. Das oben genannte Fangirl war ich schon immer und werde ich auch immer sein. Daran ist ja auch zunächst nichts Verwerfliches, solange es koexistent zur eigenen Selbstverwirklichung (auch abseits der Kunst) ist. Wenn ich jetzt Hendrik Otremba nenne, der malt, schreibt und Musik macht oder Patti Smith, deren Leben und Schaffen für mich das Portrait einer Ära ist, geht es mir beim Begriff Vorbild weniger darum einer Person nachzueifern oder einen gewissen Stil zu preisen. Es ist vielmehr eine Art Dankbarkeit dafür, dass diese Menschen mich mit ihrer Kunst regelmäßig daran erinnern, etwas zu wagen und vor allem dran zu bleiben. Nicht nur am eigenen Ausdruck sondern auch an der Emotion und daran eine poetische und offene Sicht auf die Dinge zu behalten.
Was würdest du gerne mal im künstlerischen Bereich ausprobieren?
Ich liebe die Malereien von Dana Margolin, der Frontfrau von Porridge Radio oder die Sachen von David Shrigley. Das Tolle daran finde ich, dass ihre Motive so simpel rüber kommen, während Malerei erstmal eine Kunstform ist, die ich abgespeichert habe als: “Eine Leinwand kann man nur mit großem Van Gogh’schen Talent beschmieren”. Das ist Quatsch. Beziehungsweise: ich sollte dringend meine Definition von malerischem Talent umschreiben und mich einfach mal dran versuchen.
Da wir uns viel mit dem Thema Vinyl beschäftigen, wäre es interessant zu erfahren ob du selber auch Vinyl sammelst (wenn ja, warum) und was (aus welchem Grund) dein absolutes Lieblingscover ist?
Ich besitze eine kleine feine Vinylsammlung, ja! Meine Lieblingsalben möchte ich als Platte besitzen, nicht nur weil ich die Musiker*innen unterstützen möchte. Ich zelebriere das Zusammenspiel aus Artwork, Musik und Haptik. Außerdem befasse ich mich aufmerksamer mit dem Album als Ganzes. Wenn ich eine Platte auflege, höre ich sie aktiv, lese mal die Lyrics im Booklet und schau mir das Cover genau an. Vinyl bedeutet für mich mehr Wertschätzung als im digitalen Schnelldurchlauf. Ein absolutes Lieblingscover aller Zeiten gibt es wirklich nicht, dafür mag ich viel zu viele. Aber weil wir gerade eben schon bei ihr waren, nenne ich gerne nochmal Dana Margolin, die Ende letzten Jahres ein wunderschönes Gesamtkunstwerk geschaffen hat mit Porridge Radios “Every Bad”.
Dann kommen wir auch schon zum Ende und möchte dir die letzten Worte / Sätze überlassen.
Dranbleiben, Freund*innen. (Und falls ihr denkt es geht nicht mehr, schaut euch dieses Video an: https://www.youtube.com/watch?v=WPzCQm8Qluw)
Lisa im Web: https://www.instagram.com/lisa_closer/
What does the text suggest about the relationship between passion for a common topic and equality within a group?