“V” war eines dieser Alben, die schon etwas länger hier liegen, weil sie zum einen keine*r rezensieren wollte und ich mich nun dem Schreiben der Rezi widme. Das ist aber keineswegs böse gemeint, denn ich freue mich darüber dieses Album und diese Band dann doch entdeckt zu haben. “V” der amerikanisch / neuseeländischen Band Unknown Mortal Orchestra ist das bereits fünfte Album und wurde im März diesen Jahres auf Jagjaguwar veröffentlicht.
Gegründet hat sich die Band um 2010 herum. Ruban Nielson veröffentlichte anonym auf seinem Bandcamp-Profil den Song “Ffunny Ffriends”. Dieser Song ging ordentlich durch die Decke und wurde unter anderem bei Pitchfork gehypt. Auf der Suche nach dem Urheber und der erneuten Veröffentlichung gab Ruben an, dass der Song von Unknown Mortal Orchestra stammt. Er holte sich u.a. seinen Bruder mit in die Band, mit dem er bereits zuvor in einer Band spielte und so ergab sich, dass sie das erste Album bereits 2011 fertig gestellt und veröffentlicht hatten.
Der Opener auf “V”, “The Garden”, schlägt mit sechs Minuten Laufzeit eine Brücke in die Band Unknown Mortal Orchestra, die sie vor gut zehn Jahren waren und der Band Unknown Mortal Orchestra, die sie jetzt sind und beginnt damit schon mal stark.
Die Highlights des Albums sind allerdings Songs, die schon eine Weile auf dem Buckel haben. “Weekend Run” und “That Life”, die ursprünglich 2021 veröffentlicht wurden, zeigen, wie Unknown Mortal Orchestra im Funk wühlen und auf ihrer 70er-Jahre-Ästhetik á la Tame Impala oder Fleetwood Mac aufbauen.
Trotz der optimistischen Klänge bei “That Life” deutet der Text auf etwas Negatives hin, das im Schatten der Sonne lauert. “Brother of cocaine, a tequila son-in-law / End of the world today”, singt Neilson und deutet damit an, dass dort, wo es Freude und Eskapismus gibt, Dunkelheit und Verdammnis nie weit entfernt sind.
“Weekend Run” dagegen ist etwas poppiger, denn der Song dümpelt vor sich hin, als wäre er von Pharrell Williams produziert worden und Flea von den Red Hot Chili Peppers hätte seinen funky Bass dazu geschwungen. Eskapismus ist wieder einmal das Thema des Songs, wenn Neilson singt: “When the weekend comes / Yeah, we’ll be lost in love”, über einer schrillen Gitarre und einem gleichmäßigen Rhythmus, der auch auf einem Harry Styles-Album nicht fehl am Platz wäre. Es ist eine Freude, eine Band zu hören, die sich auf diese Weise öffnet.
Während die erste Hälfte von “V” mehr Funk ist, wendet sich Seite B in dramatischeres Balladen-Territorium mit “Nadja”, wo Unknown Mortal Orchestra mit obsessiver Melancholie über einige von Neilsons dunkelsten und seltsamsten Texten kämpfen, die eine Liebe vermitteln, die gefährlich exzessiv wird: “Nadja baby / Found a strand of your hair and ate it / Couldn’t throw away this thing you left behind”.
Das Opus der Band ist vielleicht “I Killed Captain Cook”, ein akustisches Stück, in dem Neilsons Songwriting am ambitioniertesten ist. Der Song erzählt die Geschichte des kolonisierenden James Cook aus der Sicht des Hawaiianers, der ihn tötete, nachdem er versucht hatte, den regierenden Häuptling der Insel in Geiselhaft zu nehmen. Dann kamen immer mehr Siedler auf die Insel, mit ihnen die ersten Krankheiten, dann kamen die Missionare in die Region, usw. Das alles hat dann letztendlich dazu geführt, dass eine bis dahin autarke Gesellschaft ihre Unabhängigkeit verloren und eine Entfremdung erlebt hat. Der Song, der die Geschichte mit traditioneller hawaiianischer Volksmusik erzählt, ist eine rührende Hommage an Nielsons Vorfahren.
Nachdem mir das Album in den ersten Hörproben nicht zusagte, und ich doch eher gelangweilt war, als ich das Album zum ersten Mal hörte, gefällt es mir von Mal zu Mal immer mehr. Es ist eines dieser Alben, die sich entfalten müssen. Ich wage nicht daran zu zweifeln, dass das Album ihr wahrscheinlich bestes Album ist. Sicher weiß ich es erst, wenn ich mir ihre Diskografie zu Gemüte geführt habe. Sie machen extravagante Musik, die nicht für jede*n Hörer*In geeignet erscheint, aber es loht sich, es zu probieren!
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Viel Spaß beim Hören und Entdecken!