Ich habe heute gelesen, dass der spanische Schinken Jamón Iberico zum einen sehr teuer ist – Preise von deutlich über 100 Euro pro Kilogramm sind da keine Seltenheit – und zum anderen aber auch in der Herstellung durchaus sehr schwierig. Die iberischen Schweine dürfen die ersten zwei Jahre völlig frei zwischen den Eichen- und Korkbäumen herumlaufen. Erst danach werden die Tiere mit Eicheln gefüttert, um diesen speziellen nussigen Geschmack zu erhalten. Zudem ist es eine Kunst, den bis zu fünf Jahre an der Luft getrockneten Schinken so in hauchdünne Scheiben zu schneiden, das genau der richtige Anteil Schinken und Fett entsteht. Denn nur dann wird sich der Schinken fast von alleine im Mund auflösen. Das ist der perfekte Schinken, so wie ihn die Spanier am liebsten mögen.
Warum erzähle ich das? Zum einen würde die Musik des HUG#1-Samplers sehr gut zu einem Tapas-Essen in Andalusien irgendwo auf einer Finca passen. Und zum anderen ist es mit guten und sehr guten Sammlern wie mit dem Schinken. Erst wenn alles paßt und richtig zubereitet ist, erlebt man den perfekten Genuß. Und Leute, auch da bin ich hintergekommen. Was ist an einem Sampler wichtig, der sich mit Deep House, Downtempo und Minimal Techno auseinandersetzt? Es ist der Flow! Der Flow muss stimmen, damit sich der Hörer dem Erlebnis völlig hingeben kann. Und das ist dem Macher des Sampler Tillmann Wasser aus meiner Sicht sehr gut gelungen.
Alle Tracks verbreiten eine gewisse Lässigkeit, hier hat es niemand eilig und so wundert es nicht, das kein Song unter fünf Minuten läuft. Und man entdeckt bei jedem der Tracks eine kleine Zutat, die das Ganze zum Genuß werden lassen. Der Opener “Un tren sumergido” von Monte Organica hat am Anfang so eine Phase, wo man durch die ganzen Klangcollagen nicht so genau weiß, wo will der Song eigentlich hin. Dann aber entsteht ein chilliger Rhythmus und der Zug nimmt Fahrt auf. Im über acht Minuten langen Nachfolger “Fisuras” von Derrok habe ich den Eindruck, einmal durch den Dschungel und zurück zu gehen. So viele Geräusche und Klänge bilden einen so bunten Teppich, der durch Basslinien untermalt wird. Wunderschön.
Burkamina mit “Animal Trainer” steigt schön mit minimalem Saxofon ein und streut Text-Samples ein. Das hat was! Und das sich dauernd wiederholende Saxofon schraubt sich gemächlich in die Hirnrinde. “We wisch we were in Miami” von Marcel Puntheller feat. Wolfgang Schotter starten mit Minimal-Beat und eingestreuten Gitarrenriffs, die sich über Songlänge immer wieder als Fetzen wiederfinden. Niju mit “Kara Komunonuno” startet mit einem sehr gelungenem Effekt, ein Beat, der sich langsam ausschaufelt, bis er sein Tempo gefunden hat. Der Song hat so einen asiatischen Touch, der durch entsprechende Klangfetzen und Synthiefetzen noch verstärkt wird. Kotoe präsentiert danach mit “Urucum” einen Song, der mit monotoner Trommel startet und im Hintergrund einen Regenwald vor die Augen des Hörers zaubert. Hier zierpt und fiept es, wie in der Natur. Dazwischen werden Textcollagen eingespielt. Einer der interessantesten Songs wie ich finde. India & Urem starten “Orixa” mit einem Testsample (Spanisch?, Brasilianisch? Portugiesisch?), welches sich über den gesamten durch Synthie-Beat und wechselnde Klangteppiche zieht. Am Ende ein echtes Highlight, wie ich finde ist Aio-Musihc mit “Aio – Dune”, ein über acht Minuten langer Song, der sich sachte aufbaut, wie Wind in der Wüste. Dann folgen dunkle, sehr dunkle Synthieklänge, während der Grundrhythmus einfach weitermacht. Dieses Motiv wieder dann in unterschiedlichen Tonhöhen wiederholt. Sehr spät setzen dann durchaus fröhlichere Klänge ein. Ich finde den Song aufgrund des ruhigen Aufbaus sehr gelungen.
Auch wenn der Sampler bereits aus dem Jahre 2019 ist, kann ich ihm jeden ans Herz legen, denn wie gesagt ist er in Zubereitung und Qualität ein echter Jarbón Iberico – also ein Träumchen für die Sinne. Den Sampler bezieht ihr am einfachsten über das Label.