Kaum zu glauben, Very Paranoia haben sich erst 2018 gegründet. Dabei klingt die Band, als wäre sie ein Relikt aus längst vergangenen Tagen. Tage, in denen man noch eine Vorstellung vom musikalischen Schaffen einer Band hatte, wenn sie sich selbst Rock’n’Roll schimpfte. Tage, in denen dieser Begriff noch nicht von SWR3-Mainstream-Popstars missbraucht wurde, sondern tatsächlich noch für Blut, Schweiß und Tränen stand. Liest man jedoch das mit Liebe gemachte Very Paranoia-Fanzine, das dem selbst betitelten Debüt beiliegt, so wird schnell klar, dass die vier Jungs aus Frisco an sich Relikte aus diesen Tagen sind.
Ihre Freundschaft besteht teilweise seit Jahrzehnten aus nur einem Grund: der Liebe zur Musik, oder besser zum Rock’n’Roll. Und zum Underground. Tausende von Stunden hätten sie damit verbracht, zusammen rumzuhängen, zu feiern und vor allem, um Musik zu hören. ‘Tschuldigung, Rock’n’Roll zu hören. Die Initialzündung zur Gründung von Very Paranoia sei laut Gitarrist Rob Alper seine damals neueste Rock’n’Roll-Entdeckung Power aus Australien gewesen. Diese hätten ihn dazu getrieben, seine vielfach banderfahrenen Mitstreiter für sein neuestes Bandprojekt zusammen zu trommeln.
Da wird dann auch direkt klar, aus welchem Holz die Mannen von Very Paranoia geschnitzt zu sein scheinen. Während andere Bands oder bandähnliche Konzepte sich gründen, um so erfolgreich wie Linkin Park oder meinetwegen Tokio Hotel zu werden, lassen Very Paranoia sich von einer Band inspirieren, für die es vermutlich mehr als ein Riesenerfolg wäre, sollte sie jemals außerhalb von Down Under touren können (sollten sie das bereits getan haben, dann herzlichen Glückwunsch!). Nicht der (finanzielle) Erfolg gibt die Messlatte vor, sondern die Liebe zum Rock’n’Roll, seinem Lifestyle und allem was wirklich dazu gehört. Jungs, ihr seid mir sehr sympathisch! Das ist die Motivation, die gute Platten entstehen lässt!
Und genau das gilt es nun zu überprüfen. Nach meinen bisherigen Ausführungen dürfte so grob klar sein, was uns auf Very Paranoias Debüt erwartet. Rock’n’Roller der alten Schule, hallo. Ja, ihr seid gemeint. Ihr steht doch auf Dead Moon, die Stooges, (Impatient) Youth, The Replacements, Dumbell, vielleicht auch auf die New Bomb Turks?
Na also, wusst ich’s doch! Auf euch ist halt Verlass! Ihr könnt euren ollen Kamellen ein bisschen frischen Wind beimischen. Dabei sind eure ollen Kamellen natürlich weiterhin zeitlos und genial gleichermaßen und die frische Brise auch nur so frisch, wie sie hätte meinetwegen 1979 auch schon hätte sein können. In minimalistischem und leicht fuzzigen Soundgewand dröhnen uns Very Paranoia zwölf Rocksongs in der uns vertrauten Machart entgegen. Strophe, Refrain, Strophe, Refrain, Solo, Refrain, aus. Ein altbewährtes Muster, für immer funktionierend. Will sagen, Überraschungen gibt’s hier keine und das ist auch gut so! Schließlich wollen wir unseren Rock’n’Roll so, wie wir ihn kennen. In drei Tagen live aufgenommen und direkt abgemischt, lediglich ein paar Gitarren- und Gesang-Overdubs. Herrlich. Alles andere wäre auch Stilbruch gewesen.
Zusammen mit dem ebenfalls recht minimalistischen Artwork ergibt sich hier ein absolut authentisches Gesamtkunstwerk, das in seiner charmanten Nostalgie einen (mir) willkommenen Gegenpol zu unserer modernen höher-schneller-weiter-Zeit bildet. Nicht die Sensation, sondern die Bodenständigkeit. Nicht die High-End Produktion, sondern eine Aufnahme mit Ecken und Kanten. Das sind Very Paranoia und das macht sie absolut empfehlenswert für alle Rock’n’Roller. Kaufen kann man die Scheibe direkt beim verantwortlichen Label Who Can You Trust? Records, also hier.