Hallo, da bin ich wieder. Wie bereits im Februar angekündigt, habe ich vor, in halbwegs regelmäßigen Abständen ein kleines Format in unserem Vinylkeks zu veröffentlichen, welches 3 Platten für die Ewigkeit heißt (Hier! geht’s zur Pilotfolge und allen Infos die ihr wissen müsst). Heute ist es, nach zugegeben einer langen Zeit, endlich soweit und ich habe mir mit Vinne den ersten Gast in meine kleine Rubrik geholt. Wir haben etwas über das Störfaktor Festival schwadroniert, das Leben in subkulturellen Strukturen in Sachsen, Dixie-Klo-Romantik und natürlich hat er mir auch seine 3 Platten für die Ewigkeit mitgeteilt. Viel Spaß beim Lesen!
Hallo Vinne, schön dass es heute klappt nach zugegeben ein paar Anläufen, an denen ich nicht unschuldig bin. Stell dich doch unseren Leser*innen mal kurz vor.
Ja Hallo! Ich bin der Vinne, komme aus Zwickau und bin 29 Jahre alt. Ich engagiere mich im Roter Baum e.V. Zwickau, welcher wiederum das Störfaktor Festival in Zwickau veranstaltet. Darüber hinaus betreiben wir momentan anderthalb Clubs in Zwickau, die Barrikade und momentan arbeiten wir daran, noch einen zweiten, größeren Club auszubauen – dazu aber an späterer Stelle Genaueres, wenn alles fertig ist, ihr könnt euch aber den Namen Vendetta Rosso schonmal vormerken!
Uns beide verbindet ja, dass wir aus einer Gegend kommen, in der es nicht unbedingt bequem ist, als Punk oder Antifaschist*in öffentlich in Erscheinung zu treten. Mir ist es, auch redaktionell, schon passiert, dass ich mich erklären musste, warum ich es nicht so toll finde, wenn auf einem an mich adressierten Paket ein großer ”antifaschistische Aktion”-Aufkleber klebt. Zwickau hat ja leider deutschlandweite Bekanntheit erlangt, sei es wegen des NSU oder anderen Gruppierungen und trägt ja ein wenig den Ruf als ”Nazihochburg”. Wie war es für dich in Zwickau aufzuwachsen und wie sieht dein Alltag aus als ein Mensch der Punksubkultur, der sich obendrein noch in einem Verein wie dem Roter Baum e.V. engagiert?
Dazu muss ich sagen, dass ich gar nicht ursprünglich aus Zwickau stamme, sondern aus einem kleinen Nest aus dem Erzgebirge. Ich selbst bin erst vor 7 Jahren nach Zwickau gezogen, was auch daran lag, dass ich mit meiner alten Band Totalverdummung, einen Proberaum in der Barrikade gefunden hatte und darüber dann langsam auch beim Störfaktor mitgemacht habe. Wir hatten einfach Lust, selber etwas zu organisieren und nicht im Dorf auf Dorffeste zu gehen, weil mal ausnahmsweise eine gute Band gespielt hat und dort dann trotzdem auf die Dorf-Faschos zu treffen.
Ehrlicherweise muss ich sagen, dass man zwar viel Schlechtes hört über Zwickau, gerade in Hinsicht auf den dritten Weg oder den NSU, was auch eine Zeit lang wirklich krass in Zwickau war. Momentan fühlt es sich aber für mich etwas ruhiger an, da momentan halt eher die Querdenker, Freien Sachsen und die ganzen Idioten durch die Straßen ziehen und der militante Teil gerade etwas ruhiger geworden ist. Vor so etwa 2-3 Jahren, etwa zum Anfang der Coronazeit war es allerdings wirklich krass, was in Zwickau abging. Mich hat es eher nicht getroffen, auch wenn ich Vorsitzender des Vereins bin – andere wie beispielsweise die DIY-Druckbar hatten da weniger Glück, denen wurden öfter mal die Scheiben zerschlagen. Man muss aber auch sagen, dass man jetzt nicht unbedingt mit aufgestelltem Irokese und Nietenjacke durch die Straßen läuft, sondern schon versucht, etwas unauffälliger unterwegs zu sein – schwarze Jacke an, Kapuze auf, da erkennt dich erstmal keiner. Aber ich denke, so wird es vielen in Sachsen gehen. Es ist auch immer besser mit ein paar Leuten mehr unterwegs zu sein.
Ich war beispielsweise mit Kitchen-Riot letztes Jahr in Westdeutschland unterwegs und bin da mit Menschen ins Gespräch gekommen über das Störfaktor-Festival und da war dann schnell die Kernaussage: Zwickau klingt und ist total gefährlich, das ist totales Nazigebiet, ich habe keine Lust verdroschen zu werden. So gefährlich, wie sich das manche ausmalen, ist es nicht. Uns ist noch kein Fall bekannt, in dem es zu einer Auseinandersetzung mit Nazis auf oder um das Störfaktor-Festival kam.
Ja, ich muss auch sagen, dass ich es schade finde, dass Menschen wie ihr dann so im Stich gelassen werdet, die wenigstens in Regionen, in denen es unbequem wird, noch dafür sorgen, dass es eine Gegenstimme und einen Zufluchtsort für Menschen gibt, die Bock auf Subkultur haben.
Ja. Ich hatte letztens beim 100 Kilo Herz Konzert im Alten Gasometer (Hier! ist der Konzertbericht) auch ein Gespräch mit Leuten aus Leipzig, die gesagt haben – zieh doch nach Leipzig! Aber das kann doch nicht die Lösung sein, dass wir das einfach so hinnehmen und es dann immer mehr braune Flecken auf der Landkarte gibt.
Wie läuft es denn bei euch mit dem Störfaktor? Könnt ihr da alles in Ruhe organisieren oder werden euch da aus der Politik immer mal ein paar Steine in den Weg gelegt?
Naja, der Name Störfaktor kommt ja nicht von ungefähr. Wir standen mit dem Vorgänger des Festivals, was nur ein Punk- und Skinheadtreffen war, auf einer Liste des Stadtrates, der in etwa den Namen ”Störfaktoren in Zwickau” getragen hat. Steine in den Weg gelegt wurden uns bisher nicht unbedingt, da gab’s nur mal ein paar Sachen, in denen die AfD versucht hat, mit schlecht recherchierten Beweisen uns Fördergelder streitig zu machen, aber das ist ja nichts Neues. Das einzige, was wirklich jedes Jahr wieder ein Krampf ist, ist das Beantragen der Sondergenehmigungen, dass wir über 22 Uhr hinaus laut sein dürfen. Das fing mal mit 3 Seiten Papierkram an und sind mittlerweile knapp 20 Seiten Antrag. Die Bürokratie nervt schon ein wenig.
Kommen wir doch mal zur ersten Platte, was hast du denn Schönes mitgebracht?
Die erste Platte, die ich hier erwähnen möchte, ist von den Dropkick Murphys und zwar die Blackout. Ich bin ein großer Fan von Folk-Punk und Dropkick Murphys sind da einfach ein Klassiker. Gekommen zu der Band und dem Album bin ich durch meine Tante. Die brachte zu einer Feier einen neuen Freund mit, welcher Skinhead war und ein Shirt der Band trug, welche ich vorher schon in der Schule gesehen hatte und daraufhin hab ich mir die Musik mal angehört und mich auf Familienfeiern mit dem schon angesprochenen Freund über die Musik unterhalten und schon hatte ich eine Stapel CD’s und noch eine DVD. Mittlerweile finde ich die musikalische Entwicklung nicht mehr so prickelnd, das Blackout Album zaubert mir aber immer wieder ein Lächeln ins Gesicht, wenn ich es anhöre. Ich würde auch sagen, dass Dropkick Murphys eine der Bands ist, die mich in den Punkrockbann gezogen haben. Lieder, die ich jedem empfehlen kann, sind: Worker’s Song, As One, Fields of Athenry oder Bastards on Parade.
Kommen wir doch nochmal zurück zum Störfaktor Festival. Du hast ja bereits gesagt, dass euch der Name quasi in den Schoß gelegt wurde. Gib doch mal kurz einen Abriss über die Entstehung des Festivals.
Angefangen hat das ganze wie gesagt als Punk- und Skinheadtreffen, die es zu der Zeit eigentlich in jeder größeren Stadt gab, und fand am Schwanenteich in Zwickau statt für 3 Jahre. Mit der Zeit kamen dann noch Toiletten dazu, verschiedene Leute hatten sich gewünscht, dort zu zelten. Das war der Punkt, an dem wir auf den Flugplatz Zwickau umgezogen sind – ne erste richtige Bühne, selbstgebaute Buden, die irgendwie aus Spanplatten zusammengeschustert wurden und fast Weihnachtsmarkt-Charakter hatten. Ab da ist dann das Störfaktor immer weiter gewachsen, irgendwann kam noch ein Zelt dazu, irgendwann wurde es ein 2-Tage Festival, dann 3, irgendwann haben wir noch Vorträge gemacht usw.
Gleichzeitig hat sich unser Verein reaktiviert und so ist das Störfaktor-Festival mit dem Roter Baum e.V. Zwickau verwachsen.
Fällt dir noch irgendeine lustige Anekdote ein aus der Vergangenheit?
Ja! Wir hatten ein Jahr mal einen geheimen Headliner auf unserem Flyer stehen. Da haben sich im Vorfeld die Leute verrückt gemacht und haben uns auch in regelmäßigen Abständen gefragt, wer das denn ist. Heiß gehandelt wurde zu der Zeit Feine Sahne Fischfilet. Im Endeffekt waren es aber Klostein, die sich als Manowar verkleidet hatten und zu dem ewig langen Intro von Warriors of the World auf die Bühne gekommen sind. Das Zelt war so derartig vernebelt, dass man nicht erkennen konnte, wer da gerade die Bühne betritt. Anschließend haben die sich noch mit einer großen Flasche Pfeffi und ‘ner Magnum Flasche Champagner feiern lassen. Das war wirklich witzig.
Das klingt wirklich nach einem guten Auftritt! Kommen wir doch zur zweiten Platte, was hast du noch dabei?
NOFX mit Wolves in Wolves’ Clothing. Das ist eine weitere Platte, an der ich mich nicht todhören kann, was ein Grund ist, warum ich die ausgewählt habe. Kleine Anekdote dazu: Die Platte habe ich in einem Plattenladen in Prag gekauft, auf Krücken. Kurz davor waren wir auf einer Anti-Pegida Demonstration in Aue, auf der ich mir beim Flüchten vor den Menschen in Blau die Bänder gerissen habe. Das verbinde ich irgendwie mit der Platte. Meine Lieblingslieder auf der Platte sind beispielsweise Seeing Double at the Tripple Rock, Usa-Holes oder Leaving Jesusland.
Wie habt ihr das Störfaktor 2022 als Team empfunden?
Nervenaufreibend, um es kurz zu machen. Wir haben ja mehrere Jahre, wie alle, darauf entgegengefiebert, dass es wieder stattfinden kann. Dementsprechend waren wir eigentlich entspannt. 4 Wochen vor dem Festival, als wir endlich wussten, dass es stattfinden kann, ist uns dann aber erstmal aufgefallen, was noch alles erledigt werden muss. Wir hatten uns irgendwie darauf verlassen, dass wie vor der Unterbrechung ein Rad ins andere greift, das war aber irgendwie nicht so, was dazu geführt hat, dass wir ganz schön ins Schwitzen gekommen sind. Dann waren es leider weniger Besucher als erwartet. Und das Wetter hatte ja auch irgendwie was gegen uns. Beim Aufbau haben wir geschwitzt und jeder von uns hat sich einen ordentlichen Sonnenbrand abgeholt. Samstag mussten wir dann ja sogar umplanen, weil unsere Bühne und die damit verbundene Anlage bei dem Gewitterguss ordentlich abgesoffen ist. Zwischenzeitlich hatten wir sogar Angst, dass sich unser Zelt verabschiedet.
Was ja gerade leider ein großes Thema ist, sind ja die aktuellen Preisentwicklungen. Inwiefern beeinträchtigen die euch für dieses Jahr?
Wir hatten dieses Jahr wirklich eine lange Diskussion rund um den Start des Vorverkaufs und haben wirklich lange hin und her kalkuliert. Einerseits wollen wir natürlich, dass das Festival bezahlbar bleibt, andererseits wollen wir auch nicht, dass sich die Situation aus dem letzten Jahr wiederholt, sondern wir am Ende des Wochenendes beruhigt eine schwarze Null als Bilanz ziehen können. Das Early-Bird Ticket ging ja für unter 40 Euro weg, was, finde ich, ein sehr guter Preis ist für ein 3-tägiges Festival. Ganz ohne Preissteigerungen kommen aber auch wir nichts aus, so ist das normale VVK-Ticket etwas teurer geworden, die Abendkasse wird etwas teurer und auch bei den Getränken werden wir ein wenig aufschlagen müssen – aber keine Sorge, das Sternburg bleibt weiterhin bei 2€.
Wir werden auch dieses Jahr wieder ein wenig wachsen. Im Gegensatz zum letzten Jahr haben wir nochmal 8 Bands mehr im Line-Up, was dazu führt, dass wir bereits am Nachmittag anfangen werden mit Live-Musik. Wir machen dieses Jahr auch weitaus mehr Werbung als in den vergangenen Jahren. Mittlerweile haben wir auch einzelne Arbeitsgruppen, die sich einmal im Monat treffen und ihre Aufgaben ernst nehmen.
Also wird das Störfaktor 2023 ein Stück weit größer und professioneller?
Würde ich auch so sagen. Wir haben dieses Jahr zum Beispiel auch ein richtiges Political-Tent. Da sollen dann vormittags mal Vorträge gehalten werden, Filme gezeigt werden und ähnliches, einfach um dem Ganzen auch noch ein wenig politische Bildung zu geben. Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass wir dieses Jahr zum ersten Mal richtige Toiletten haben und keine Dixies, ebenso haben wir das erste Mal warme Duschen.
Ordentliche Toiletten? Spitze! Punkrock in allen Ehren, aber es kann mir keiner erzählen, dass es ein Vergnügen ist, Sonntagfrüh auf ein Dixie-Klo gehen zu müssen!
(Lacht) Ja, das ist richtig! Ich denke, damit sorgen wir noch für etwas Mehrwert und haben, finde ich, da einen guten Deal gemacht, da die nach unserer Veranstaltung gleich stehen bleiben können für die nächste Veranstaltung auf dem Flugplatz.
Kommen wir doch mal zu deiner 3.ten Platte für die Ewigkeit.
Die ist von Talco und trägt den Titel And the Winner isn’t. Mit der Band hat mich Maxe von Kitchen-Riot infiziert und die ist mittlerweile wirklich zu einer Sucht geworden. Wir sind mittlerweile sogar schon zu Auftritten von Talco ins Ausland geflogen. Talco kannte ich gar nicht, bis ich das Album gehört habe und dann dachte ich nur – Ach du Scheiße! – und ab dann lief es rauf und runter. Gute-Laune-Musik pur, wenn du schlechte Laune hast, legst du die Platte auf und kannst gar keine schlechte Laune mehr haben. Lieder die mir hier besonders gut gefallen sind zum Beispiel Onda immobile oder Domingo Road.
Perfekt. Hast du noch ein paar letzte Worte die du an unsere Leser*innen richten möchtest?
Ja. Geht bitte endlich wieder auf Konzerte. Ihr müsst nicht überall Vorverkaufskarten kaufen, das kann ich verstehen, aber gerade auf Festivals wäre das gut, die Menschen da sind darauf angewiesen und können so besser planen. Unterstützt weiter die Subkultur, die meisten machen das nämlich nicht, weil sie sich daran bereichern wollen, sondern mit Herzblut und das ist mehr als unterstützenswert.
Danke für deine Zeit Vinne und für das schöne Gespräch! Schönen Abend dir noch!
Danke! War cool ne Runde zu quatschen, bis spätestens zum Störfaktor!
Wer jetzt Lust haben sollte auf das Störfaktor Festival, dem sei gesagt, dass es immer noch genügend Karten im VVK gibt. Mit Bands wie Loikaemie, Alarmsignal und vielen anderen tollen Bands weiß das Festival, welches ein wunderbares Wohlfühlklima bietet zu überzeugen.
Hier! könnt ihr also am besten sofort eure Tickets bestellen.
Bis bald zur nächsten Ausgabe von 3 Platten für die Ewigkeit.