Die Liste der Schweizer Metal-Bands ist übersichtlich. Vermutlich hat jedes skandinavische Nest mehr Metal Bands als die Eidgenossen. Aber es gibt feine, glitzernde Diamanten in der samtenen Auslage wie Celtic Frost, Lacrimosa oder Zeal & Ardor. Mit Beyond Dystopia geht ein neuer Stern am Schweizer Metal-Himmel auf.
Seit ihrer Kindheit machen Basil (git/vov) und Pascal (Drums) Musik. Sam (bass/voc) kam später dazu und das Trio Beyond Dystopia war geboren. Vermutlich aus Thun oder Umgebung stammend, haben Beyond Dystopia ihre Wurzel in einer Landschaft, in der andere Menschen Urlaub machen. Am Thuner See gelegen, umrahmt von Bergen, würde man vermuten, dass hier eher Volksmusik gemacht wird. Aber weit gefehlt. Von hier stammen schneidende Riffs, brutale Drums und ein Zwei-Stimmen-Gesang, der das Wasser des Sees gefrieren lässt.
Im Jahr 2020 begannen sie mit der Arbeit an ihrem ersten Full-Length-Album und buchten Studiozeit mit David Castillo (Arch Enemy, Sepultura u.a.) in den Fascination Studios / Studio Gröndahl in Stockholm. Um dieses Projekt zu stemmen, haben Beyond Dystopia 5.000 CHF per crowd funding eingesammelt. Das Geld wurde gut angelegt und das Debüt “Beyond Dystopia” erschien im November 2022. Man kann wirklich von Glück sagen, dass das Trio statt der nahe gelegenen Alphörner, sich für die Metal-Instrumentierung entschieden hat. Die Welt wäre um ein überzeugendes Debütalbum ärmer, wie man im folgenden Text sehen wird.
Das Erfolgsrezept ist die Polarität zwischen den variantenreichen Vocal-Parts sowie den Melodien und Rhythmen. So entsteht ein Sound, der seine Wurzeln im Progressive Metal/ Rock, Death Metal und Modern Metal hat. Diese Paletten sorgt für einen Farbenvielfalt bei Beyond Dystopia, mit der sie sich von anderen Bands positiv abheben.
Klassisch eröffnet die erste Singleauskopplung “Myselves” das Album. Beachtenswert ist das Thema aus “Myselves”. Nach dem große Idole der Band durch Suizid oder Drogen gestorben sind, verarbeiten Beyond Dystopia im Song ihre Fassungslosigkeit und Hilflosigkeit. Zusätzlich wollen Beyond Dystopia auf das Tabu-Thema Mentale Gesundheit hinweisen. Das in Interlaken (zwischen dem Thuner und Brienzer See gelegen und wie Thun eine sehenswerte Stadt) produzierte Video zeigt deswegen eine Protagonisten mit gespaltener Persönlichkeit.
Musikalisch brilliert “Myselves” startet mit einer düsteren Getragenheit. Der Gesang ist gefühlvoll, gelegentliche Growls, dann kommen die Drums und Bass und Gitarre. Hintenraus werden die Riffs immer druckvoller, energetischer und metallener.
Der zweite Track “Virus” ist die zweite Single aus “Beyond Dystopia”. Thematisch handelt “Virus” ebenfalls die psychische Gesundheit ab. Der Songaufbau hat ein ähnliches Muster wie “Myselves”. Allerdings gibt es einen markanten Unterschied. Die Bass-Drums-Attacken sind schon sehr dominant. Über dem brachialen Finale, explodierende Drums feuern ihre Salven ab, die Riffs tanzen wie Derwische und darüber liegt der hymnenhafte Gesang.
Wir springen auf die B-Seite bis zu “The Void”, denn dieser Song beschäftigt sich ebenfalls mit der psychischen Gesundheit. Das musikalische Strickmuster ist bewährt: ein Wetterbericht, der auf Drumgewitter hinweist, brachiale, zornige Gesänge mal als Klargesang, mal als Growl. Dazu gute Arbeit der Saiten-Fraktion: Bass und Gitarre.
So geht es über die gesamte Länge des Albums erfolgreich weiter. Die insgesamt zehn Songs auf “Beyond Dystopia” behandeln neben der mentalen Gesundheit weitere sperrige Themen, der Albumtitel lässt es vermuten, wie Krieg und Flucht oder ein schaurig-schönes Techtelmechtel .
Musikalisch setzen Beyond Dystopia die Themen sehr clever in entsprechende Atmosphäre um. Die Tracks stecken voller Energie, hymnenhaften Gesängen sowie Tempowechsel, die geschickt mal die Dynamik befeuern und mal auf die Bremse treten. Die emotionale Welt von “Beyond Dystopia” ist für Düster-Romantiker. Zwischen all dem Hass, Rage und Wut, hebt die Band den Vorhang der Dystopie und lässt einen Hoffnungsschimmer, einen Funken Zuversicht und Wärme in das Auditorium.
Vergleiche zu ziehen ist immer schwierig und sehr subjektiv. Aber müsste ich bei Beyond Dystopia Vergleiche anstellen, würden mir spontan Bullet for my Valentine, In Flames oder Limp Bizkit einfallen. Wer mit dem beschriebenen Sound und der Atmosphäre etwas anfangen kann, sollte “Beyond Dystopia” eine Chance geben. Er bekommt ein überraschend reifes Album, das mit zunehmender Zeit sich immer mehr anschmiegt und zum liebgewinnen Begleiter wird.
Bestellen könnt ihr “Beyond Dystopia” als mp3-Version bei Amazon oder als Vinyl bei rockawaybeach. Wer Beyond Dystopia live sehen möchte, kann das am 5. und 6. Mai im Judihui in Brienz machen. Eine tolle Landschaft gibt es kostenlos dabei.
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