Hier kommt noch einmal ein fetter Rutsch mit Bildern vom dritten Female Fronted is not a Genre Festival #3 garniert mit Worten schwarz auf weiß.
Gebt’s zu, ihr dachtet, das war’s jetzt mit den Festivalberichten und Interviews rund um das Female Fronted is not a Genre Festival #3 vom 18.10.24. Nein, ganz und gar nicht! Weiter geht’s jetzt nach meinem Interview im Plastic Bomb #129 mit Gero aus dem SO36 Berlin, der Initiatorin des Festivals. Dort hatte ich bereits ein paar Bilder in schwarz-weiß geliefert. Jetzt kommt Farbe für den online Vinyl-Keks! Der Keks möchte auch ein Stück vom Kuchen sein. Und das serviere ich euch nun mit schönen bunten Bildern.
Wieder mal hat Gero hier ein fettes Line Up zusammengestellt aus Newcomer*innen und bekannten Headliner*innen: Wick Bambix, Trëmøre, Kill Her First, Saint Agnes, Messed Up, Still Talk.
Gero packt an und setzt etwas um für ihre persönliche Future Version von einer Gesellschaft, in der allen gleichermaßen der Space auf der Bühne gehört. Deshalb hat sie beim Booking drauf geachtet, dass die Bands gemischt sind. Wir haben alle Großväter, Väter, Brüder, Söhne, Freunde und Kollegen und natürlich mögen wir die coolen Dudes dabei haben. Selbstverständlich gibt’s ein Awarenesskonzept im SO36, denn es wird dadurch versucht, dass alle hier ihren Spaß haben können. Alle ist natürlich vollkommen utopisch und so heißt es: „Das SO36 wendet sich gegen jede Form von sexistischen, rassistischen oder homophoben Äußerungen oder Handlungen.“ Wen das ausgrenzt, der findet’s vielleicht eh besser mit dem Marsshuttle davonzufliegen, als zu den Shows ins SO36 zu gehen. Übrigens ist die Venus für solche Trips zu heiß und das ist gut so.
Das SO36 ist jedenfalls gut gefüllt heute mit gemischtem Publikum. Jung, alt, FLINTA, cis-Dudes und dazwischen sind Rollstuhlfahre*innen unterwegs. Es ist gut gefüllt, denn bereits im Vorverkauf wurden viele Tickets verkauft. Alles richtig gemacht, Gero! Aber reicht das SO36 dann überhaupt noch aus für das Female Fronted is not a Genre #4 in 2025, wenn die Beliebtheit so steil wächst? Abwarten, wir werden es dieses Jahr erleben.
Zu Beginn dann leider erst einmal die Nachricht, dass die vier jungen FLINTA von Messed Up aus Warschau nicht auftreten können.
Dann tritt der erste Act auf die Bühne. Entgegen ihrer Absicht, wie Gero im Interview angekündigt hatte, kommt doch nicht die härteste Band als Opener. Sie hat sich kurzfristig umentschieden und die Reihenfolge geändert. Den Auftakt auf der Bühne macht Wick Bambix. Jawoll, die Frontfrau des guten, alten Punkrock Schlachtschiffs Bambix aus den Niederlanden.

Wilden Punkrock hat Wick Bambix aber so gar nicht mehr im Gepäck, dafür aber ihr zweites Accoustic Punk Folk Album „When Things Grow Teeth“, erschienen bei Rookie Records (Review hier). Wick tritt auf mit Gesang und Gitarre, begleitet nur durch einen Bassgitarristen. Ausnahmen bestätigen die Regel, was das Genre angeht und so funktioniert hier auch Folk Punk statt Hardcore gut. Wer jetzt dachte, dass das Hardcore-Publikum keinen Spaß an solchen Auftritten hätte, täuscht sich. Richtig, mittlerweile haben sich viele nach Wick Bambix zweitem Akustik-Album daran gewöhnt, dass die schnellen Punkrockzeiten auf der Bühne zwar vorbei sind, aber sie dafür eine neue Show am Start hat. Wick holt uns ab mit ihrer Leidenschaft, sodass wir gebannt stehen bleiben und lauschen. Fehlt nur noch das Lagerfeuer! Als der Bassist seine Bassgitarre gegen ein Banjo tauscht, beweist Team Wick Bambix, dass es uns auch mit Banjo rocken kann. Es war einfach für mich, alte Erwartungen gegen neue Begeisterung zu tauschen, zumal es auch einfach schön ist, wenn Künstler*innen sich weiterentwickeln und neue Wege ausprobieren. Wick Bambix Publikum geht jedenfalls mit. Ich habe Wick Bambix 2024 zweimal gesehen und fand beide Konzerte gut.

Genug aufgewärmt, jetzt stürmen Trëmøre aus Berlin die Bühne. Knaller, wirklich!

Es wird definitiv laut und schnell, die fünfköpfige Combo aus zwei Gitarren, Bass, Drums und Vocals setzt uns ordentlich zu.

In der Kürze liegt die Würze. Die gesamte Energie explodiert in kurzen, knackigen Songs von rund einer Minute und genauso schnell sind sie wieder weg, wie sie gekommen sind.

Aber nicht, ohne uns gehörig den Schädel durchzupusten bis uns der nächste Song um die Ohren fliegt.

In den kurzen Songs von Trëmøre steckt alles gebündelt, kurze Botschaften, teilweise Zweistimmigkeit, glasklarer Hardcoresound. Fastcore ist mit Sicherheit die perfekte Bezeichnung!

Ich weiß gar nicht, wer mich mehr fasziniert. Die coole Bassistin, der Gitarrist in Omas knielangem Frottee-Kleid mit grüner Wollmaske und pinkem Zwirbelbart, oder die Sängerin, die in Boxershorts ihre actiongeladene Performance über die gesamte Bühne entlädt. Die Bühne brennt, das Publikum auch.

Wir sind aufgeheizt und bereit für eine weitere Show. Jetzt kommt die Pop-Punk-Emo Band Still Talk aus Köln. Die Sängerin Tanja macht auf der Bühne erstmal unmissverständlich klar, wie schwierig es für sie war, sich als Frau im Genre Hardcore / Punk durchzusetzen.

Aber Tanja dreht den Spieß um und stellt uns augenzwinkernd ihre männlichen Mitstreiter vor: „Schaut mal, das sind Dudes!…“

„…Habt ein bisschen Mitleid mit ihnen.“ Gut gelauntes Lachen im SO36: Nö, wir wollen kein Mitleid! Weder die Dudes noch die FLINTA wollen das. Wir wollen Gleichstellung. Ausgelassen wird zusammen getanzt und gejumpt, die Still Talk zeigen was sie drauf haben.

Der Gitarrist ergreift zwischendurch das Micro für eine eigene Nummer, was richtig gut beim Publikum ankommt. Von wegen Mitleid, das ist ehrlicher brandender Applaus!

Still Talk verstehen ihren Job und verflechten gekonnt ihre melodischen Sounds aus Nu-metall, Post Punk, Pop Punk und Hardcore mit emotionalen Texten und Botschaften. Sie konnten 2024 auch schon die Massen beim Rock am Ring Festival begeistern und werden 2025 beim Rock im Park Festival erwartet.


Im langgezogenen Saal des SO36 drängt alles zur Bühne hin, die Menge ist heiss auf die Hardcore Band Kill Her First, die mit Gero als eine von zwei Sängerinnen auftritt.

Der Beifall ist groß, denn heute dreschen sie uns nicht nur ihre geilen Songs um die Ohren, sondern präsentieren gleichzeitig am heutigen Releasetag ihr neues Album „Künstliche Freiheit“. Happy Release Day! Das Studioalbum von KROD Records wird es vorerst als Stream geben, weiteres ist geplant. Kill Her First geben auf der Bühne wirklich alles. Genau so werden sie auch vom Publikum gefeiert, es ist ein Heimspiel.

Gero ist mit großer Präsenz auf der Bühne und performt wütend die Songs, während Giullias markante Stimme unsere Gehörgänge verarztet.

Ein perfektes, Wechselspiel aus unterschiedlichen Tonlagen und Stimmen.

Perfekte Hardcore Riffs fliegen uns die Ohren zu tighten Drums.

Die Halle steht in Flammen, der Mob pogt, trotzdem haben die drei Menschen im Rollstuhl Platz. Wie das SO36 mit Inklusion und Barriereabbau umgeht, liest hier im Vinyl-Keks MusInclusion Interview.

Sie wollen erste Reihe sein und können hier mitten im Kessel mitfeiern, ohne separiert zu werden.

Hardcore muss eben nicht anderen direkt versuchen zu beweisen, wer sich krasser den Platz vorne vor der Bühne freiprügeln kann. Kill Her First bringen deutlich rüber, was sie über Egofilme denken und skandieren in ihrem Song M.F. Society: „We don’t want your Me First Society!“

Zum Abschluss fackeln dann Saint Agnes aus London alles nieder. Die dreier Combo spielt einen genialen Cross Over, aus Hardcore, Punk und Nu Metal direkt aus der Hölle.

Für das Publikum ist jede Rettung längst zu spät und es stirbt vor Kitty Austens Gesang und Gitarrenspiel im Fegefeuer der Glückseligkeit eines mitreissenden Festivals. Weisses Licht blitzt gespenstisch im Kontrast zu den schwarz gekleideten Bandmembers über die Bühne.

Das geheime vierte Bandmitglied von Saint Agnes ist scheinbar der ebenfalls in schwarz mit gekleidete Fotograf, der die Band auf der Bühne begleitet bis zum letzten Song.

Mal von ganz nah, mal von weiter weg visiert er seine Objekte an, wie ein Paparazzo, der seine Opfer der Begierde einnimmt. Es wirkt fast choreographisch, wie er sich über die Bühnenbretter bewegt, so als wäre er Teil der Show als Performer mit Kamera.

Als der letzte Song gespielt ist stehen wir zufrieden in den schwelenden Überresten des SO36 Berlin. Gero hat beim Booking wieder einen super Job gemacht und ich werde definitiv auch 2025 wieder beim Female Fronted is not a Genre dabei sein. Danke Gero!

Heute war ich hier mit meiner liebsten Freundin Nathalie, ebenfalls Redakteurin beim Vinylkeks. Sie ist extra aus Süddeutschland angereist, um sich das Female Fronted is not a Genre reinzuziehen. Wir können uns fast als Vereinsausflug der Interviewreihe MusInclusion beim Vinylkeks und dem gleichnamigen Podcast bei Punkrockers Radio bezeichnen. Prompt treffen wir mal wieder eine unserer Interviewpartnerinnen, die Wiete von Banana of Death mit ihrer Bandkollegin Sarah.

MusInclusion gibt es mittlerweile auch schon als inklusiven Bandworkshop, den Nathalie dieses Jahr zum zweiten Mal organisieren möchte. Bleibt dran, es gibt bald mehr Neuigkeiten.