Nachdem in den letzten Ausgaben unserer Interview Reihe “Frauen im Musikbusiness” unter anderem Sarah von Akne Kid Joe, Emmi als Mercherin bei 100 Kilo Herz und Finna eine der besten feministischen HipHop Acts Deutschlands an der Reihe waren, folgt heute ein für mich (Nico) ganz besonderes Interview. Heute darf ich euch eine Frau vorstellen, die schon lange in der Musikszene verwurzelt ist und das Markenzeichen einer ganz besonderen Deutschpunk-NDW Band ist/war. Mit Annette konnte ich eine Frau für unsere Interview Reihe “Frauen im Musikbusiness” gewinnen, welche mit der Deutschpunk-NDW-Band HANS-A-PLAST vor allem in den 1980er Jahren für viel Aufsehen sorgte. Annette gelang es mit Hans-A-Plast als erste Band überhaupt in Deutschland feministische Themen anzusprechen, ohne den direkten Zeigefinger zu erheben. Bis heute ist vor allem das gleichnamige Album “HANS-A-PLAST” hoch aktuell und vollkommen zeitlos.
Was uns Annette so alles zu erzählen hat, könnt ihr hier nun nachlesen. Viel Spaß.
Hallo Annette, Es ist sehr schön, dich in unserer Interview-Reihe “Frauen im Musikbusiness” begrüßen zu dürfen. Magst du uns vielleicht zum Start einen Einblick in dein früheres und aktuelles Schaffen in der Musikszene und auch außerhalb dieser geben? Wie war das so, was waren deine Beweggründe, Musik zu machen und machst du auch heute noch Musik oder hat es dich in andere Bereiche verschlagen?
Hallo Nico,
vielen Dank für Deine Fragen. Zunächst zu den drei Beweggründen, Musik zu machen:
- Das heimische Küchenradio. Ich habe als Kind gerne Schlager nachgesungen.
- Der Fernseher im Wohnzimmer, Hitparade mit Dieter Thomas Heck: „am Tag, als Connie Kramer starb“.
- Zwei Zimmer, Hochparterre. Ich wollte sehr früh weg von zu Hause, am liebsten in die Welt. Mit 11 Jahren trat ich in den Mädchenchor Hannover ein. Der Chor warb mit Konzertreisen im „In- und Ausland“.
1976 verließ ich Hannover. In den USA lernte ich die Gedicht-Gesänge von Patti Smith kennen, hörte erstmalig Nico und Velvet Underground.
In England erlebte ich Ende 1977 die Musik der Sex Pistols, X-Ray Spex, Elvis Costello, UB40 und Slits. In Pubs und Clubs wurde ich Teil der Konzertatmosphäre, in der Bands und Publikum verschmolzen. Ich war 18 und wollte genau so eine Musik machen, direkt ins Herz. Mit deutschen Texten. Ohne jahrelange Vorbereitung im Übungsraum und ohne Rockstar-Gitarrensoli.
1978 lernte ich meine Band Hans-A-Plast kennen, zwei Frauen und zwei Männer. Begeisterung. Drei LPs.
Musik war und ist mir wichtig. Sie begleitete mich auch nach der Hans-A-Plast-Zeit, während der Ausbildung, Familie und Berufstätigkeit.
Eine Zeit lang nahm ich klassischen Gesangsunterricht. Arien von Händel sind so energiegeladen wie Punksongs.
2005 gab es über meine älteste Tochter Kontakte zur Leipziger Goth-Szene. Mit der Band Bloody, Dead & Sexy haben wir „Monstertanz“ von der 3. LP neu eingespielt. Eine tolle Version!
Im Mai 2017 trat ich in der Münsteraner Adam Riese Show auf. Es folgten das HöhNIE-Festival in Peine und das Salt City Punk Festival in Halle an der Saale, gemeinsam mit den Osnabrücker Razor Smilez und deren Sängerin Anika.
Ein Überraschungsauftritt mit Slime im letzten Oktober in Münster.
Meine aktuellen musikalischen Aktivitäten sind kein „Comeback“, sondern eher ein „looking-forward-to”: ich bin zu alt, um meine Jugend zu verschwenden. Früher „berühmt“, was wird jetzt aus mir, „Jung kaputt“, zu spät dafür. (inspiriert durch Bärchen und die Milchbubis) Was ich zur Zeit musikalisch mache? Wenn es meine Arbeit zulässt, treffe ich mich mit musikalischen Menschen.
Du bist ja seit den Anfängen der Punk-Bewegung hauptsächlich (aber nicht nur) in der Punk Szene unterwegs. Mich würde brennend interessieren, wie sich die Stellung der Frau gerade im Musikbereich deiner Meinung nach verändert hat und weshalb? Also wie war das früher und wie ist das heute?
In den 1970ern kämpften viele junge Frauen gegen patriarchalische Vorstellungen, wie z. B. dass sich der Wert einer Frau am Hausfrau- und Mutter-Dasein festmachte. Eine Frau „opferte“ sich für die Familie, sie ordnete sich ihrem Ehemann unter. Bis in die 70er Jahre brauchten Frauen z. B. noch die Erlaubnis ihres Mannes berufstätig werden zu dürfen. Erst 1977 wurde das Eherecht reformiert. Ende der 1970er Jahre kämpften wir gegen diese Frauen-Rollenklischees, ob in Punkbands oder im täglichen Leben. Musikalisch zerstörten wir selbstbewusst Vorurteile, dass nur der technisch perfekten „Mucker“ vor Publikum auftreten durfte.
Frauen heute haben viel bessere Chancen, ihre Ziele gleichberechtigt zu erreichen. Ein echter Fortschritt. Aber ob sich das nun auf die Musikbranche positiv ausgewirkt hat, vermag ich nicht zu sagen. Gibt es wieder eine männliche Dominanz im Musikbusiness? Wenn ja, warum? Wie könnte man das ändern?
Ich bin ja auch stolzer Vater zweier Kinder und bei mir sind die Kinder sehr früh in mein Leben gekommen, was einerseits sehr positiv war und andererseits natürlich auch ein Stück Jugend gehen lassen hat. Wie war das bei dir, als du Mutter wurdest, hast du weiter an der Musik festgehalten oder war das Thema Punk und Musik in der Zeit für dich nicht relevant bzw. nach hinten gestellt?
Ich wurde früh Mutter, mit 23 Jahren. Dass meine Jugend vorbei war, habe ich nicht so empfunden, – ich war froh, plötzlich verantwortlich für so ein kleines Wesen zu sein. Meine Prioritäten änderten sich aber schon. Ich wollte finanziell auf eigenen Beinen stehen, machte eine Ausbildung. Die Freude am Singen blieb.
Wenn du heute die Möglichkeit hättest, dir 4 MusikerInnen einzuladen, um eine Band zu gründen, welche wären das und was für Musik würdest du gerne mit den Leuten machen?
Ich würde mir Musikerinnen einladen, die musikalisch in mehreren Genres unterwegs sind. Die Musik wäre energiegeladen und vom Tempo her wie ein schnell klopfendes Herz.
So, dann kommen wir auch schon zur vorletzten Frage. Wir befassen uns ja bei uns im Musikmagazin hauptsächlich mit Vinyl. Wie stehst du zum Thema Vinyl? Hast du vielleicht sogar selber eine Sammlung oder bist du da inzwischen in der digitalen Welt angekommen?
Die von Florian Schück liebevoll gestaltete Platte der letzten Liveauftritte (2018/19) ist toll. Sonst habe ich nur noch ein paar alte LP-Schätzchen im Keller. Eine Sammlung ist das aber nicht.
Annette, möchtest du zum Schluss unseren Leser*innen noch etwas auf den Weg geben oder allgemein loswerden?
Aufmerksam bleiben. Niemals vergessen. Kämpfen gegen antisemitische, frauenfeindliche und überhaupt gegen alle Verschwörungstheorien.
Liebevoll, sich selbst gegenüber und der Welt.
*Copyright Titelbild: Tim Hackemack
Tja was schreib ik nun? Durch Zufall auf DLF Kultur gehört,daß irgendwas von oder über Hansaplast wiederauferstanden aus Ruinen und der Zukunft zugewandt,ist …Scherz beiseite…
Nie hab ich diese Texte, eingepackt in vielfältigsten Musikrichtungen, vergessen. Im Gegenteil – ik habse so vermisst- diese Kreativität, um witzig die Wahrheit ufn Punkt zu bringen ! Neben Nina Hagen Ideal im Trio mit Dir Anette Benjamin (kleine Wortspielerei) halt ichs nochne Weile aus in diesem WeltPatriarchat ……………..God is black and she is a woman … ………………………in diesem Sinne MfG Claudia Oberüber
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