Während wir letzte Woche mit Emmi am Merch von 100 Kilo Herz eine weitere Frau im Musikbusiness vorstellen konnten, geht es diese Woche direkt auf die Bühne: Kurz nach Video Release der Single “Sarah (Frau, auch in ner Band)” von AKNE KID JOE beantwortet uns selbige ein paar Fragen zu ihrem Stand als Musikerin. Los geht’s:
Hallo Sarah, schön, dass du dir die Zeit genommen hast. Hier kommen unsere Fragen:
Wann hast du dich entschieden Musik zu machen, gab es einen speziellen Impuls und hattest du vor AKNE KID JOE noch andere Musikprojekte? Wo und wie hat alles angefangen?
AKJ ist meine erste Band. Ich war schon viele Jahre Teil der Subkultur, habe Konzerte mitveranstaltet und Konzerte und Festivals besucht – aber, dass ich selbst aktiv Musik mache, ist mir lange Zeit gar nicht in den Sinn gekommen, bzw. hat sich mir nie die Möglichkeit dazu geboten. Ich konnte ja auch gar kein Instrument, Gitarre gespielt habe ich dann das erste Mal als wir mit AKJ die erste Probe hatten. Dazu gekommen ist es, als mich mein bester Kumpel Matti gefragt hat, ob ich mit ihm eine Band gründen möchte. Er hat zu diesem Zeitpunkt in einer Garage-Punk Band getrommelt, hatte aber Lust auf etwas Neues. Auch er konnte nicht sonderlich gut Gitarre spielen und es ging erst mal nur darum ein neues, gemeinsames Projekt zu starten, mit Leuten die man mag – also unabhängig davon, ob das gute Musiker*innen sind oder so. So kams zu AKJ.
Kannst du uns einen kurzen Einblick geben, wo (Festivals, etc.) man dich in den letzten Jahren antreffen konnte?
Wir haben mit AKJ recht viel gespielt. Los ging es mit unserem ersten Konzert Ende April 2017, seitdem waren eigentlich sämtliche autonome Zentren und Punk-Venues in Deutschland und Österreich mit auf der Reise-Route. Im letzten Jahr hatten wir so um die 40 Konzerte, dieses Jahr werden es wohl auch zwischen 40 – 45 werden. Wir haben auf vielen kleinen Festivals gespielt, aber auch auf größeren Sachen, wie dem „Angst macht keinen Lärm“. Im letzten Jahr waren wir auch auf der PASCOW Tour mit dabei.
Ähnlich abwechslungsreich wird es auch in diesem Jahr werden, da ist von der kleinen Soli-Sause bis zu großen Festivals wie bspw. dem „Ruhrpott Rodeo“ ziemlich viel dabei.
Mit eurem gerade erst erschienenem Video zu “Sarah (Frau, auch in ner Band) feat. Alex Pascow“ bezieht ihr ja klar Stellung zum Thema “Frauen im Musik Business” – dazu gibt es sicher eine Geschichte – kannst du unseren Leser*innen dazu noch etwas sagen?
Ja, also die Lyrics des Songs erzählen diese Geschichte ja relativ unmissverständlich. Es ist einfach eine sehr subjektive Erzählung meiner Erlebnisse, wie alles begann, wie es dazu kam, was ich gut finde und was ich mir für die Zukunft wünsche. Alles in dem Song ist wahr und genauso passiert – bis auf dass ich nie Klarinette in einem Musikverein gespielt habe, sondern Querflöte und Oboe (sehr exotisch). Es ist also ein sehr persönlicher Song und ich freue mich sehr, dass Alex von PASCOW Bock hatte, den Refrain dafür zu singen. Nicht weil ich unbedingt einen Mann gebraucht habe, der nochmal zusammenfasst, was ich sagen will, sondern weil ich der Meinung bin, dass Gleichberechtigung alle angeht, nicht nur Frauen*. Alex und meine Bandkollegen unterstützen mich sehr und haben dazu beigetragen, dass ich mich da jetzt auch so selbstbewusst hinstellen kann und diesen Song singe, das hätte ich mir vor ein paar Jahren noch nicht zugetraut. Das bedeutet mir sehr viel und hat mir gezeigt, wie auch Männer zu dieser Thematik positiv beitragen können.
Bei AKNE KID JOE bist du die einzige Frau in der Band. Ist es euch schon mal passiert, dass ihr nur für die Frauenquote gebucht wurdet? Wie geht ihr mit sowas um?
Das wird mit Sicherheit schon vorgekommen sein. Das klingt jetzt ja aber erst mal sehr negativ formuliert – wenn man es aus einem anderen Blickwinkel betrachtet, ist es das aber nicht. Frauen* im Musikbusiness sind einfach weniger präsent. Als ich jünger war hatte ich nur sehr wenige musikalische Vorbilder, die keine Männer waren. Hätte ich als Teenie auf nem Festival oder nem Konzert regelmäßig ein diverses Geschlechterverhältnis gesehen, sprich auch mehr weibliche Musikerinnen, hätte ich evtl nicht gewartet bis ich 28 bin, um mir das erste mal ne E-Gitarre umzuhängen. Wenn also beim Booking heutzutage darauf geachtet wird, dass es eine einigermaßen abwechslungsreiche Geschlechter-Verteilung auf den Bühnen gibt, dann hat das einen enormen Empowerment-Faktor, das merke ich an den vielen Rückmeldungen, die ich nach Konzerten von Besucherinnen erhalte. Und es gibt ja auch genügend gute Bands, die nicht nur aus Männern formatiert sind. Also das Argument „Bands mit Frauen sind alle schlecht“ zieht einfach nicht mehr. Aber gerade die großen Mainstream-Festivals, bspw. Rock im Park / Rock am Ring buchen halt seit Jahren gefühlt das gleiche Line-Up und somit wird sich auch nix ändern. Achtet man also als Veranstalter*in auf ein ausgewogenes Booking, trägt man dazu bei, dass auch junge Mädchen* dementsprechende Identifikationsfiguren auf der Bühne sehen, was zu einer nachhaltigen Verbesserung führen wird. Und wenn wir irgendwo gebucht werden, weil dann eine Frau mehr auf dem Line-Up steht, ist das insgesamt auch ne gute Sache. Allerdings würde es mich schon nerven, wenn ich mitbekommen würde, dass die, die uns gebucht haben, mit unserer Musik überhaupt nix anfangen können und es tatsächlich einfach nur darum ging, noch ne Frau mit dabei zu haben.
Unterm Strich bin ich Fan davon, wenn AKJ als eine normale Band wie jede andere auch und nicht als „Band mit einer Frau“ gesehen wird. Ich finde es gut, wenn Leute auf ein diverses Booking achten und ich finde es noch besser, wenn man das einfach macht und nicht groß thematisiert. Wenn also ein Konzertabend stattfindet, bei dem auf ein diverses Geschlechtervehältnis geachtet und der Abend dann einfach normal beworben wird und nicht den Titel „Girls to the Front Konzertabend“ oder ähnliches trägt, dann empfinde ich das persönlich als die beste Lösung.
Was denkst du wie sich die Position von Frauen im Musikbusiness in den letzten 10 Jahren verändert hat? Kannst du einen “Turning Point” ausmachen, ab dem sich etwas veränderte?
Ich nehme auf jeden Fall wahr, dass gerade in unserer Szene die Hemmschwelle sinkt, sich auch als Frau aktiv ins Musikbusiness einzubringen. Also es gibt ja noch viel mehr Bereiche, gar nicht nur als Musikerin*. Booking, Veranstaltungstechnik etc. – alles bisher eher Männerdomänen. Hier gibt es viele gute Beispiele für eine Trendwende: Technik-Workshops, die sich speziell an Frauen* richten, Konzertgruppen, die auf ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis in den eigenen Strukturen achten – und eben auch beim Booking. Aber wenn ich über den Tellerrand unserer Szene blicke (in der natürlich auch nicht alles cool ist!), gibt es ja auch anderen Subkulturen, in denen Frauen* nur eine sehr untergeordnete Rolle spielen, Hip-Hop, Metal etc. Überall tut sich was, aber es sind oft sehr kleine und langsame Schritte.
Wenn man von einem Turning Pointsprechen kann, dann sind wir evtl. jetzt ganz am Anfang davon. Im kommerziellen Popbereich hat man vielleicht das Gefühl, dass es viele weibliche Interpretinnen gibt – aber hinter den Kulissen sitzen ja in den Führungspositionen großer kommerzieller Labels, Bookingagenturen etc. auch überwiegend Männer. Das ist aber ja ein generelles Problem mit den Führungspositionen in der freien Marktwirtschaft, die großteils von Männern besetzt sind. Hier gilt es also insgesamt daran zu arbeiten, nicht nur auf das Musikbusiness bezogen.
Fühlst du dich als Frau im musikalischen Kontext in irgendeiner Art benachteiligt oder gibt es Ereignisse, an die du dich erinnerst, in denen du dich ungerecht behandelt gefühlt hast?
Ich habe mitunter das Gefühl, dass ich als Frau unter besonderer Beobachtung stehe. Mein Gitarrenspiel ist nicht besonders versiert, ich könnte mir vorstellen, dass da schon hin und wieder ein paar Herren der Schöpfung einen kausalen Zusammenhang zu meinem Geschlecht herstellen, haha.
Ansonsten muss ich sagen, dass ich mich bisher nicht sonderlich diskriminiert fühlte – was aber klar an unserer Filterblase liegt, die zumindest so tut, wie wenn sie recht aufgeklärt wäre. Ich hatte eigentlich erst einmal so ein Erlebnis, wo mir bewusst wurde, dass mir da gerade jemand nicht zugetraut hat, dass ich in einer Band spiele, weil ich eine Frau bin. Als ich zusammen mit den anderen zu einem Konzert angereist bin, wurde – interessanterweise von einer Frau – gar nicht in Erwägung gezogen, dass ich auch aktiver Teil der Band bin. Sie war sehr verwundert, als ich beim Soundcheck dann plötzlich auf der Bühne stand und meinte dann so: „Ach krass, ich dachte du bist eine Freundin von denen, ich wusste gar nicht, dass du da auch mitspielst. Ist ja voll cool.” Da war ich schon sehr perplex in dem Moment und auch voll sauer, das hat mich richtig angekotzt. Im Nachhinein ist mir natürlich bewusst, dass sie das nicht aus einer bösen Absicht heraus gesagt hat und mir in dem Moment eigentlich sogar was Nettes sagen wollte, aber das ging halt gut nach hinten los. Aber wir sind eben alle mit vorgefertigten Rollenbildern sozialisiert worden und in ihrer Welt gab es zu dieser Zeit anscheinend nicht sehr viele Musikerinnen, so dass sie das überhaupt nicht in Betracht gezogen hat. Vielleicht ist das ja inzwischen anders, das würde mich sehr freuen.
Bezeichnest du dich als Feministin? Wenn ja, was bedeutet das für dich?
Ja sicher. Ich wünsche mir eine Gesellschaft in der alle Geschlechter gleichberechtigt sind, jetzt mal unabhängig von dem ganzen Musikbusiness-Gelaber. Dass es hier nicht rund läuft, ist nur ein Abbild über gesamtgesellschaftliche patriarchale Verhältnisse. Dies aufzulösen und mit stereotypen Geschlechterrollen, Sexismus und struktureller Benachteiligung aufzuräumen, ist mir ein wichtiges Anliegen. Wenn ich dazu in meiner Rolle beitragen kann, finde ich das super.
Auf welche in der Zukunft liegenden Ereignisse freust du dich besonders? Gibt es etwas, was du unbedingt noch erleben willst? Bestimmte Festivals, Bühnen, Bands?
Ich freue mich jetzt erst mal auf das Release unserer neuen Platte. Und über die ganzen Konzerte dieses Jahr, es sind so viele gute Sachen dabei. Dass wir innerhalb von so kurzer Zeit an so einemPunkt sind solche tollen Veranstaltungen zu bespielen, hätte ich mir vor kurzer Zeit noch nicht träumen gewagt. Bands, von denen wir seit ewigen Zeiten Fans waren und auf deren Konzerte wir gefahren sind, sind mittlerweile zu Freund*innen geworden und wir sind unfassbar froh, dass wir mit solchen Leuten die Bühne teilen dürfen. Auch als Band auf ein Festival zu fahren, das man jahrelang besucht hat, ist der Wahnsinn.
Hast du für die Leser*innen noch eine Botschaft, die du hier gern mit auf den Weg geben möchtest oder etwas, was du sonst noch gern beantwortet hättest?
Ich hab ne Botschaft an die Männer, die das Interview bis hierher gelesen haben. Erstmal cool, dass ihr euch anscheinend für das Thema interessiert. Und wenn ihr das nächste Mal ne Band gründet, dann fragt halt auch mal Freundinnen von euch, ob die Bock haben mitzuspielen und nicht immer nur eure Kumpels. Also nicht, dass das die Lösung für alles wäre, aber es ist ein erster Schritt.
Mic Drop =)
Vielen Dank für das Interview, Sarah!
Copyright Titelbild: Andreas Langfeld