Bei “Frauen im Musikbusiness” geht es heute mal wieder vor bzw. hinter die Bühne. Fotografin Bonni aus Berlin erzählt mir, wie sie zur Konzertfotografie gekommen ist und wohin die Energie geht, wenn gerade Pandemie ist. Unser allererstes Interview der Reihe war mit Jette übrigens auch eine Konzertfotografin aus Berlin. Hier lest ihr außerdem auch das Interview von letzter Woche mit Neitschl von den NOWAVES. Viel Spaß!
Hallo Bonni, du fotografierst Punkkonzerte, seit wann machst du das und gab es ein spezielles Ereignis, das für dich der Auslöser war damit anzufangen? Was war das erste Konzert, das du fotografiert hast?
Punkkonzerte fotografiere ich seit 2012 und das erste Konzert war das Resist to Exist Festival im gleichen Jahr.
Auslöser war mehr oder weniger die Umstellung von DigiCam auf Spiegelreflexkamera. “Geknipst” habe ich Veranstaltungen eigentlich schon immer, einfach weil ich ein paar Momente für mich festhalten wollte. Und mit der Spiegelreflex ging es dann erst richtig los, da haben sich für mich vollkommen neue Möglichkeiten eröffnet und das hat mir auch den Weg nicht nur vor sondern auch auf die Bühne geebnet (neuer Blickwinkel).
Mit meinem damaligen Freund (und seinen zwei Bands) war ich zu der Zeit viel auf Konzerten und Festivals unterwegs und so hatte ich es mir als Ziel gesetzt, etwas eigenes zu erschaffen und viele weitere schöne Schnappschüsse aus meiner Perspektive fest zu halten und mit anderen zu teilen. Neben den Fotos nutze ich mitunter gerne die Gelegenheit um Veranstaltungen und Bands vorzustellen, also auch einen Konzert- oder Festivalbericht abzuliefern, das macht die Sache für mich rund.
Fotografierst du hauptsächlich in Berlin, oder fährst du auch mal zu bestimmten Konzerten in andere Städte?
Hauptsächlich fotografiere ich Konzerte in Berlin, eher weniger in anderen Städten – es sei denn, es ergibt sich eine Mitfahrgelegenheit 😉
Wo würdest du dein Wirken einordnen, eher privat als Hobby oder schon als Job, von dem du leben kannst?
Definitiv als Hobby und so soll es auch bleiben. Den Titel “Hobbyfotografin” empfinde ich nicht als Schimpfwort, im Gegenteil. Fotografie ist für mich vor allem Ausdrucksmittel, meine Sicht der Dinge. Abschalten, ausprobieren und einfach “mein Ding durchziehen”. Mit meiner Kamera lebe ich einen Großteil meiner Kreativität aus – das möchte ich nicht von Geld in Form von Einkommen abhängig machen (müssen).
Gibt es ein besonders ergreifendes, tolles oder sogar mieses Erlebnis in deiner Zeit als Fotografin, das du mit Sicherheit nie vergessen wirst?
Miese Erlebnisse wird es immer geben und sie werden auch immer schwerer wiegen auch wenn es gar nicht so viele sind, ich habe aber auch gar keine Lust darauf zurück zu schauen (wie sagt man so schön: hinfallen, Krone richten, weiter gehen).
Tolle und ergreifende Erlebnisse gibt es (Gott sei Dank) viel mehr und davon zehre ich an dunklen Tagen. So hat es mich einmal fast vor Stolz platzen lassen, als Deek von OiPolloi sich bei mir meldete, um zwei meiner Fotos für das Cover der EP “Multiple Oigasm” verwenden zu dürfen. Ich fand das zu krass und wollte nichts dafür haben (außer Namensnennung). Im Nachhinein ärgere ich mich ein wenig über mich, der liebe Donald, seines Zeichens Comiczeichner und Mediendesigner, empfahl mir: “Du darfst immer mindestens ein Freiexemplar verlangen”, besonders weil die EP recht schnell vergriffen war …
Was denkst du wie sich die Position von Frauen im Musikbusiness – und speziell in der Fotografie – in den letzten 20 Jahren verändert hat? Hast du im Speziellen bei deiner Arbeit eine Art “Turning Point” erlebt?
Puh, für die letzten 20 Jahre kann ich nicht sprechen (da gibt es leider arge Erinnerungslücken *räusper*), aber ich denke allein in den letzten fünf Jahren (?) hat sich doch einiges getan, klar ist da immer noch viel Luft nach oben, aber ich nehme viel mehr Frauenanteil bei Veranstaltungen z.B. wahr. Vielleicht auch weil das Thema (gerade jetzt) generell präsenter ist, lauter wird und zunehmend mehr Platz in der Szene einfordert, als noch vor einigen Jahren – zumindest für mein Empfinden. Und so schöne Projekte wie deine Interviewreihe tragen da einen erheblichen Teil dazu bei.
Vielen Dank dir 🙂 Bezeichnest du dich selbst als Feministin und wenn ja, wie setzt du das in deinem Alltag um?
Ich bin für Gleichberechtigung, Menschenwürde und Selbstbestimmung, also ja – ich sehe mich als Feministin. Ich versuche das vor allem durch eine neutrale Sprache in meinem Alltag umzusetzen. Ich habe häufig das Gefühl das kritisches/toxisches Verhalten insbesondere von aggressivem Sprech ausgelöst wird (besonders online). So versuche ich mich (und auch andere) für z.B. Spezisismus zu sensibilisieren. Oder beschäftige mich mit Themen wie dem Sinn (oder Unsinn) bzw. Alternativen zum Gendersternchen. Tausche mich dazu mit anderen Leuten (in diversen Gruppen) aus und versuche zu reflektieren und natürlich auch umzusetzen. Ich finde das wichtig, auch als Zeichen des Respekts, um mich mit meinem Gegenüber auf Augenhöhe austauschen zu können.
Wie nimmst du die Arbeit deiner männlichen Kollegen wahr und gibt es Bereiche, in denen du dich benachteiligt fühlst? Was denkst du, sind die Gründe dafür?
Im Großen und Ganzen kann ich keine Benachteiligung feststellen. Ich denke aber, dass ich auch großes Glück hatte, zumindest in meinem Dunstkreis hat das (bisher) keine große Rolle gespielt, wessen Arbeit (von welchem Geschlecht) gewichtiger ist. Ich denke gegenseitige Sympathie ist da entscheidender. So hat Lumpi bspw. Jette (Mamarazzi) und mich recht schnell für die BfK Crew (Bands für Konzerte) als Hausfotografinnen “verpflichtet”. Auch die (ehemalige) Orga vom Resist to Exist Festival hat einen erheblichen Anteil daran, meinen Weg als Konzertfotografin geebnet zu haben (an dieser Stelle Danke an Thomäs!).
Andere Projekte, in denen du aktiv bist oder von denen du erzählen willst?
Oh, sehr gerne! Ein Herzprojekt bei dem ich schon seit 2014 mitwirke ist das Nox A Carnival. Das großartigste Indoor-Metalfestival Berlins und meine Quelle für (neue) Metal-Musik <3
Einmal im Jahr verwandelt(e) sich der SJZ Drugstore für ein Wochenende in eine Manege mit Darkmarket. Für mich war es sehr spannend zu sehen, wie das Festival von Jahr zu Jahr wuchs und mit welcher Hingabe die Liebe für’s Detail in der Dekoration umgesetzt wurde. Es macht mich sehr stolz, (mittlerweile) Teil davon zu sein.
Zuerst war ich auch dort nur als Fotografin unterwegs, seit 2018 gestalte ich mit großer Freude auch die Flyer und Plakate, sowie visuellen Content für die Facebook-Seite und Merchandise und darf Shooting-Ideen für die “Festival-Maskottchen” um die Truppe von Clowned mit einbringen und umsetzen (großen Dank an Domi – für alles!).
Cornona hat 2020 gesmasht, bei 2021 wissen wir es noch nicht genau – was hat das für dich in Hinblick aufs Fotografieren verändert und was denkst du wie wird es weitergehen, wenn irgendwann die Pandemie vorbei ist?
Naja, keine Konzerte bedeutet keine Konzertfotografie. Für mich hat sich da nicht soo viel verändert (außer verdammt viel Zeit, nüchterne Wochenenden und Konzertkarten, die auf Einlösung warten). Neben der Konzerte habe ich, schon als Jugendliche, mein Herz in sogenannte Lost Places verloren und habe damit auch immer irgendwie das Thema Natur verbunden. Statt Konzerte gibt es zur Zeit hauptsächlich Fauna und Flora, Land- & Seascapes sind auf meiner Fotoseite zu sehen …
Auf die ersten Konzerte nach der Pandemie freue ich mich jetzt schon wie wahnsinnig, denke aber dass ich Vorsicht walten lassen werde und mit der Konzertfotografie noch aussetze. Ich befürchte ja einen regelrechten Run, auch auf die ganz kleinen Konzerte.
Letzte Frage: Hast du für die Leser*innen noch eine Botschaft, die du hier gern mit auf den Weg geben möchtest oder etwas, was du sonst noch gern beantwortet hättest?
Liebe Leser:innen, meine Botschaft ist eher ein Aufruf an euch: lebt Kreativität, bewahrt Humor, bleibt gesund, seid solidarisch und habt euch lieb!
Vielen Dank an dich, liebe Chrissi, und die Möglichkeit an diesem Projekt mitwirken zu dürfen. 🙂
Ich danke dir auch für das sympathische Interview!