Schnell hab ich Ja gesagt, als es drum ging, die neue EP von Hass zu reviewen. Dazu hab ich auch noch den Reissue des Albums „Allesfresser“ bekommen.
Was mach ich nun damit?
Das ist genau der Deutschpunk, den ich irgendwann nicht mehr hören wollte. Der Deutschpunk, der nun immer wieder nach dem Schema funktioniert, wie es schon stapelweise Bands 1983 abgefrühstückt hatten.
Zum 30ten Geburtstag diesen Albums nun ein Reissue.
Das machen ja auch einige Bands in letzter Zeit. So alt ist diese Nummer mit dem Punk also auch schon geworden und ich immer noch Teil davon.
Dann schau ich mal, ob ich inzwischen Zugang, respektive historische Befangenheiten, meiner respektlosen Jugendlichkeit 1992 geschuldet, ablegen kann.
1992 also bringen Hass dieses Reissue raus. 17 Songs voller system-kritischer, provokanter Texte.
Der erste Song „Nur ein Traum“ ist direkt ein Hinhörer. Sprechgesang mit seltsamen Chor (oder Geräusch?), unterlegt mit Bass und Drums. Meine Aufmerksamkeit ist geweckt.
„Gameboys“, „Asylanten“, nach zwei Songs weiß ich nun, dass die Band geschickt um meine Aufmerksamkeit buhlte und sie bekam. Btw: der besungene und erklungene Nintendo ist dann im äußerst dreckigen Klo gelandet. Welches man sehr gut, mit vielen anderen Dingen, die auch getrost dem Abort zugeführt werden können, betrachten kann, wenn man das Gatefoldcover aufschlägt wie eine Klobrille. Was auch die Nähe zum „Allesfresser“ vermuten lässt. Damit sind schon wir selbst, wir Menschen gemeint. Hass sind also bissig, böse und zynisch.
Man sagt Hass nach, dass sie einen eigenen Stil im Deutschpunk begründet haben. Stimmt.
Durchweg sind alle Songs mit rhythmisiertem Sprechgesang versehen. Da ist kein Akkord zu viel, kein Rumgezuppel am Bass oder Rumgetrommel. Ab und an mal ein kleines Solo, eine Bridge.
Kleine Spielereien mit Gitarreneffekten.
Stellvertretend werden die richtigen Fragen gestellt: „warum bin ich so dumm“; und damit sind die andern gemeint. Die Lyrics spielen schon sehr geschickt mit Erwartungshaltungen.
Es sind einige coole Songs dabei, Pogo garantiert. Wie im Review zur EP erwähnt sind sie live echt ziemlich fett.
Wer auf gut gespielten, straighten Punkrock steht ist hier hart richtig.
Machen wir doch den Test-of-time einiger Lyrics:
„Nur ein Traum“ – aussortiert wird, wer eine Minderheit ist. Stimmt heute noch.
„Gameboys“ – zocken stumpft ab und macht gewalttätig. Stimmt heute noch, hüstel.
„Asylanten“ – Menschen flüchten nach Deutschland und niemand möchte mehr seinen Wohlstand teilen. Stimmt immer.
„Schlaue Leute“ – …meinen, man müsse Krieg führen. Stimmt. Auch immer.
„Des Adlers Antwort“ – Polizeigewalt, rechtsoffen. Stimmt. Ist vielleicht nicht mehr ganz so schlimm wie 1992, immer noch schlimm genug.
„Lasst die Glatzen platzen I + II“ – diese beiden Songs bestehen den Test of Time bei mir nicht. Glatzen sind nicht mehr ganz so gut zu erkennen in der braunen Masse, jedenfalls dort, wo ich lebe. Und sie sind auch gar nicht mehr so dumm. Sie gründen ihre Netzwerke, bauen sie aus, kaufen Häuser, Höfe, vertreiben alle, die nicht dazu passen.
Einen Coversong gibt es, der so hart nach Hass klingt, dass man ganz vergisst, das er von Rio ist:
Wenn ich das also mal so zusammenfasse, war das eine ganz schön trostlose Zeit damals. Und sie ist es in weiten Teilen immer noch geblieben.
Wovor also vor 30 Jahren gewarnt wurde, und heute noch wird, ist immer noch täglicher Alptraum für zu viele Menschen, die einer Minderheit angehören.
Warum ist das so?
Klare Antwort ist ein Titel einer etwas älteren LP von Hass „… allein genügt nicht mehr“
Zu haben ist das schöne Stück mit Blutschlieren im transparenten Vinyl bei Aggressive Punk Produktionen, bzw. Out of Vogue.
Konzerttermine: