Ein “Rendevous mit der Realität” verspricht mir Inwiefern mit ihrer neuen Scheibe, die sich ein paar Runden heissdrehen darf, bevor ich den Bleistift schwinge und einige Worte zu Papier bringe.
Fünf Berliner bringen recht einfach gestricktem, normalem, realitätsnahen Songwriting, abgedämpften Gitarren, und den Solos an der richtigen Stellen, ziemlich eingängigen, deutschsprachigen Punkrock. Mich erinnert ihr Style direkt an Chefdenker oder Knochenfabrik. Wer sich da angesprochen fühlt, wird bei Inwiefern volle Granate bedient.
Der Sound ist top produziert, super Texte, die ich als sehr lustig bis sehr ernst bezeichnen würde. Durchweg eine persönliche Note. Apropos “witzig”. Derjenige, der das Cover zusammengezimmert hat – es wirkt auf den ersten Blick wie nach der dritten Lektion Photoshop, wobei mir dann auffällt, dass das mit dem Bier und dem Schaum doch nicht ganz so einfach ist – bewirkt bei mir ein Fragezeichen im Kopf.
Der Song “das Hasselhoff-Syndrom” wirft bei mir auch Fragen auf, auch die, ob der Typ es echt verdient hat, einen ganzen Song gewidmet zu bekommen.
wegen dir ist Baywatch zu Ende
wegen dir war 90 die Wende
Cheeseburger vom Boden
ist ganz klar eine Option
filmreife Performance
ich glaub du hast das Hasselhoff Syndrom
Ich erinnere mich selbstverständlich auch noch immer an diese Blinke-Jacke von David Hasselhoff, er, singend, über der Berliner Mauer und den Demonstranten. Und hab mich damals schon gefragt: “Was zur Hölle ist da los?” Ist das jetzt eine Aktion für die Geschichtsbücher, Bilder, die so richtig cool in eingebrannt werden. Für immer! Oder ist das eine lausige PR-Aktion der Amerikaner? Es ist, war und bleibt Ersteres, auch wenn Hassel the Hoff nun Teil dieser Geschichte ist.
Back to the Music: Inwiefern haben zwei Videos raus zu ihrer Platte. Einen Live-Stream gemacht mit Kalle im Mai im Cassiopeia zu Berlin.
Die inwischen dritte Platte von Inwiefern hat einiges an Ironie zu bieten, ich mag die direkte Ansprache an den Hörer. Viele Bands bleiben an diesen Stellen meist allgemeiner. “Punk is Dad” ist ein Beispiel dafür. Kann man nur schreiben, wenn man das erlebt hat! Oder “Erzähl das dem Friseur”, es gibt so einige Anspieltipps, ich verrate an dieser Stelle man nicht zu viel. 15 Songs in 35 Minuten ist auch ne gute Länge, sagt Punk. Die Band sagt: Punkrock mit Ralleystreifen. Ist das ein Anspiel auf die Opel-Gang?
Das Gesamtbild Musik und Texte macht ein sehr phantasievollen Eindruck, das Reimschema macht echt was her, und die Gast-Musiker bei einigen Songs machen Laune. Die Single-Auskopplung “Dein Stammbaum ist ein Kreis” mit Luise Fuckface von den Toten Crackhuren im Kofferraum:
Ist ganz spaßig, gell? Der Vorgänger “Irgendwas ist immer” von Inwiefern war etwas länger. Ist ja super, dass diese etwas kürzer und knackiger ist, bekomme aber über die gesamte Spielzeit das Gefühl, eben jener Vorgänger einen Mü besser ist. Na, checkt das doch auch mal aus!
Anspieltipp wird nun “Doppelkinn”, ein Song mit einer super überraschenden Wendung. Die Band spielt wirklich gut zusammen und haben einen hochmelodischen eigenen Style gefunden. Punkrock mit ein bisschen Rock’n’Roll, bisschen Metal, vielen Uoh uoh uoh Chören, ohne dabei zu Stadion-mäßig zu sein; noch. Können sie das halten?
Wir dürfen uns demnächst doch hoffentlich auf ein paar schwitzige Sommershows freuen, oder?
Für Fans von: KOTZREIZ, ZSK , RADIO HAVANNA , Terrorgruppe , Dritte Wahl.
Gibts beim Label Bakraufarfita oder auch bei flight 13