Das Thema des neuen Albums von Malo Moray And His Inflatable Knee betrifft uns alle. Dabei ist das erstmal nicht so offensichtlich, denn es kommt zunächst eher wie Special Interest daher mit seinem Titel “Improvisations From The Solar System” und Tracknamen wie “Building Scyscrapers On Jupiter” oder “The Secrets Of Saturns Hexagon”. Auf dem Cover sieht ein Mann sehnsüchtig aus einem Bullauge ins Weltall. Musik von einem Planeten- und Schwarze-Löcher-Fan also, weit ab von unserer Lebensrealität?
Es mag sicher sein, dass Malo Riebel, der Mitglied des Kollektivs Malo Moray And His Inflatable Knee ist, Interesse für Galaxien und Sterne hat. Als Thema für dieses am 26. November auf Tape erschienenen Album hat er den Weltraum aber vor allem als Gleichnis gewählt, um die Unendlichkeit und Isolation in den Shutdowns der Covid-Krise zu verarbeiten. Der Begleittext spricht sogar von Depressionserfahrungen, mit denen Malo durch die Abschottung zu kämpfen hatte oder möglicherweise auch noch hat. Die Stücke auf “Improvisations From The Solar System” hat er also aufgenommen, um mit diesen Gefühlen, die sicher etliche von uns zumindest teilweise nachempfinden können, umzugehen.
Dieser Link zum eigenen Leben ermöglicht es dem Hörer, leichter Zugang zu den sieben Tracks zu finden, als es vielleicht sonst der Fall wäre. Denn Malos Musik ist eine Mischung aus Kraut, Jazz, Ambient, Klassik, Experimental. Wobei das Experimentelle hier deutlich überwiegt.
Im Intro ist ein Sound wie ein Herzschlag zu hören, leichte atmosphärische Geräusche, ein Atmen – Es klingt, als würde man in einem Raumanzug stecken und Luft durch einen Schlauch in seine Lungen saugen, während man über den Mars spaziert. Ein gezupfter Kontrabass kommt dazu, zusammen mit einem sphärischen Klang, erst sehr sanft, dann wird der Bass wilder. Was er spielt ist nie eingängig, sondern immer suchend und ungeordnet. Am Ende des Tracks ist plötzlich wieder Ruhe und man hört nur noch das Atmen und ein leichtes Rascheln und Rauschen. Malo hat die Stücke alle live eingespielt und improvisiert. Benutzt hat er dafür den erwähnten Kontrabass, ein Shhiu, Live Electronics, Synthesizer, Tapes und Loops.
In Track zwei kommt Vogelgezwitscher dazu, ein Orgelklang und der Bass wird diesmal mit dem Bogen gestrichen. Malos Stimme spricht ein paar Zeilen aus Leonard Cohens “Listen To The Hummingbird”. Es klingt spannend und schön, wie sich die warmen, sonoren Klänge des Kontrabasses mit dem weichen sphärischen Sound des Synths vereinen. Generell ist der Kontrabass eine Komponente in Malos Musik, die dem Technischen und der Kälte des Weltraums etwas Organisches, Irdisches hinzufügt.
Jedes Stück des Albums hat einige düstere Komponenten und Momente und doch wirken die Stücke nie niederschmetternd. Am deutlichsten wird das bei Track vier. Hier wird es wirklich düster. Die darken Klänge werden dennoch durch einen gegensätzlichen hellen Sound aufgelockert. Diese fast schon humorvollen Töne erinnern an “Ballett Of The Chicks In Their Shells” vom legendären japanischen Synth-Komponisten Tomita. Zum Ende hin wird das Album generell etwas heller, positiver. Im letzten Track spielt der Kontrabass sogar eine sich wiederholende Melodie, die etwas Eingängiges hat.
So facettenreich, wie jedes Stück auf “Improvisations From The Solar System” klingt, haben wir alle uns während dieser Pandemie wahrscheinlich schon gefühlt. Von Hoffnung über Erschöpfung, Einsamkeit, Angst- und Sicherheitsgefühl, Erleichterung und Anspannung war und ist noch alles möglich. Malo von Malo Moray And His Inflatable Knee hat uns mit diesem Album eine Inspiration geliefert, wie es möglich sein kann, diese Erlebnisse und Gefühle zu verarbeiten und nicht in der Mutlosigkeit zu verharren. Manchmal hilft vielleicht eine gedankliche oder akustische Reise zum Mars, um mit den Widrigkeiten auf dem Planeten Erde klar zu kommen. Oder die Handlungstipps für trübe Tage, die Malo dem Tape fürsorglich auf einem kleinen Kärtchen beigelegt hat. Die müsst ihr aber selbst entdecken, indem ihr euch ein eigenes Exemplar des Albums kauft.