Wenn eigentlich gestandene Sänger*Innen ein Debüt-Soloalbum machen, bin ich zumeist skeptisch, ob das gut gehen kann. Nachdem nun die letzten Alben von den Mumford & Sons auch eher semi waren, war ich umso gespannter, was Marcus Mumford sich hier zurecht trällert. Und gleich der erste Song “Cannibal” hat es in sich. Marcus offenbart uns sein Inneres. Das Trauma, ein sexueller Übergriff, den er als Sechsjähriger über sich ergehen lassen musste, hat er niedergeschrieben und in einen Song gepackt. Beginnt der Song eher etwas ruhiger, wird er hinten raus klanglich wuchtiger, das an Mumford & Sons starke Songs erinnert. Gewöhnt euch dran, besser wird es auf dem Album nicht mehr. Denn das ganze Album gleicht gefühlt eher einer Berg- und Talfahrt.
Die einsamen Streicher von “Prior Warning” untermalen den Moment, in dem der Mumford & Sons-Frontmann den Tiefpunkt seiner Karriere beschreibt. Mumford geriet in den Alkoholismus und in einen gefährlichen Kreislauf der Selbstmedikation – bis zu dem Punkt, an dem seine Familie eingreifen musste, wie im beunruhigendsten und experimentellsten Stück des Albums, “Better Off High”, zu hören ist.
Das Album strotzt aber auch vor Optimismus, wenn es um seine Genesung und seinen Weg zur Heilung geht. “Cannibal” bricht plötzlich in eine synthie- und percussionlastige Klangwucht (wie oben beschrieben) der Euphorie aus, während “Grace” voll von anregenden Gitarren und erhebender Instrumentierung ist. “Better Angels” ist wunderschön vielschichtig und von trompetenden Synthesizern durchdrungen und klingt wie der tiefe Seufzer der Erleichterung, den man empfindet, wenn die Last eines Geheimnisses von einem genommen wird.
Das Album gewinnt durchaus auch an Bedeutung, wenn man sich die Kollaborationen ansieht. All diese Duette erscheinen in der zweiten Hälfte von (self-titled), dem Teil des Albums, in dem die Arrangements vor Details und Dramatik nur so strotzen und sich um einige der schwierigsten Melodien gruppieren, die Marcus Mumford bisher geschrieben hat. “Better Angels” schwelgt in einem eindringlichen Beat, der durchaus Gefallen bei New-Wave-Fans Anklang finden könnte. Bei “Dangerous Game” bietet Clairo sanfte Unterstützung, die das Gefühl des Grauens unterstreicht, während das ehemalige PHOX-Mitglied Monica Martin die Harmonien bei “Go in Light” beisteuert. Phoebe Bridgers verleiht “Stonecatcher” gespenstische Anmut, und Brandi Carlile untermalt das leise “How” mit Zärtlichkeit, wobei ihre Harmonien Mumfords Bemühen unterstreichen, seinem Missbraucher zu vergeben.
Geht man davon aus, dass nicht jedes Debüt gelingen muss und man Künstler*Innen gerne immer noch eine Chance gibt, und geht man davon aus, dass Mumford & Sons mit ihren zuletzt elektronischen Sounds auch den eingefleischten Mumford-Fan vor den Kopf gestoßen haben, dann ist das Debüt von Marcus Mumford ein durchaus gelungenes Album und geht wieder mehr zu den Anfängen seiner Hauptband. (self-titled) haut mich nicht vollends vom Hocker, enttäuscht aber auch nicht.
Herausgekommen ist das Album übrigens am 16.09.2022 über Island Records & Universal Music!
Erwerben könnt ihr das Album direkt bei Universal, aber auch bei JPC und sicher beim Plattenladen eures Vertrauens.
Viel Spaß beim Hören und Entdecken.