Eine neue Ausgabe vom Mind The Gap flattert in meinen Briefkasten und ich merke, dass ich das Fanzine aus Hamburg schon ewig nicht mehr gelesen habe. Warum eigentlich? Keine Ahnung. Wahrscheinlich weil die von mir favorisierte Bude zwar höchst leckere Pilsken und schön gekühlten Jägermeister in den ganz kleinen Flaschen führt, sich bei aber der Zeitschriften Auswahl mit der üblichen Mischung aus Gossipgazetten, TV Zeitschriften und BrigitteBarbaraJaquelineaufderJoyCouch zufrieden gibt. Noch nicht mal anständige Tittenmagazine gibt es dort. Wobei mir sich da die Frage aufdrängt, ob es solche Heftchen wie Happy Weekend, Praline und Blitz-Illu überhaupt noch gibt. Kauft Mann sowas überhaupt noch in Zeiten von Internet? Wahrscheinlich nicht. Selbst in der Prä-Internet Zeit haben wir als Prä-Pubertierende solche Hefte nur geklaut, um sie dann irgendwo auf dem Spielplatz im Holzhäuschen mit rotem Kopf und ohne vernünftiges Sackhaar durchzuackern. Derjenige der sie an der Trinkerbude eingesteckt hatte, durfte sie nachher mit nach Hause nehmen und war den Rest der Woche der König. Aber ich schweife wohl etwas ab. Jedenfalls gibt es an der Bude nicht nur keine Herrenmagazine, sondern auch keine Musikmagazine und erst recht keine Punkrock Fanzines, die nur einmal im Jahr erscheinen.
Das Mind The Gap ist mittlerweile bei 22 Ausgaben angekommen und befindet sich damit im 22. Jahrgang, großen Respekt dafür schon einmal. In diesem Jahr hat die Ausgabe eine Stärke, die für mich sonst immer als Schwäche angesehen wurde: Da die Konzertberichte, von denn es nicht wenige gibt, natürlich immer nur ein Rückblick auf das ganze vorherige Jahr darstellen, kommt man im verflixten Corona Jahr 2020 tatsächlich in den Genuss überhaupt welche zu lesen. Beim Lesen überkommt mich fast ein nostalgisches Erinnern an Menschen in kleinen, überfüllten, Konzerträumen, es riecht nach Schweiß und Bier, die Musik ist zu laut und ständig steht einer im Weg. Ach nee, wie war das schön.
Bei den Interviews wurden viele “alte” Bands befragt, es gibt ein gutes Interview mit Dirk von Slime, eins mit Peter von Razzia und auch Sondaschule durften ihren Senf loswerden. Interview Highlight ist für mich das Gespräch mit Justin Sullivan von New Model Army, der im Zuge ihres 40jährigen Bestehehns 40 Stichworte kommentiert. Der Mann hat nach so langer Zeit immer noch viel relevantes zu sagen. Ich hab das gleich mehrfach gelesen.
Spannend ist auch das Interview mit dem Macher vom Kleinstauflagen-Vinyl-Label WSDP, welches den Plattensammlern unter euch vielleicht schon mal begegnet ist, dem Großteil der Musikhörenden aber bisher verborgen geblieben ist.
Blass hingegen ist das Interview mit Ziggy Marley, was aber nicht an den Fragen, sondern an den standardisiert wirkenden Antworten liegt.
Weitere Menschen die befragt werden sind Klaus Maeck ( Filmemacher, Autor un wohl so etwas wie ein Punk der ersten Stunde), die jungen Leute von Never Wanted, The Wildhearts und Last Line of Defense.
Was das Mind The Gap aber besonders macht sind die vielen kleinen, feinen Anmerkungen, Blödeleien und Nichtigkeiten die so eine persönliche Note eines Fanzines ja immer ausmacht. Die richtige Band abgefeiert, die Band die einen selber auf den Sack geht wird verrissen, der richtige Spruch zur richtigen Zeit. Da geht einem das Herz auf.
Mir hat die diesjährige Ausgabe so gut gefallen, dass ich mir gleich noch ältere Ausgaben besorgt habe. Die Toilettensitzungen werden in den nächsten Wochen wohl etwas länger dauern.
So und jetzt alle Mind The Gap kontaktieren und die Postboten ins Schwitzen bringen.