„Mittelalter-weißer-CIS-Mann schreibt Review über All-Girl Post-Grunge-Band“ oder “Flo freut sich über die Platte mit persönlichem Brief, auch wenn der Adressat der Falsche ist.”
So, Spaß beiseite, an alle die es immer noch nicht blicken: „Female-Fronted XXXXXX“ ist KEINE Genre-Bezeichnung, sondern einfach nur dumm. Männer machen Musik und stellt euch alle mal vor, Frauen auch. Leider im direkten Vergleich (vor allem im “subkulturellen Bereich) deutlich weniger (noch) – woran das liegt könnt ihr gerne in all den „Sexismus im Punk oder der Musikbranche generell” – Artikeln nachlesen, das ist nämlich im Moment (zum Glück ey) ziemliches Thema. Und wenn ihr das dann alles gelesen habt, dann könnt ihr euch (damit meine ich uns Männer) überlegen, wo genau WIR/IHR auch was zu einer Veränderung beitragen könnt. Und noch was: Dadurch, dass immer noch mehr Männer Musik machen, machen Männer auch mehr Scheiß-Musik. Just sayin.
Von Scheiß-Musik kann hier aber keine Rede sein. Jetzt sagt euch der mittelalte, weiße Mann was er zu BAD von Riot Spears zu sagen hat:
Die 3 Musikerinnen kommen aus Berlin und machen laut dem kurzen Text, den ich auf der Seite ihres Labels, Ladies & Ladys gefunden habe, Post-Post-Grunge. Ich muss aber sagen, schon beim ersten Song hört sich das für mich maximal nach Post-Grunge, wenn nicht sogar einfach nur nach Grunge an (“einfach nur” ist hier in keister Weise abwertend gemeint, ich schätze einfache Dinge sehr). Wobei dann im Laufe der Platte schon noch das ein oder andere „Post“-Element seinen Weg in den Grunge findet. Bei meinem Rechercheversuch finde ich aber insgesamt leider eher wenig Infos zu Riot Spears (ich bin aber auch ne Niete im Recherchieren…), was ja eigentlich voll dafürsprechen würde, dass meine liebe Kollegin Chrissi da mal für ein Interview anklopft!
Und schon hab ich wieder den Faden verloren, also zurück zu Riot Spears und BAD. Sofern ich das richtig sehe, ist BAD der erste Longplayer der drei Berlinerinnen, nachdem im April 2020 die EP I’M NOT AN OBJECT, NOT YET A PERSON erschienen war.
Wie ich oben schon kurz geschrieben habe, höre ich den Grunge sofort beim ersten Ton, den die Platte von sich gibt – verzerrte Gitarre mit Garagen-Touch und rhythmisches Drumming, das sich sehr an der Melodie der Songs orientiert und durch viele flüssige Wechsel bei Beat und Tempo schöne Akzente setzt. Da steckt auf alle Fälle Nirvana und Mudhoney drin aber mit starker eigener Kante. Ruhige, nachdenkliche Passagen werden von lauter und aufbrausender Wut weggepustet, um sich nach einigen Takten wieder nach vorne zu kämpfen – Stellenweise schon fast mit Noise-Attitüde. Sowohl solo als auch mehrstimmig kann sich der Gesang zwischen den Instrumenten genau richtig positionieren.
Thematisch geht es – was man sich mit etwas Grips was den Bandnamen und auch den Namen des Labels angeht – denken kann, in den Songs auch um feministische Themen, die Suche nach sich selbst, den Struggle mit der eigenen Identität – oder vielmehr – den Struggle durch die patriarchalisch geprägte Sozialisierung aufgedrängten Identität als Frau. Es geht um Ungerechtigkeit, Ungleichheit, Enttäuschung und Wut und auch ein bisschen Liebe. Aber nicht nur bezogenen auf das eigene, das andere oder irgendein Geschlecht, geht es auch um ganz grundsätzliche Fragen, die wir uns in unserer Gesellschaft viel öfter stellen sollten.
Mir gefällt die Platte sehr gut, läuft jetzt das dritte mal durch und wird nicht langweilig. Für Grunge-Fans und/oder Menschen, die sich gerne mit Themen auseinandersetzen, die auch mal unangenehm sein können, ist das genau das Richtige. Riot Spears erinnert mich auch daran mal wieder eine Platte der Wrackspurts aufzulegen – das geht nämlich spitze zusammen!
Auch die Platte selbst, in schönem Rot mit bebilderten Labels, Inlay und schickem Cover gefällt mir sehr gut. Hätte ich die Platte jetzt nicht schon, würde ich sie mir aber HIER kaufen.