Na toll! Den ersten Longplayer “Careful Climb” der Amsterdamer Post-Punker Slow Worries optisch schon für unterhaltsam befunden, gehe ich nun voller Enthusiasmus daran, mich auch akustisch überzeugen zu lassen. Und dann das! Mein – zugegeben altgedienter – Plattenspieler quittiert den Dienst. Er rotiert zwar noch, eiert aber alle paar Sekunden und gibt mir damit unmissverständlich zu verstehen, dass er sich definitiv vom operativen Geschäft zurückziehen wird. Das ist nicht gut. Das ist gar nicht gut, denn wo um alles in der Welt soll ich denn in diesen lausigen Zeiten und auf die Schnelle einen würdigen Nachfolger herbekommen?! Nun also volles Risiko. Ich zieh das jetzt durch und geb mir die Slow Worries, auch wenn die Nadel bei jedem eiernden Luftsprung des mächtigen Tonarms droht, mir eine tiefe Wunde in das zarte Schwarz des Vinyls zu hacken. Trotz zwangsweiser Unterbrechungen klingen die Slow Worries wie aus einem Guss. Das muss Zauberei sein. Sie trotzen meinem streikenden Plattenspieler wie ein Gewerkschafter, der dem Vorstandsvorsitzenden ans Bein pinkelt. Das ist Aufstand, das ist Revolution. Und das ist auch ein Sinnbild für die Musik der Slow Worries. Denn trotz haufenweise zuckersüß gestreuter Popmelodien schimmert immerzu ein gewisses Maß an Wut und Aggression durch. Das ist Punk-Spirit mit Sahnehäubchen. Erinnert mich instant an die holländischen Kolleg*Innen von Zahrada, mit denen wir einst einen wunderschönen Konzertabend in Innsbruck verbracht haben. Und einen Konzertabend mit den Slow Worries stelle ich mir mindestens genauso wunderschön vor. Nicht nur weil die Musik der Slow Worries schon auf Platte zum Tanz bittet, sondern auch weil die Musiker*Innen auf dem abgebildeten Foto so unglaublich sympathisch wirken, dass es zwangsweise in einem wunderschönen Abend enden muss. Na ja, müsste. Noch ist es ja nicht so weit. Jedoch, ich bin zuversichtlich und glaube fest daran, dass es irgendwann dazu kommen wird.
Ist jedenfalls wahrscheinlicher, als einen Konzertabend mit Garbage zu haben. Die schimmern nämlich, was den Gitarrensound und die dazugehörige Brachialität anbelangt, ganz besonders beim Song “Active Recovery”, aber auch beim restlichen Material immer dann durch, wenn auf das Distortion-Pedal getreten wird. Der Gesang von Sängerin Maaike tut da sein übriges. Und auch wenn ich Garbage schon seit Jahren überaus schätze, die Slow Worries gefallen mir auf Anhieb tatsächlich noch besser, weil von allem mehr. Mehr Pop, mehr Rock, mehr Punk, mehr Melodie, mehr Emotion, mehr Innovation. Klasse Album das! Anstatt weitere Vergleiche zu ziehen, belasse ich es heute bei einer unbedingten Kaufempfehlung und betone in diesem Satz das Wort “unbedingt”. Na gut, dann halt doch: unbedingt für all diejenigen, die an dieser Stelle angekommen, eine Vorstellung vom Sound der Slow Worries entwickeln konnten und sich geschmacklich grob zwischen Hüsker Dü, Sonic Youth, den Breeders und McLusky verorten, die bereits genannten Garbage nicht gänzlich verkehrt finden, Grunge auch nie wirklich doof fanden, obwohl sie doch eigentlich lieber Punk waren und gleichzeitig ein Faible für Placebo haben, für alle die…ach, kurzum einfach für ALLE! Und ich für meinen Teil werde mich nun schnurstracks auf die Suche nach der selbstbetitelten Debut-EP der Slow Worries machen. Spätestens jedoch, nachdem ich einen neuen Plattenspieler rekrutieren konnte.
Unterhaltsames, weil ansprechendes Artwork hatten wir schon. Dazu ein Beiblatt mit sämtlichen Texten sowie dem ebenfalls schon erwähnten Bewerbungsbandfoto für die Rubrik “neue Lieblingsband” und als Schmankerl obendrauf endlich mal tolle Labels. Große Unterhaltung auf kleinem Radius bieten Hundi und Dino verpackt in Fotocollagen. Die noch fehlenden Indizien dafür, dass die Slow Worries sich wahrlich unser aller Aufmerksamkeit verdient haben. Überzeugt euch selbst und holt euch das bereits im November 2020 als gemeinsamer Release der drei Labels Adagio 830, Breaking Records und Subroutine Records erschienene “Careful Climb” beispielsweise hier.