Selten habe ich mich bei einem Review so schwergetan. Das erste Abhören des Albums “Full-Throated Messianic Homage” der Brüder Raphael, besser bekannt als Sons of Raphael, empfand ich als äußerst anstrengend. Fast abweisend war meine Meinung, bis dann irgendwann die Wende kam und ich das Album als das bisherige Album des Sommers bezeichnen würde.
Wie man nachlesen kann, haben die Brüder sieben satte Jahre an dem Debütalbum gearbeitet. Dabei haben die Sons of Raphael aktuelle Trends mal völlig außen vorgelassen. Die Fotos der Band und das Artwork sind der beste Beweis dafür. Aber “never judge a book by the cover!” Bereits der erste Song “Revolution” zeigt der Hörerschaft, hier geht es anders zu. Und “anders” wird hier zum Motto des gesamten Albums. Die Brüder sind definitiv anders und es gefällt ihnen genau so. Hier starten zwei Brüder eine Revolution. Der Song wird getrieben von einer Drum Machine und einem dunklen Klangteppich begleitet, der als Wall of Sound so ganz eben den zarten Gesang nicht schluckt. So entsteht eine ganz eigene, andere Atmosphäre, die Platz für alle Richtungen zulässt.
https://youtu.be/VPSXo6jD8yE
Alles an dem Album und den Brüdern Raphael folgt einer gewissen Unberechenbarkeit, aber auch einem ganz eigenen Gesetz von Harmonie und Schönheit. Der Gesang ist durchweg in den hohen Registern und findet bei mir, besonders bei den mehrstimmigen Passagen, meine absolute Zustimmung. Das klingt alles sehr warm und harmonisch. Mal denke ich an die Beach Boys, die Beatles oder die Bee Gees. Es klingt alles seht leicht, aber jede Note scheint genau ihren Platz zu haben. Wie ein Pinselstrich in einem Van Gogh Bild.
Manchmal aber übertreiben die beiden Brüder mit ihrem Pathos. Dann wird ein seltsam verschrobenes Saxofon eingesetzt und wickeln uns mit Streichern in dicke Schichten von Zuckerwatte ein. Immer ganz nah am Grad zum Kitsch. “He who makes the Morning Darkness” ist so ein schöner Song, der es in alle Jahreslisten verdient hätte. Ich habe einen Vergleich gelesen, der besagt, dass “der Song einem Hexenhaus gleicht, welches Ebenen verschiebt, Treppen verschwinden lässt und ständig seine Richtung ändert.” Das beschreibt sehr intensiv meine Gemütslage beim Song, denn der Track packt dich emotional mal richtig, läßt dich nicht los und zeigt auch keine helfende Richtung auf. Auch hier scheint alles möglich, es kann jederzeit in alle Richtungen weitergehen. Das erzeugt eine irre Spannung und macht mir extrem Spaß beim Hören.
Zugegeben die beiden sind schon arg durchgeknallt. Aber dafür handelt es sich um richtige Typen, die für das eigene Tun und Werk einstehen. Die Sons of Raphael schließen den Hörer in ihrer Welt ein. Da hört man Synthies und manchmal durchaus gruselige Geräusche, die diese dichte Atmosphäre scheinbar zufällig durchteilen, Doch dran erinnert; hier wird nichts dem Zufall überlassen. Alles ist geplant, austariert und Teil des Ganzen. Selten habe ich so genau in ein Universum hineingelauscht. Und wieder und wieder finde ich ein Accessoire, welches mir wieder ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Diese Tiefe und Detail-Liebe über mehrere Ebenen ist für mich neu und einfach – Anders.
Das Album besteht aus zehn Tracks und ist etwa 39 Minuten lang. Wenn man sich darauf einlässt, spürt man hier einen neuen, frischen und interessanten Geist. Das Werk ist vom Stil her schwer in irgendwelche Genres einzuteilen und ist ein Fixstern in einem Universum, fernab jeder bekannten, musikalischen Realitäten. Sozusagen die USS Enterprise auf der Suche nach unbekannten Galaxien unterwegs in Welten, in denen bisher kein Mensch zuvor gewesen ist. Genau das macht es aus. Natürlich sind die Sons of Raphael absolute Nerds, die wahrscheinlich beim Sport als letztes in die Mannschaften gewählt worden. Aber aufgepasst, hier entsteht was Neues! Und wer cool sein will, sollte dabei sein. Wie schon eingangs erwähnt, mein bisheriges Album des Sommers mit einem Kandidaten für den Song des Jahres. Absolut Kaufempfehlung.
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