Wie alle Adoleszenten, die in einer Großstadt aufwachsen und die Weisheit nicht gerade mit Löffeln gegessen haben, wurden auch wir vor Jahren mit der Herausforderung konfrontiert, sich für die eine Droge zu entscheiden, die einem den weiteren Lebenslauf hindurch begleiten soll.
Harte Scheiße wie Heroin oder Crack fiel natürlich raus, wir hatten “Christiane F.” und andere Problemliteratur gelesen und scheinbar auch verstanden. Trotzdem wollten wir uns irgendwie betäuben, die Realität schien nicht anders aushaltbar. Schwer angesagt war in den Neunzigern natürlich Dope, aber irgendwie war das nicht unser Ding.
Bei dem Einen scheiterte es an der Fähigkeit “auf Lunge zu ziehen”, dem Anderen war die Beschaffung schon zu aufwendig, ein Weiterer war der Überzeugung “das mache zu schnell zu doof”. Der ganze Pillenkram war den Technojüngern vorbehalten und mit denen wollten wir nix zu tun haben. Alkohol wurde von uns nicht als wirkliche Droge angesehen, war schon zu sehr im Alltag integriert. Also Koks? Diese Reichen-Klugscheißer-Laber Droge? Sollte das die Lösung sein? Viel zu teuer, gibt’s da nichts von Ratiopharm? Doch, gab es nämlich wirklich und zwar in Form von Nasenspray. Das gab es rezeptfrei an jeder Apotheke und das nahm auch nicht jeder. Also war es irgendwie cool. Zugegeben, der Berauschungseffekt hielt sich in Grenzen, aber das war dann plötzlich nur noch nebensächlich. Eine ordentliche Abhängigkeit konnte man trotzdem schnell erzeugen, so dass das kleine Zerstäuber- Fläschchen bald ständiger Begleiter war.
Viele Jahre sind seitdem ins Land gegangen, die Nasenscheidewände haben sich längst erholt und das kleine Fläschchen wird mittlerweile nur noch bei Schnupfen rausgeholt. Dann aber nur mit Meerwasser gefüllt, Eigenmarke vom Drogeriemarktimperium. Macht nicht süchtig. Wenn schon dann erwachsen, dann richtig. Sorry3000 scheinen diese Nasenspray-Sucht zu kennen, denn sie haben einen fantastischen kleinen Popsong über einen Freund der nasensprayabhängig ist geschrieben. Ein echter Hit und das erste Lied, welches ich von dem Quartett aus Halle(Saale) zu hören bekomme. Ich bin begeistert!
Nun also ein ganzes Album auf Audiolith und die Band, bestehend aus zwei Damen und zwei Herren, liefert ein an allen Ecken quietschendes, piepsendes und poppendes Album. Über die Musik gibt es einen Sprechgesang, der Probleme (?) des Alltags thematisiert. Die Texte sind größtenteils einfach nur gaga. Ist das ironisch oder einfach nur vollkommen bekloppt? Ist das moderne Poesie oder nur das Resultat von zugedröhnten Hipstern? Keine Ahnung, ist auch egal, denn die meistens Lieder machen für sich genommen einfach Spaß.
Ich glaube, wenn ich Influencer bei Instagram wäre, dann würde ich meine Stories, in denen ich irgendeinen gesponserten Scheiß als totale Offenbarung anpreisen würde, mit Liedern von Sorry3000 unterlegen. Das kommt bestimmt voll gut. Win/Win-Situation. Für mich als Influencer und für die Band. Ich würde Independent Credibility ausstrahlen und die Band würde durch mich berühmt. Reich wahrscheinlich nicht, denn wer verdient mit deutschem Indie-Pop-Musik noch Kohle?
Auf gesamter Langspielplattenlänge kann ich mir das aber ehrlich gesagt nicht anhören. Nach drei oder vier Liedern fängt mich die Stimme dann an zu nerven und ich muss der Nadel eine Pause gönnen. Trotzdem hinterlässt die Band einen guten Eindruck bei mir, denn der Sound erinnert an einer Mischung aus The B-52s und Lassie Singers, modernisiert mit elektronischen Spielerein.
Anspieltipps sind für mich folgende Lieder, wenn ihr die gut findet kauft das Album und füllt eure Insta-Stories mit gutem Pop: Die Stadt ist schöner/ Nasenspray/ Portwein/ Franky.
Ansonsten lasst es.