Freitag vormittag, die Sonne scheint, das Wochenende naht – und ich sitze rotzend auf dem Sofa und versuche seit einer halben Stunde die Energie zu finden, meine Tasten auf der Tastatur zu bewegen.
Eigentlich freue ich mich schon seit Tagen darauf, das neue Tape von Kloppstock Records zu reviewen, weil das Letzte auch schon so geil war (zum Review der The Almighty Zeros geht’s hier). Aber mich hat es völlig nieder gebretzelt.
Doch so ein bisschen Recherche ist drin. Also fang ich an zu stöbern und finde – sehr wenig. Immerhin weiß ich, dass es sich um ein Duo handelt. Brian und Sam bedienen ein Sammelsurium an Instrumenten und natürlich will ich jetzt wissen, wie sich das anhört. Aber Musik in meinem Zustand?! Puh. Na gut, ok. Ist ja kein Death Metal. Rein damit und –
Ohhh, ahhhh – ja, das ist genau was ich jetzt brauche. Wenn ich mir wünschen könnte, was ich im Moment gerade noch so ertragen könnte, dann wäre es wohl diese Art von Musik. Als Horrorsurf / Indie-Rock bezeichnen The Dreadtones aus Pittsburgh ihren Sound- ich würde dem sogar noch etwas Ambient hinzufügen.
Bei dem mir vorliegenden Tape “Dead Frequency” handelt es sich um das zweite Album von The Dreadtones. Also Faulheit kann man den beiden wahrlich nicht vorwerfen. Innerhalb der letzten zwei Jahre haben sie gleich zwei Alben veröffentlicht – das erste mit 17 (das Review meines Kollegen Marcel findet ihr hier), das aktuelle mit 18 (!) Titeln auf der Tracklist, jeder davon nicht unter zweieinhalb Minuten (eher länger).
Hui, ich weiß nicht ob die Ibus langsam knallen oder ob ich bereits voll im Sog der unbekannten Düsterrocker gefangen bin. Ich fühle mich inzwischen wie so ne Motte, die gerade gegen so ein fies klebriges Papier geknallt ist, sich nochmal ein bisschen hin und her windet, checkt, dass es aussichtslos ist zu entkommen – und sich dann ihrem Schicksal einfach ergibt. Also lasse ich mich einlullen von dieser grandios schaurigen Melancholie. Es ist Musik die Bilder erzeugt und gegen die jede Meditations App abstinkt, ey. Ohne Witz, ich bin bereits nach dem Opener “The Unsound Mind Of Lilly Liver” tiefenentspannt. Ich google mal kurz, was es mit dem Namen auf sich hat und stoße dabei auf Folgendes:
“Die erste bekannte Verwendung von “lily-livered” stammt aus dem Jahr 1605. Der Name geht auf den mittelalterlichen Glauben zurück, dass die Leber der Sitz des Mutes sei, und auf die blasse Farbe der Lilienblüte. Eine Person, die kein Blut in der Leber hatte, hatte keinen Mut und war somit ein Feigling.”
Geil, ich steh ja voll drauf, wenn in Songtiteln so nette, triviale Anekdötchen für neugierige Rezensent*innen versteckt sind <3
Inzwischen kann ich auch das Cover entziffern: Dunkellila auf schwarz isch halt nix für meine alternden Augen (…aber Foto + Filter + brighten up macht’s möglich.)
In meiner Verblendung habe ich zuerst ein Riesenrad gesehen und mich gedanklich an einen verlassenen Rummelplatz gebeamt, beim genaueren Betrachten, hüstel, handelt es sich allerdings um eine Radar Station (jetzt macht auch der Titel “The Dead Frequency” plötzlich Sinn).
Ich gehe weiter auf Horror Empfang und lasse mich durch das Album treiben. Herrlich. Ich weiß gar nicht richtig, was ich daran am fesselndsten finde: diese Lässigkeit, mit der hier Darkness as its best erzeugt wird, diese dominanten Gitarren, die mal dumpf und schwammig (“The Sea Orphan”, mal glasklar (“Bullwyf And The Eaters Of The Dead”) klingen, der dengelnde Bass (“A Choir Of Wolves”, “Operation Terror”), die fast leichtfüßigen und doch scheppernden Drums (“Divine Farewell”), das Durchmischen all dieser Sounds mit Samples (“Heaven’s Gate”), Meeresrauschen ( “The Tenure Of Evil”, Meditationsmodus ON), fast orchesterartigen Steigerungsmomenten oder der Einsatz eher unerwarteter Instrumente, wie ein Tambourine (“Shadow Shelf”). Zwischendurch mal mit “Old Fears” verhältnismäßig zackiger Check, ob ich noch wach bin oder schon völlig weggedriftet und schaurigschöne Synthies. Hier und da gibt’s etwas Geplauder und Geschrei (“Gloomy Departure”). Der erste Song erscheint gegen Ende nochmal auf der Tracklist, dieses mal in einer wunderschönen Gitarren Akustik-Version.
Ich verlasse schließlich das spooky Dillirium mit dem “Phantom Train”. Schade. Ich wär noch gern ein bisschen länger an Bord geblieben, aber die Zeit, die Kraft, die Müdigkeit…
Also jetzt noch schnell Tacheless, Handlungsanweisung: Aufraffen, einmal durschhütteln und fix eines der auf 50 St. limitierten Tapes sichern. Diese gibt es wie immer direkt bei Kloppstock Records.
Gut’s Nächtle allerseits!