Wer bei mir ein Jazz-Album zwischen den ganzen Indie-Rock-Platten finden will, muss lange suchen. Ich habe ein ambivalentes Verhältnis zum Jazz. Auf der einen Seite finde ich es beeindruckend, gerade bei improvisierten Sets, wie sich die Musiker*innen auf einander einlassen, die Töne aufgreifen und vorantreiben. Auf der anderen Seite finde ich es auch anstrengend, weil die Zuhörenden genauso gefordert sind wie die Musiker*innen, wenn auch auf eine passive Art und Weise. Und jetzt liegt mir das Konzeptalbum “The Zone” by Daniele Del Monaco vor und fordert mich mit dieser Review heraus und dem unmöglichen Versuch, dieses Album in rund 700 Worte zu packen. Nun denn…
Das Album schafft eine Spannung zwischen populären, rockigen Tönen und einem avantgardistischen, experimentellen Grundkonstrukt. Und hierin liegt die große Stärke der Platte, so schafft sie es auch scheinbar weit von einander entfernte Einflüsse wie “Die Konferenz der Vögel” aus dem 12.Jahrhundert, eine der bedeutensten persischen Dichtungen, mit dem Science-Fiktion-Film “Stalker” des Regisseurs Andrei Tarkowski zu verbinden und in unsere Lebenswelt zu holen. Hierbei dient “Die Konferenz der Vögel” als kreatives Fundament für Del Monacos Konzeptalbum “The Zone” und der Film inspirierte zum Titel der Platte.
Sieben Stücke finden sich auf dem Doppel-Vinyl und wie es bei Erzählungen üblich ist, wird auch diese musikalische Erzählung in eben sieben Kapitel aufgeteilt, die uns wie Wegmarken durch die “Stadien des menschlichen Verlangens”, wie sie Poet und Schöpfer der “Konferenz der Vögel” Farid al-Din ‘Attar nennt, führt.
Doch wie klingt diese Reise eigentlich? Beginnend mit Ambientklängen, die im weiteren Verlauf mehr in den Hintergrund rücken, aber wie ein Grundrauschen immer vorhanden sind wird schnell der Herzschlag der Hörerschaft durch das schnelle Hinzustoßen und die dringliche Abfolge an Instrumenten beschleunigt, ehe Fay Victors Sprechgesang stakkatohaft Worte ins Hier wirft. So heißt der Song auch “A Loud Noise” und erzeugt ein Gefühl wie der immer fortwährende Großstadtlärm mit seinem Konglomerat an lauten Geräuschen, zu dem sich im stillen Inneren die großen Seinsfragen gesellen, gegen den äußeren Lärm ankämpfend und Antworten fordernd.
Ich bleibe beim oben beschriebenen Bild des Großstadtlärms, um zu skizzieren, was auf der zweite Seite folgt – Stille, “Silence”. Eine so laute, einnehmende und beängstigende Stille, wie sie nur hör- und spürbar wird, wenn abrupt der umgebende Lärm verstummt und man sich dadurch erst dessen bewusst wird. Und mit einem gewaltigen und nicht gerade leisem Arrangement wird so ein Gefühl dieser Stille geschaffen. Eine Stille, in der man droht sich zu verlieren wie in einem schwarzen Raum, inmitten von Menschen, denen es nicht anders geht als einem selbst – Kapitel IV “We Are Lost”.
Mit einem Trommelschlag wird man aus der Stille gerissen und es folgt eine apokalyptisch anmutende Erzählung ehe Fay Victors vom Gepsrechgesang zum Gesang wechselt und ihre volle Stimmbreite zur Geltung kommt – eine warme, kraftvolle, gefühlsvolle und facettenreiche Jazzstimme, die den Überblick über die experimentellen Töne der Instrumente behält und diese fast zu lenken scheint im Verlauf des fünften Kapitels “Seven Valleys”, durch die wir auf unserer Reise geführt werden.
Auf der letzten Seite in Kapitel VI “What am I Doing Here” wird eben durch diese und die Frage wo man sich selbst verortet, wo und wer man sein wird eine Verzweiflung und Hoffnung – weil alles sein kann ausgehend von einem selbst – gesäht. Und auch im letzten Stück bleiben diese Gefühle präsent durch Zeilen wie “…I heared the Oldman say…”, stark, fordernd, unerschütterlich gesungen, mit einem leisen Zweifel, der durchklingt. Und zugleich wird Bestehendes, das Konstrukt an dem man sich durchs Leben hangelt, durch die experimentellen Klänge zerstört. So ist das letzte Stück “The Room”, was zwischen Jazz, Aventgarde und rockigem Schlagzeugbeat und Gitarre pendelt, das experimentellste Lied – mächtig und kraftvoll, endend in fragender Ruhe, in der die Hörerschaft zurückgelassen wird, wenn nur noch das Kratzen der Nadel auf dem Vinyl zu hören ist.
Vielleicht braucht es ein wenig Mut, um sich auf dieses Album einzulassen, weil es aufgrund seiner schieren Größe beeindruckend ist und Raum und Zeit des Zuhören fordert. Aber wer den Mut, den Raum und die Zeit aufbringt wird nicht enttäuscht.
Die Platt, “The Zone” ist am 12.November via Studio Three Recording als 180 Gramm schwarzes Vinyl erschienen.
Interpret | Keine Daten vorhanden |
Titel | Keine Daten vorhanden |
Veröffentlichung | Keine Daten vorhanden |
Label: | Keine Daten vorhanden |