Jesses, da wurde mir ja ein ganz schön exotisches Stück Musik zugespielt. Touraj Shabankhani, als Künstler nur mit Vornamen unterwegs. Einst galt der Iraner in seiner Heimat als Poptalent und war nicht nur in eigener Sache, sondern auch als Songwriter für andere iranische Künstler*Innen wie Fereydoun Foroughi, Ebi, oder Sattar, allesamt schillernde Persönlichkeiten der iranischen Popkultur, unterwegs. Touraj wuchs in Sachen Populärmusik sicherlich unter Bedingungen auf, die für uns Menschen der westlichen Hemisphäre kaum vorstellbar sind. Der Gipfel des kaum Vorstellbaren ist dabei sicherlich das Auftritts- sowie Veröffentlichungsverbot nach der islamischen Revolution 1979, was ihn dazu zwang, die autodidaktisch erlernte Gitarre an den Nagel zu hängen und erst 1996 wieder abzunehmen. 2019 verstarb Touraj im Alter von 70 Jahren. Das Berliner Label Fun In The Church veröffentlicht nun die Compilation „Me, without you. The spring, without you“ mit Aufnahmen Touraj‘s aus den Jahren 1973 bis 1978.
Und eben diese Aufnahmen machen mich ehrlich gesagt so ein bisschen ratlos. Die Musik von Touraj, die ist ziemlich cool. Klingt ausgefeilt, qualitativ hochwertig, nach The Ventures, The Shadows und sie würde sich auch als Soundtrack für solch alte Science Fiction-Movies eignen. Der Gesang des Teheraners, der klingt allerdings irgendwie gruslig. Als wäre es perfekt eingefädelt, singt Touraj gemäß dem Namen des verantwortlichen Lables wie ein Kirchenchoral mit flehentlicher Note. Nur das mit dem “Fun” ist da so ‘ne Sache. Den Fehler bei mir suchend, muss ich mir vielleicht eingestehen, dass meine konventionell geschulten Ohren dafür einfach nicht ausreichend strapazierfähig, bzw. kompromissbereit sind.
Die künstlerische Note, die kann ich Touraj trotz eventuell intoleranten Gehörgängen dagegen nicht absprechen. Die zu seiner Zeit ebenfalls noch in den Kinderschuhen steckende Popmusik des Westens mit traditionell persischen Klängen zu verbinden, war und ist ganz sicher Pionierarbeit. Auch spannend in diesem Zusammenhang ist der kulturelle Ansatz, persische Lyrik in diese Musik zu verflechten, mehr als dies in anderen Erdteilen je stattgefunden hat. Touraj passte die Musik und ihre Klangfarben den lyrischen Inhalten an. Ich weiß es zwar nicht mit Bestimmtheit, bin mir jedoch ziemlich sicher, dass der Großteil der westlichen Kolleg*Innen genau umgekehrt vorging und bis heute vorgeht.
Bleibt also final: Touraj ist sicherlich spannend für alle, die Musik auch historisch und geographisch einzuordnen wissen und in dieser Hinsicht auch bereit dazu sind, sich stets weiterzubilden. Touraj mag auch etwas für diejenigen sein, die diesem schwammigen Begriff “Weltmusik” etwas abgewinnen können. Etwas einfacher: Touraj mag auch für all diejenigen schlicht und ergreifend unterhaltsam sein, die die Beatles mögen, sich an denen aber schon die Hörner abgestoßen haben, gleichzeitig aber auch bereit sind, ungewöhnliche musikalische Wege zu gehen. Bei mir selbst hält sich da leider die Abenteuerlust in Grenzen. Soll doch aber der olle Riedinger weiter auf seiner Couch rumlümmeln. Leute, traut euch an „Me, without you. The spring, without you“ ran und wer weiß, vielleicht werdet ihr für eure Neugier belohnt?!
Die 14 Songs verteilen sich auf zwei LP’s. Da bietet sich natürlich ein Gatefold an und so wurde es auch gemacht. Das Artwork so ein bisschen in Popart gehalten, das passt gut und unterstreicht den populärmusikalischen Charakter der Musik. Schöne Fotos und ein kurz und knackig gehaltener Text auf den Innenseiten verschaffen in Kombination einen greifbaren Eindruck vom Schaffen, der Arbeits- und der Denkweise von Touraj. Schaut z.B. mal hier.