In unserer Reihe Vinylkeks4Nepal lassen wir die Bands und Unterstützer:innen der beiden Benefiz Vinyl Sampler “Help4Nepal Vol.1“ und “Help4Nepal Vol.2 – United We Stand” zu Wort kommen. (Können hier käuflich erworben werden) Die Sampler waren zunächst als Nebenprojekt des The Madness Pogo Festivals entstanden. Zwischenzeitlich wurde daraus ein eigenständiges Projekt: Das Child8Project. In Kooperation mit STELP e.V. Stuttgart wird mit dem Erlös der Sampler Geld für den Bau einer Schule und ein Wassersystem in Kathmandu / Nepal gesammelt. Detailliertere Informationen zu dem Projekt findet ihr außerdem hier im Interview mit Sascha, einem der Hauptinitiatoren.
In der heutigen Ausgabe haben wir mit Stefan vom Punkrockers Radio gesprochen. Er erzählt uns unter anderem, wie sich das Radio in den letzten Jahrzehnten verändert hat, wieviel Zeit er selbst in welchen Bereichen täglich investiert, wie er die aktuelle Solidarität in der Szene bewertet und wie es die Kollaboration mit dem Child8Project zustande kam.
Stefan, schön, dass Du dabei bist! Punkrockers Radio existiert jetzt schon seit fast 20 Jahren. Kannst Du uns ein bisschen etwas über dessen Ursprung erzählen? Wer steckt dahinter und und wie haben sich das Team und die Inhalte in den letzten Jahren verändert?
Punkrockers-Radio wurde 2002 in Braunschweig von einigen Gamern gegründet, die beim Spielen Punkrock hören wollten. Von den Leuten, die den Sender damals gegründet haben, ist allerdings niemand mehr dabei, wobei immer noch Kontakte bestehen. Seit der Gründung vor nunmehr fast zwei Jahrzehnten läuft, bis auf wenige Unterbrechungen, rund um die Uhr Musik, wenn nicht gerade moderierte Sendungen laufen. Irgendwann fehlte mal für ein halbes Jahr die Kohle für den Server, da war Ruhe, aber es kam dann zur Wiederbelebung und seit dem sind wir eigentlich durchgängig am Start, wenn nicht gerade der Server abstürzt, was zum Glück selten vorkommt. Die Crew ist ein loser Haufen von Leuten, die Bock haben, das Radio am Laufen zu halten. Es gibt keinen Verein, niemand, dem das Radio gehört und keine Macht im Hintergrund, die das ganze finanziert. Wir sind komplett werbefrei sowie spendenbasiert, wobei ein Teil der Spenden auch von uns selbst kommt. Neben der täglichen Rotation gibt es jede Woche verschiedene Sendungen. Manche sind thematische Playlisten, wie eine Saufsendung am Samstag, die “Montagsdemo” mit Songs gegen Faschos und anderes rechtes Pack oder “Grrrlz On The Stage”, wo jeden Mittwoch eine Stunde lang Musik von Bands läuft, die nicht nur aus Männern bestehen. Einige Sendungen sind vorproduziert, ein Teil ist aber auch Live, manchmal mit Gästen, manchmal ohne. Es gibt also ein abwechslungsreiches Programm. Das gilt auch für die Playlist, in der sich mittlerweile mehr als 5.600 Bands aus aller Welt befinden. Neben den großen Namen finden sich dort vor allem auch viele kleine Bands, die in der Regel keine Plattform haben. Wir freuen uns übrigens immer über neuen Kram.
Das klingt nach einem abwechslungsreichen Programm! Seit Kurzem ist ja auch Carlos von Entes Anomicos dabei (den ich sehr schätze für seine Arbeit!). Mit seinem DIY Label bietet er Künstler:innen und Bands in Kleinauflagen auf Tapes, Cds oder Vinyl an. Was bedeuten Dir solche Zusammenschlüsse und wie kann frau/man bei Euch Moderator:in werden?
Carlos hatte uns vor einiger Zeit angesprochen, ob wir Interesse an einer Sendung mit vorwiegend lateinamerikanischem Punk und Hardcore hätten, was wir definitiv hatten. Seit einigen Monaten läuft nun seine Sendung jeden zweiten Montag immer im Wechsel mit dem “Bierschinken Podcast”, der, wie auch der “Dreck unter den Nägeln Podcast” bei uns immer exklusiv vorab über den Stream geht, bevor die anderen Plattformen bespielt werden.
Wir haben immer Bock auf Kooperationen. Vor einigen Wochen lief z.B. die Kakadu Radio Show, gemacht von einer Konzertgruppe aus Limburg. Pandemiebedingt hatten sie Langeweile, da ja keine Konzerte stattfinden konnten und so haben sie bei uns dann mal einen ganzen Abend gestaltet, was extrem unterhaltsam war.
Um bei uns mitzumachen reicht es eigentlich aus, kein Arschloch zu sein. Die technischen Hürden sind gering und Support ist vorhanden. Bock, zu senden sollte auf jeden Fall auch da sein und natürlich ein Bezug zu Punkrock. Inhaltlich und musikalisch gibt es keine Vorgaben. Dass wir keinen Bock auf rechten, homophoben oder sexistischen Scheiß haben versteht sich dabei natürlich von selbst. Wir freuen uns explizit über Bewerbungen von FLINTA. Bei Interesse einfach über die üblichen Kanäle mal unverbindlich Kontakt aufnehmen.
Na dann ran an die Tasten! Wieviel Zeit nimmt das Radio in Anspruch? Machst Du inhaltlich noch viel selbst oder bist Du überwiegend mit “Verwaltungskram” und Organisatorischem beschäftigt?
Ich bin ja vor zwölf Jahren zum Radio gekommen und es ist zu meinem absoluten Hobby geworden. In den vergangenen Jahren habe ich viele Kooperationen mit Labels, Fanzines, Booker*innen und Veranstalter*innen angeleiert. Außerdem sorge ich für die Befüllung der Playlist, kümmere mich um Social Media, betreue die Website sowie unseren Admin Bereich und vermutlich mache ich noch zehntausend andere Dinge. Da kommen schon ein paar Stunden pro Woche zusammen, aber es macht auch einfach extrem viel Bock. Ich mache spannende Dinge, von denen ich meist keine Ahnung habe, kommuniziere mit Menschen aus aller Welt und habe in den Jahren unglaublich viele nette Leute kennengelernt.
Im Schnitt mache ich alle zwei Wochen meine “Kellerpunk” Sendung, bei denen ich in der Regel auch Gäste habe. In den vergangenen 18 Monaten lief das Online, was nur der halbe Spaß ist, aber ermöglicht hat, auch mal Menschen in der Sendung zu haben, die nicht im Ruhrgebiet wohnen. Die kommende Sendung wird aber wieder mit einem echten Gast sein. In Zukunft wird es dann vielleicht einen Mix aus beidem geben.
Da lassen wir uns gerne überraschen…Wie kam die Zusammenarbeit mit dem “Child8Project” zustande? Wie wichtig ist Dir die Unterstützung derartiger Projekte?
Sascha haben wir 2016 beim Punk Rock Holiday in Slowenien kennengelernt. Im Februar fragte er an, ob wir die erste Ausgabe des Samplers über unsere Kanäle promoten können, was wir natürlich gerne gemacht haben. Bei der aktuellen Ausgabe sind wir sogar als Sponsor dabei, wodurch nun unser Logo auf der Rückseite abgedruckt ist, was ich ziemlich cool finde. Solche Aktionen sind für uns total wichtig und wann immer wir die Möglichkeit haben, soziale Projekte zu supporten, tun wir das.
Z.B. im Rahmen unserer Sammelbestellungen für Flaschenöffner. Bands bekommen dabei Merch für schmales Geld, wir finanzieren darüber unsere eigenen Motive und jedes mal produzieren wir eine kleine Auflage mit einem Motiv einer Initiative, die sie dann für lau zugeschickt bekommen. Eigentlich kein großes Ding, aber für mich ist es ein Zeichen, Solidarität und Wertschätzung für die Leute auszudrücken, die sich für andere einsetzen.
Eine super Idee! Wie beurteilst Du denn die derzeitige Solidarität unter Musikschaffenden im Allgemeinen? (Radio, Künstler:innen, Veranstalter:innen….). Hast Du das Gefühl, es wird seit Corona näher zusammengerückt ?
Solidarität zeichnet in meinen Augen die Szene sowieso in gewisser Weise aus. Das trifft vor allem auf diejenigen zu, die nicht nur konsumieren, sondern auf die eine oder andere Art etwas beisteuern, indem sie Musik machen, Konzerte oder Infoabende veranstalten, Bands buchen, fahren, verköstigen, beherbergen, darüber schreiben usw. Punktuell ist die Solidarität sicherlich größer geworden, aber ich habe auch das Gefühl, dass sich alle ein wenig zurückgezogen haben und insgesamt weniger Austausch da ist. Aber vielleicht kommt es mir auch nur so vor, weil die Reallife-Begegnungen so rar geworden sind. Das mentale Zusammenrücken ist vielleicht nicht so spürbar, weil die körperliche Nähe zu den Leuten fehlt.
Das klingt schlüssig und die Erfahrung habe ich auch gemacht. Streaming Konzerte haben ja eine Zeit lang Hochsaison gehabt- gab es auch Übertragungen auf Punkrockers Radio?
Wir haben über die letzten zehn Jahre über 100 Konzerte mitgeschnitten. Viele beim Bierschinken-Festival, aber auch in diversen Kneipen und bei anderen Gelegenheiten. Ende 2020 haben wir dann das “Konserven-Festival” veranstaltet. Da gab es über sechs Wochen hinweg freitags immer vier bis fünf Mitschnitte aus unserem Fundus zu hören. Neben einem Deutschpunk-Abend erinnere ich mich an je einen Abend mit schwedischen und einen mit britischen Bands, einen Ska-Punk-Abend und einen Abend mit Ramones lastigem Sound. Die Zuhörer*innen konnten Geld spenden, das dann an Seebrücke gegangen ist. Die Resonanz war insgesamt allerdings sehr überschaubar.
Ein tolles Konzept! Normalerweise stelle ich den Künstler:innnen in meinen Interviews gerne die Kernfrage bezüglich Barrierefreiheit und Inklusion in Locations / auf Konzerten. Ich würde die Frage hier gerne abwandeln: Kannst Du Dir vorstellen, barrierefreies Radio bzw. einzelne Sendungen barrierefrei anzubieten (z.B. für Gehörlose mit Untertiteln)? Oder zum Beispiel einer Radiosendung zum Thema Inklusion (und mehr) Raum zu geben?
Das mit der Barrierefreiheit ist ein Interessanter Gedanke. Da habe ich noch nie drüber nachgedacht, da ich bislang Radio nicht als Medium angesehen habe, das für Gehörlose interessant sein könnte, noch dazu weil es in unserem Programm ja sehr viel um Musik geht. Keine Ahnung, ob es technische Möglichkeiten gibt, Sendungen automatisiert in brauchbarer Qualität zu transkribieren. Was den zweiten Teil deiner Frage angeht, spricht nichts dagegen, mal eine Sendung zu dem Thema zu machen. Ich finde es spannend, habe aber Null Ahnung und wäre dabei auf Expertise angewiesen.
Schön, das nehme ich gerne mal mit 🙂 Da Du bestimmt Meister der Playlists bist, dürfte Dich meine Lieblingsfrage eher langweilen… Ich wünsche mir von Dir eine Mixtape Playlist mit dem Titel “10 Punkrockers Radio Neuentdeckungen”.
Ich versuche mich da direkt mal an zwei Listen. Die erste enthält zehn Bands, die ich in den vergangenen zehn Jahren über das Radio entdeckt habe und die mich alle ziemlich weggeblasen haben:
- The Baboon Show (SE)
- Get Dead (US)
- No Man’s Land (ID)
- Spanner (GB)
- Teenage Bottlerocket (US)
- Jaya The Cat (US/NL)
- DeeCracks (AT)
- Maid Of Ace (GB)
- Sewer Rats (DE)
- Bad Cop / Bad Cop (US)
Die zweite Liste enthält zehn persönliche Hits der vergangenen Monate.
- Alarmsignal – Bring Dich In Sicherheit
- Louis Lingg And The Bombs – Freaky Deaky
- Bankrupt – The Plane to Toronto
- Resistenz ’32 – Widerstand
- Crim – Blue Blood, Red Sky
- Burning Flag – Toxic By Design
- Sidewalk Surfers – An Apology
- The Rumperts– Girlfriend
- The Muslims – Unity
- Akne Kid Joe – Nein Danke
Lieben Dank Stefan für das spannende Interview, wir freuen uns auf viele weitere Punkrockers Radio Jahre!
Punkrockers Radio findet ihr auf folgenden Kanälen:
Web: https://www.punkrockers-radio.de
Facebook: https://www.facebook.com/pnkrcksrd
Twitter: https://twitter.com/pnkrckrsrd/
Instagram: https://instagram.com/punkrockersradio
YouTube: https://www.youtube.com/channel/UCXalY3y9fQUuP9FrxzQL5Hw
Mixcloud: https://www.mixcloud.com/punkrockersradio
Spotify: https://open.spotify.com/playlist/3r0RdkdgqWjn5f6FAaq5Bi